Folge 1 - Einleitung

Ein Beitrag

#1 Einleitung

In dieser Folge

  • erzähle ich Dir von meinen Forschungsmethoden,
  • erkläre ich Dir, warum es so wichtig ist, den geschichtlichen Kontext zu beachten und
  • berichte ich Dir, wie es weitergehen wird.

Seit ich zur Kuhmilch forsche ist mir eines bewusst geworden: ich kann die Kuhmilch nicht losgelöst von der Historie unseres Landes betrachten. Alles ist wichtig und vieles spielt mit hinein.

Nie fand ich Sozialgeschichte spannender als in den letzten zwei Jahren, nie haben mich alte Bücher mehr fasziniert- es macht auf einmal alles Sinn!

Kommst Du mit auf eine Reise in die Vergangenheit?

Transkript (Korrektur gelesen von Erika K.)

Schön, dass du wieder dabei bist bei Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch.

Ich bin Stefanie und ich möchte dir in dieser 1. Folge einen Überblick geben über meine Forschungsmethoden und über das, was ich bisher schon herausgefunden habe. Wie du aus der Pilotfolge weißt, bin ich jetzt schon seit etwa 2 Jahren dabei, Milchgeschichten zu sammeln und zwar tatsächlich genau in dem Sinne. Ich lese Geschichten über Milch. Teilweise sind es gut recherchierte Sachbücher, teilweise sind es auch Werbegeschichten aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, teilweise ist es auch wirklich Geschichte im Sinne von Historie. Und ich habe bisher vor allem in der ehemaligen Milch-Forschungs­anstalt in Kiel viele alte historische Bücher aus dem 19. Jahrhundert und auch aus dem 20. Jahrhundert lesen dürfen. Ich habe sie einscannen dürfen und ich habe ganz viel Material gefunden.

Und ich habe auch die Bücher „Milch besser nicht“ von Maria Rollinger und das Buch. „Milch: vom Mythos zur Massenware“ von Andrea Fink-Keßler gelesen zum Beispiel und noch einige mehr, die du alle auch in meinem VIP-Leserbereich findest, den ich hier für diese Forschung im letzten Jahr eingerichtet habe.

Während ich diese ganzen Dokumente, Berichte, Bücher und Geschichten gelesen habe, ist mir aufgegangen, dass ich die Tatsache, dass Kuhmilch in der Gegenwart ein Grundnahrungsmittel ist, nicht aus dem geschichtlichen Gesamtzusammenhang lösen kann. Denn es ist alles wirklich historisch bedingt, es ist historisch gewachsen und so habe ich dann angefangen, auch die Historie noch einmal für mich Revue passieren zu lassen. Denn mein Geschichtsunterricht ist schon etwas länger her und obwohl ich immer sehr gerne am Geschichtsunterricht teilgenommen habe, ist doch nicht so viel hängengeblieben, so dass ich dann wirklich noch einiges nacharbeiten musste und ich habe in meiner Wohnung einen Zeitstrahl an die Wand gehämmert tatsächlich und mir daran vergegenwärtigt wie in den letzten 200 Jahren sich Deutschland verändert hat.

Denn diese ganzen Veränderungen, die Kriege und auch die Veränderungen in der Politik alles hat damit zu tun; alles bedingt diese Entwicklung hin zu dem Grundnahrungsmittel Kuhmilch. Für mich, die ich mit diesem Überfluss von Kuhmilch und Milchprodukten aufgewachsen bin war es ganz wichtig, mir zu vergegenwärtigen, dass das eben nicht schon immer so war. In meiner Anfangszeit als Veganerin habe ich auch öfter Gegenwind bekommen von anderen Eltern oder einfach generell anderen Menschen, die gesagt haben, dass Kuhmilch doch schon immer da war und dass wir schon immer Milch getrunken haben und dass es doch selbstverständlich ist, Milch zu trinken und dass es ungesund ist, sie nicht zu trinken.

Und ich war in der ersten Zeit recht hilflos diesen Argumenten gegenüber und ich bin einfach ein Mensch, der nicht gerne hilflos ist und ich hab mir dann gedacht, ich muss dem Ganzen jetzt auf den Grund gehen und ich möchte nicht mehr ohne Argumente dastehen. Und das war dann mit eine Motivation, dass ich mich noch mehr in diese Forschung rein gestürzt habe und mich dann wirklich auf dieses Thema Milch konzentriert habe.

Denn vegan ist ja ein weites Feld und auch Tierrecht und Tierschutz ist ein weites Feld, denn es gibt ja schließlich viele, viele Missstände auf dieser Welt, die Tiere betreffen, die unsere Umwelt betreffen und Milchkühe und ihre Kälber sind da nur ein ganz kleiner Teil. Und doch war es für mich jetzt so wichtig, dass ich mich die letzten 2 Jahre nur damit beschäftigt hab und einfach auch noch gar nicht fertig bin.

Ich bin immer noch, - ich habe zwar meine These geklärt, wie aus Kuhmilch ein Grundnahrungsmittel werden konnte, aber ich habe es noch nicht wirklich konkret erarbeitet, also dass ich es wirklich unterfüttert hab mit Beispielen und das will ich jetzt noch machen und dazu will ich auch diesen Podcast nutzen, dass ich für dich meine Forschung hörbar mache. Im VIP-Leserbereich ist sie jetzt schon lesbar; allerdings noch nicht so ausgereift. Der Leserbereich ist auch ein Experimentierbereich für mich und wie ich in der Pilotfolge schon gesagt habe, ist leider meine Zeit für die Forschung begrenzt, so dass ich jetzt auch nicht so viel weiter machen konnte und jetzt will ich mit diesem Podcast einfach meiner Forschung wieder mehr Gewicht geben. Und ich möchte dich einladen, mit mir zu kommen, mit mir zu forschen, mit mir Geschichten zu lesen und mit mir diese Historie wieder zu entrollen.

Und auch dieses Thema Kuhmilch zu Entmystifizieren. Denn dass es ein Mythos ist, dass Milch so gesund ist und Milch das Allerwichtigste für uns ist, das ist klar - nur wie ist es dazu gekommen? Und das ist einfach die Frage, die ich klären will, denn das ist auch etwas, was dann dir hilft, Argumente zu finden gegenüber Menschen, die sagen, wieso, wir haben schon immer Milch getrunken, seit wir existieren, trinken wir Milch und Milch ist wichtig für unseren Organismus und ohne diese Milch können wir nicht leben. Und ich bin auch ganz weit zurückgegangen wirklich in die Antike, als es bei Ägyptern und Römern noch Kuh-Göttinnen-Kulte gab. Allerdings ist es so, daß es damals und auch bis ins Mittelalter hinein und tatsächlich wirklich bis zur Wende, als das Kaiserreich kam 1870/71, bis dahin war es nicht nötig, Werbung für Kuhmilch zu machen, denn Kuhmilch war kostbar. So wie generell alle Milch.

Und Kühe wurden auch noch nicht dahingehend gezüchtet. Man hat eigentlich, wenn es Milch gab, wie jetzt in der Antike bei den Griechen und den Römern, hat man keine Kuhmilch zu Käse verarbeitet, sondern eher Schafsmilch oder Eselsmilch oder Ziegenmilch. Und es ging gar nicht um die Kuhmilch und heute macht das einen winzigen Bruchteil aus Schafsmilch und Ziegenmilch; und ich weiß auch überhaupt nicht, ob es noch Eselsmilch gibt. Ich weiß, dass manche Stutenmilch trinken, aber es ist ein winziger Bruchteil, wenn wir heute von Milch reden, dann meinen wir Kuhmilch und deswegen habe ich dann beschlossen, mich erstmal nur auf wirklich diesen Zeitraum ab 1870 zu konzentrieren, denn dann fingen die technischen Neuerungen an und vorher gab es einfach noch nicht so viel Milch, dass Milch zum Grundnahrungsmittel hätte werden können. Denn eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Milch - Kuhmilch - ein Grundnahrungsmittel werden konnte, ist, dass sie in großem Maße zur Verfügung steht. Und das war bis dahin, bis 1870, noch nicht so.

Es war im Mittelalter zum Beispiel so, dass Milch wirklich kostbar war und alles, was daraus gemacht wurde, Butter und Käse, war besonders kostbar, denn wir brauchen um ein Kilo Käse herzustellen 10 Liter Milch, das ist heute so. Früher war die Technik ja noch gar nicht so weit. Das heißt, man hat viel mehr Milch gebraucht um jetzt diesen Käse herzustellen. Und für Butter braucht man nochmal doppelt so viel. Das sind ungefähr 22 Liter Milch, die man für ein Kilo Butter braucht, wenn man sich das mal vorstellt so in Relation setzt, eine Kuh hat früher höchstens 8 - 10 Liter Milch am Tag gegeben, denn das ist so viel wie ein Kälbchen braucht und es war so, dass Kühe ja auch dann nicht rund ums Jahr Milch gegeben haben, denn um Milch zu geben, müssen Sie ein Kälbchen gebären und dieses Kälbchen muss ja auch noch Milch bekommen, denn damals gab es ja schließlich noch keine Milch-Ersatzprodukte für das Kälbchen, so dass also nur ein winziger Bruchteil von dem, was jetzt noch zusätzlich der Kuh abgezapft werden konnte, dann für den Menschen verwendet werden konnte.

Wenn wir uns also überlegen, man braucht 22 Liter Milch, um ein Kilo Butter herzustellen, ist es eine ganze, ganze Menge Milch. Heute ist das die Menge, die ungefähr eine Kuh pro Tag gibt. Aber dann, früher war es eben noch nicht so. Das ist nur durch die Züchtung gekommen und die Züchtung ist jetzt nicht schon irgendwie im 15. Jahrhundert eingesetzt, sondern hat langsam erst im 19. Jahrhundert angefangen. Diese ganzen Entwicklungen sind total wichtig, um das alles zu verstehen, um zu verstehen, wie es dazu gekommen ist. Also wirklich die geschichtliche Entwicklung, die historische Entwicklung noch mit zu betrachten und zu schauen, ab wann hat es denn jetzt eingesetzt, ab wann hat denn überhaupt mal jemand darüber gesprochen, dass Kuhmilch so wichtig ist und ab wann waren überhaupt die Voraussetzungen da, dass Kuhmilch zum Grundnahrungsmittel werden konnte?

Ab wann haben denn die Kühe so viel Milch gegeben, dass sie dann auch für alle Menschen verfügbar war und nicht nur als Trinkmilch, sondern eben auch als Butter und als Käse. Noch in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, also 1970 hinein war Butter kostbar. Das heißt, es gab immer noch so Butterkulte, Butter, die irgendwie zu Schwänen geformt wurde und auf Hochzeiten präsentiert wurde. So was gab es alles noch, das sind alles Fakten, die wir uns vergegenwärtigen müssen, wenn wir verstehen wollen, wie es dazu kommen konnte. Und gerade wenn du so alt bist wie ich oder jünger, oder vielleicht ein bisschen älter, aber jedenfalls damit aufgewachsen bist mit dieser Fülle und dieser Normalität, dass Milch und Milchprodukte einfach dazugehören und dass die Kühlregale voll sind davon. Dass wir vor meterlangen Kühlregalen stehen voll mit Joghurt in den verschiedensten Variationen; dass es jetzt eigentlich nur noch interessant ist, ob der jetzt fettarm ist, ob der mit Kirsche ist, ob da Schokostreusel drin sind oder ob die Buttermilch mit Kirschgeschmack ist. Also, dass wir uns wirklich nur noch darum Gedanken machen und um den Preis…das sind alles Dinge, die es damals, als wir noch nicht geboren waren, noch nicht gab. Das ist wirklich jetzt erst seit der Nachkriegszeit so gekommen und vor allem mit Wucht nach dem Mauerfall.

Denn nach dem Mauerfall kam der grenzenlose Konsum also, wenn du den Einfach Vegan-Podcast hörst, weißt du Bescheid, wir sind auf der Suche nach einer Welt jenseits des Konsums. Wir sind auf der Suche nach einem neuen Wohlstandsmodell, gegen dieses alles: immer mehr, mehr, mehr. Du weißt also, wie ich zum Thema Konsum stehe, was ich dir mit diesen Ausführungen sagen möchte, ist, dass es total wichtig ist, alles wirklich in einem breiteren Kontext zu sehen und nicht nur auf diese Missstände zu schauen, die wir jetzt haben, sondern auch zu schauen wie sind wir dahin gekommen? Und da auch zu schauen, wie können wir da wieder wegkommen, das ist klar, - aber tatsächlich meine Intention mit diesem Podcast ist, zu schauen, wie sind wir dahin gekommen, wie war der Weg, wie konnte es so weit kommen?

Und ich werde jetzt in den nächsten Folgen Stück für Stück mit dir gehen, wie gesagt erst mit dem Fokus wirklich ab 1870. Ich werde nochmal einen Schlenker wirklich machen, wie wir jetzt dahin gekommen sind zu dem Punkt 1870 einen kurzen Überblick von den Agrargesellschaften hin zur Industriegesellschaft und dann hin zu den neuen Entwicklungen, denn Milch musste ja auch haltbar gemacht werden und Milch musste wirklich schnell verarbeitet werden und die Kühe mussten auf besondere Art gehalten werden. Es gab so viele Faktoren, die wichtig waren und die eben diesen Weg geebnet haben. Und dann müssen wir natürlich bedenken, gab es Kriege in Deutschland, die wieder alles zurückgeworfen haben. Es gab verschiedene Regierungsformen in Deutschland, die auch wiederum den Milchkonsum beeinflusst haben. Es gab also ganz, ganz viele Faktoren und die Gesellschaft, in der wir heute sind, wird in erster Linie von der Werbung regiert vom Konsum, von dem Wunsch, wirklich nur zu kaufen. Wir sind einfach Konsumenten geworden und das Leben der meisten besteht daraus, zu arbeiten, Geld zu verdienen und das Geld wieder auszugeben. Wo sind wir heute gelandet?

Es war ein ganz weiter Weg, der uns zu diesem heutigen Punkt geführt hat und es ist wichtig, dass wir jetzt die Augen aufmachen und schauen. Für mich war es wirklich eine sehr, sehr starke Erkenntnis, zu sehen, dass ich all die Jahre lang nicht verstanden habe, wie es überhaupt kommen kann, dass so viel Milch in den Kühlregalen ist, dass ich nicht verstanden habe, was da mit den Kühen und den Kälbchen los ist. Wenn es dir also genauso geht und du wirklich wissen willst, wie ist es dazu gekommen? Dann freue ich mich, wenn du dich mit mir auf den Weg machst, wenn du mich begleitest und wir die nächsten Folgen gemeinsam gehen.

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Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo