Herr K., der Veganer

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Herr K., der Veganer

Vor kurzem war ich auf einem 3-tägigen beruflichen Seminar. Bei der Berufsgenossenschaft. In einem Kurort. In der Lüneburger Heide. Drei Tage abseits meines gewohnten Habitats. Meine Sorge: Können die auch vegan?

Zugegeben, es war der erste mehrtägige Aufenthalt woanders, seitdem ich vegan lebe. Also eine ganz neue Erfahrung. Völlig unbedarft wollte ich aber nicht auf Tour gehen und habe bereits im Vorfeld per E-Mail in der Berufsgenossenschaft angefragt, ob auch vegane Gerichte angeboten werden.

Zu meiner Überraschung kam die Antwort innerhalb weniger Minuten. Am Anreisetag möge ich mich direkt am Empfang melden und dort den Küchenchef verlangen. Der könne dann alles Weitere mit mir besprechen. Wow! Wenn alles andere auch so unkompliziert verläuft, wie die schnelle Rückmeldung, brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen.

Herr K. ist da. Der Veganer!

Am Anreisetag folgte ich der Empfehlung aus der E-Mail und bat um Absprache mit dem Küchenchef. Die Dame am Empfang griff beherzt zum Telefonhörer, wählte die Durchwahl der Küche und sprach dann laut und für alle hinter mir Wartenden deutlich hörbar: „Herr K. ist da. Der Veganer!“. Ein leises Kichern hinter mir signalisierte, dass man mich nur schwer hätte prominenter 'outen' können.

Es dauerte nicht lange, da kam auch schon der Küchenschrank… äh… -chef durch die Tür. Größenmäßig mit 2m mir ebenwürdig, aber sicherlich doppelt so stämmig. "Wir haben eine Gemüsepfanne für Sie eingeplant. Morgens gibt es veganen Aufstrich und zur Planung der weiteren Mittagessen machen Sie sich bitte auf den dann ausgelegten Essenslisten kurz kenntlich". "Gern.". "Ist gluten-frei auch ein Theman?" "Nein, danke. Alles bestens. Passt schon.". "Gut, dann wäre ja alles geklärt." Wenn ich irgendwelche Fragen oder Wünsche hätte, könne ich mich jederzeit an ihn wenden. Abtreten. Szenenende.

The Vegan in the Room

Wie ich in den drei Tagen feststellen musste, war ich der einzige Veganer unter knapp 150 Gästen. Trotzdem wurde mein Veganismus – zumindest in meiner Gegenwart – überhaupt nicht thematisiert. Am Tisch drehten sich die Gespräche über Gott und die Welt, aber ein Thema wurde gekonnt ausgespart: das Essen.

Das war schon eine merkwürdige Situation, zumal auf den Tellern meiner Tischnachbarn bergeweise Fleisch, Wurst, Käse und Ei gestapelt waren. Es gab einen kurzen Moment, da konnte ich tatsächlich etwas nicht Tierisches auf den Tellern der Anderen erkennen. Ich bin mir ganz sicher! Mein Teller stach deshalb schon rein optisch hervor. Blieb gar nicht aus. Trotzdem: Kein Kommentar, keine Nachfrage, gaaaar nichts. Bis auf das beklommene Gefühl, dass jeder genau diese Thematik auf Teufel-komm-raus vermeiden wolle und entsprechend das Schweigen vorzog.

Kann Spuren ökologischen Bewusstseins enthalten

Und dann fand ich sie: kleine Hinweise, dass sich jemand innerhalb der Berufsgenossenschaft mit ökologischen Fragen beschäftigt hatte. Zuerst fiel mir der Aufkleber über dem Lichtschalter im Herrenklo auf. Größer noch, als der eigentliche Schalter. Man möge das Licht bitte beim Verlassen ausmachen und damit einen Beitrag zum Energiesparen leisten.

Etwas später dann die zweite Entdeckung auf den Getränkegläsern. Hier fand sich die Erklärung, warum Getränke frisch gezapft wurden, statt diese in Glasflaschen zu servieren. Die Verwendung von Gläsern und Zapfanlagen sorge für einen 90% geringeren ökologischen Fußabdruck, als die Verwendung von Getränkeflaschen.

Cowspiraaa… was!?

Für mich fühlte sich das zum einen sehr positiv an, zum anderen war es aber auch sehr merkwürdig und paradox. Energiesparen, Verringerung des ökologischen Fußabdrucks und gleichzeitig Berge an Tierischen Nahrungsmitteln zu allen drei Hauptmahlzeiten; als gäbe es kein Morgen mehr.

Spätestens seit dem Film Cowspiracy werden in den Medien verstärkt die ökologischen Auswirkungen des Fleischkonsums thematisiert. Die Verringerung tierischer Nahrungsmittel oder deren kompletter Verzicht bringen vom ökologischen Standpunkt zig-mal mehr, als das Ausknipsen von Energiesparlampen auf Toiletten. Einen entsprechenden Hinweis konnte ich mir nicht verkneifen, als ich den „Wie-hat-Ihnen-der-Aufenthalt-gefallen“-Zettel ausfüllte. Es wäre wünschenswert, wenn mein Hinweis in die richtigen Hände gerät und dort zu einem langsamen Umdenken, bzw. Beschäftigen mit der Materie beiträgt.

Juhu, ich bin nicht verhungert!!!

3 Tage auf dem platten Land. Abgeschnitten vom heimischen, veganen Refugium. Quasi „in the wild“. Und doch überlebt. Vegan Leben auf ungewohnten Terrain geht also; auch ziemlich problemlos.

Wenn auch meine Position als einziger Veganer unter ca. 150 Personen recht exponiert war und unterschwellig das „A Vegan in the Room“-Phänomen vorhanden war, aber interessanterweise in meiner Gegenwart nicht artikuliert wurde.

Noch ein paar mehr solcher Erlebnisse und das Nervenflattern beim Gegenüberstehen des Küchenschranks… äh… chefs wird auch verschwinden.

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