Folge 13 - Die globalisierte Milch

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Folge 13 - Die globalisierte Milch

Wir erreichen mit dieser Folge die Gegenwart.

Milch und Milchprodukte sind längst Alltag geworden, wir konsumieren sie ohne nachzudenken. Lediglich der Preis und der Geschmack sind noch variabel- das aber auch nur bei Milchprodukten.

Die Kuh ist zur Maschine geworden, deren Abfallprodukt, das Kalb verkommt, wenn es überhaupt die ersten Tage überlebt, zur Dönerfüllung.

Es gibt zur gegenwärtigen Situation sehr viele Dokumentationen, von denen ich zwei in den Links zur Sendung aufgelistet habe.

Transkript

Schön, dass du wieder dabei bist, beim Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch. Ich bin Stefanie und in dieser Folge möchte ich über die globalisierte Milch sprechen.

Mit dieser Episode haben wir die Gegenwart erreicht und das Ende des historischen Abrisses. In den folgenden Episoden werde ich dann weiter in die Tiefe gehen und noch einmal genau erklären, wie das denn jetzt kommen konnte, dass Milch ein Grundnahrungsmittel ist. Und wir alle der festen Überzeugungen sind, dass wir Milch unbedingt trinken müssen. Starten möchte ich mit einem kleinen Abschnitt aus dem Buch „Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland“ von Christian Diederich Hahn. Dieses Buch ist 1970 erschienen, das heißt 100 Jahre Milchwirtschaft bezog sich von 1870 bis 1970. Es ist also nicht total up-to-date, aber dieser Abschnitt hier, den finde ich sehr bezeichnend für unsere Gegenwart.

“Auf einer Milchwirtschaftstagung in Moskau 1969 berichtet ein Forscher aus Schweden, wie die Milchwirtschaft im Jahre 2000 vielleicht aussehen könnte. Es sei denkbar, dass dann die Milchkühe in Herden von 30.000 bis 40.000 Stück ganzjährig in Hochhausstallungen gehalten werden. Wahrscheinlich habe man bis dahin eine Milchleistung je Kuh von 10.000 bis 15.000 Kilo je Laktaktionsperiode erreicht. Füttern, melken und Abtransport des Mistes seien dann voll automatisiert. Den Mist werde man in einer besonderen Fabrik neben den Kuhställen wieder zu Futtermitteln für die Tiere umwandeln, neben anderen Futter zum Messungen. Mit dem Kuhstall direkt verbunden sei die Molkerei. Sie werde die produzierte Milch 300.000 bis 600.000 Tonnen im Jahr, gleich 1 bis 2 Millionen Kilo fünfmal in der Woche, vollautomatisch über Computer verarbeiten. Und der Computer werde nicht nur die Produktionsprogramme steuern und sie überwachen, sondern auch Änderungen in der Zusammensetzung der Milch sofort feststellen und das Verarbeitungsprogramm entsprechend ändern.

Ganz neue Produkte würden neue Verfahren bedingen. Haltbare Milch werde die größte Bedeutung erlangen. Butterfett werde aufgrund der verschiedenen Schmelzpunkte der Fettfraktionen aufgetrennt und zu neuen Produkten verarbeitet werden. Das Milcheiweiß werde direkt erfasst und zu einer käsebruchähnlichen Substanz verarbeitet werden, aus der neue Käsesorten billiger herzustellen werden, mit künstlichen Enzymen gereift. Die Fabrikation von sogenannten Imitationserzeugnissen werde besondere Bedeutungen erlangen, etc. pp. Wird die Kuh der Zukunft eine biologische Maschine sein? Zunächst allerdings dürften sich bei uns wohl neue betriebswirtschaftliche Erkenntnisse durchsetzen, danach wird die gesündeste Milchwirtschaft in den natürlichen Grünlandgebieten ihren Standort haben, behalten und zusätzlich noch finden. Langjährige praktische Versuche nicht nur in Westdeutschland beweisen, dass mittlere Betriebe richtig bewirtschaftet in diesen Gebieten den besten Rohstoff Milch produzieren, aber auch Rindfleisch in höchster Qualität.“

Diese Utopie, oder ich muss eigentlich besser sagen Dystopie, aus dem Jahr 1969 ist Gott sei Dank nicht eingetroffen. Trotzdem ist die Kuh zur Maschine geworden. Sie lebt zwar nicht in Hochhäusern, aber sie lebt als Maschine, was wir eigentlich alle mittlerweile wissen. Ja, es gibt die Biobetriebe, wo es den Kühen anscheinend etwas besser geht als in den konventionellen Betrieben, aber die Biobetriebe machen ja nur ein Bruchteil der Betriebe in Deutschland aus. Ich habe nochmal ein paar Zahlen auf der Seite der Milchindustrie recherchiert und möchte dir die einmal kurz vortragen, damit du dir eine Vorstellung davon machen kannst, wie die Entwicklung denn jetzt eigentlich ausgesehen hat.

1990 gab es noch 6,3 Millionen Milchkühe, und diese haben 31 Millionen Tonnen Milch pro Jahr produziert. Es gab damals auch noch so ungefähr, ich habe jetzt keine richtige Zahl, es war nur eine Statistik, da konnte ich es nicht direkt erkennen, ungefähr 150- 160.000 Betriebe in ganz Deutschland. Und jetzt 2017 gibt es noch 67.319 Betriebe und 4,2 Millionen Kühe. Jetzt könnte man meinen, dass dadurch auch der Milchertrag gesunken wäre, aber durch die Züchtung und dieses Hinarbeiten zu den super Hochleistungsturbokühen, ist tatsächlich der Milchertrag pro Kuh gestiegen, sodass insgesamt 32,7 Millionen Tonnen Milch pro Jahr produziert werden.

Also 1990 waren es 31 Millionen Tonnen und 2017 32,7 Millionen Tonnen. Das heißt mit weniger Kühen, viel weniger Kühen, denn das sind ja 2,1 Millionen weniger Kühe, wurde sogar ein bisschen mehr produziert als 1990. 1990 ist nicht 1790 oder so, sondern 1990 ist jetzt gerade mal 28 Jahre her. Wenn wir das jetzt also bedenken, 28 Jahre, es kann natürlich eine lange Zeit sein, aber in der Zeit wurde der Milchertrag der Kuh von 4.710 Kilo pro Jahr auf 7.700 Kilo pro Jahr gesteigert. Also 3.000 Kilo in 28 Jahre oder beziehungsweise das ist jetzt die Zahl von 2017, also 27 Jahre. Ich finde das ziemlich krass, wobei angeblich ist es wieder ein bisschen zurückgegangen, denn 2016 war der Ertrag noch bei 7.746 und wenn ich mir die Zahlen hier genauer angucke, dann ist der Ertrag sogar von 1990 bis, also er hat einen richtigen Sprung gemacht. 1990 waren es 4.710 Kilo pro Jahr, 1995 waren es 5.424 Kilo pro Jahr. Im Jahr 2000 waren es 6.122 Kilo pro Jahr, im Jahr 2005 6.761, im Jahr 2010 7.080 und im Jahr 2011 7.240 und dann ist es so pro Jahr immer so ein bisschen angestiegen, bis es dann eben im Jahr 2016 bei 7.746 war. Und jetzt im Jahr 2017 ist es allerdings noch geschätzt auf 7.700. So, also das ist jetzt so um dir mal in Eindruck zu machen über die Zahlen.

Also wir haben einerseits Rückgänge der Betriebe, andererseits Rückgänge der Milchkühe. Die Anzahl der Betriebe hat sich in den letzten 27 Jahren mehr als halbiert. Die Anzahl der Milchkühe ist dadurch nicht gestiegen, aber hat sich auch noch mal reduziert um ein Drittel, also auf 4,2 Millionen Kühe. Aber trotzdem ist der Milchertrag sogar noch ein bisschen gestiegen, das heißt diese Kühe müssen immer mehr Milch produzieren. Und der Anteil der Biomilch liegt derzeit bei 2,54%. Der Anteil der Biomilch lag im Jahr 2000 tatsächlich noch bei unter einem Prozent.

Und Biomilch darf übrigens auch erst Biomilch genannt werden seit dem 1.1.1993. Da gab es eine EU-Verordnung, die dann EU-weit genormt hat, was jetzt Biomilch heißen darf. Seitdem hat aber die Biomilch auch eine Entwicklung hingelegt, die in der konventionellen Milch sehr gleich. Dann die Biomilch findest du überall. Du findest sie auch beim Discounter, du findest sie als H-Milch, du findest alles auch als Bio mittlerweile. Und sich da dann eben die Frage stellt, wie kann das denn sein? Wie kann ein Biomilch genauso billig sein wie die konventionelle Milch und in genau den gleichen Darreichungsformen tatsächlich im Supermarkt landen? Das ist eine Sache, eine Entwicklung.

Und die andere Entwicklung ist, dass natürlich jetzt auch in den konventionellen Betrieben dadurch, dass es ja immer weniger Betriebe gibt und die Anzahl der Kühe zwar runtergegangen ist, aber jetzt nicht dermaßen, dass es sich dann auch mehr als halbiert hätte, liegt es eben daran, dass pro Betrieb die Anzahl der Kühe gestiegen ist, so dass es immer mehr Betriebe mit immer mehr Kühen gibt. Im Durchschnitt ist es so, dass ein Betrieb in Deutschland 55 Milchkühe hat, aber es gibt natürlich welche, die irgendwie nur 20 haben und welche, die über 100 haben. Und das alles summiert sich dann zu diesem Durchschnitt auf. Und da gibt es dann nach Bundesland noch Unterschiede, die aber bei dieser Grundfrage, wie konnte Kuhmilch ein Grundnahrungsmittel werden, erstmal keine Rolle spielen. Denn wichtig ist nur, der Milchertrag ist immer noch hoch.

Und das Interessante ist ja, wir Deutschen verbrauchen in Deutschland nur 50 Prozent der produzierten Milchmenge. Und der Rest wird exportiert. Und das ist eben ein weiteres Thema dieser Globalisierung, dass es zum einen eben dieses Unding ist, dass immer noch viel zu viel produziert wird. Es gab ja bis 2015 die Milchquote, die es noch so ein bisschen geregelt hat. Aber jetzt ist es wirklich, die Milch wird einfach auf den Markt geworfen. Und ja, die Milchbauern haben tatsächlich das Nachsehen. Und wir stecken einfach alle in diesem unmöglichen, unsäglichen System fest. Momentan ist es tatsächlich so, dass der Handel die Macht übernommen hat. Früher war es ja so, das hast du in den vorangegangenen Folgen gehört, dass es am Anfang eben natürlich, als der Handel noch gar nicht existent war in dieser Form, dann auch der Erzeuger irgendwie die Preise diktiert hat, dann kamen die Molkereien dazwischen und die Molkereien waren sehr mächtig, so dass halt die Erzeuger sich da mit eingekauft haben und eigentlich auch Teil der Molkereien waren, aber die Molkereien haben dann trotzdem über den Preis bestimmt.

Und mittlerweile ist es der Handel. Du siehst jetzt auch mittlerweile nur noch Werbung vom Handel. Also du siehst dann irgendwie Werbung für Joghurt oder also du siehst nicht Werbung für die Milch an sich, sondern für bestimmte Produkte. Und das ist tatsächlich die Demonstration der Macht des Handels. Und es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage. Und wer hat da die Macht? Das bist du. Du hast die Macht. Wenn du sagst, ich kaufe das nicht, ich trinke das nicht mehr, ich mach das nicht mehr, dann ist ja die Nachfrage rückläufig und du kannst dadurch dann am Ende wiederum die Situation der Milchbauern und der Kühe und der Kälber beeinflussen. Es ist ein Modell entstanden, bei dem ganz unten die Landwirte stehen, dann kommen die Molkereien, dann der Handel und ganz oben steht eigentlich der Verbraucher, wenn er denn mündig wäre.

Aber da wir durch die Werbung so geschädigt sind und einfach nur gucken, ui, dieser Joghurt sieht ja hübsch aus, den kaufe ich jetzt oder ich höre halt darauf, Milch ist so gesund und ich brauche das so unbedingt und Eiweiß und Kalzium und keine Ahnung, was noch alles. Dann bin ich nicht mehr mündig, sondern lasse mich vom Handel lenken. Und dann hat natürlich der Handel wieder die Macht. Aber im Grunde hast du die Macht als Verbraucherin oder als Verbraucher. Du hast die Macht, du kannst sagen, was du kaufst oder nicht kaufst. Aber wenn du durch die Werbung so beeinflusst bist, dann hast du die Macht natürlich wieder aus der Hand gegeben. Wichtig ist es also aufzuwachen und mündig zu werden.

Zu der gegenwärtigen Situation findest du extrem viele Informationen im Internet und es gibt auch einige gute Dokumentationen, die du dir auf jeden Fall anschauen solltest. Eine heißt „Der Irrsinn mit der Milch“, wo es dann auch vor allem um die Globalisierung geht und das Problem des Exports, dass wir eben mit unserem europäischen, teilweise deutschen Milchpulver die Märkte in Afrika und anderen so genannten Schwellen- oder Drittländern kaputt machen, weil einfach die Bauern dort mit ihrer Milch, die sie von ihren Kühen melken, dann nicht gegen das günstige Milchpulver ankommen. Und „Der Irrsinn mit der Milch“, diese Dokumentation, das ist eine halbstündige ZDF-Dokumentation, zeigt das nochmal wirklich ganz, ganz klar, was wir hier anstellen mit unseren Produkten, weil wir ja nur auf mehr, mehr, mehr aus sind um diese Märkte zu erschließen.

Eine andere Dokumentation ist „Das System Milch“, das ist jetzt relativ neu. Das ist eigentlich ein Kinofilm-Format und diesen Film haben wir auch im „Einfach vegan“ Podcast besprochen und dort wird das System nochmal wirklich sehr deutlich dargestellt. Es bezieht sich da jetzt erstmal auf Österreich, aber das kann man eins zu eins hier auf Deutschland übertragen. Vielleicht noch in größerem Maßstab.

Das heißt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt und auch also in den letzten zehn Jahren, sage ich mal, also generell alles, was jetzt so in der Gegenwart und Globalisierung in dieser Zeit, so ab 2000 vielleicht, über diese Zeit gibt es wirklich ganz, ganz viel Material, was du auch im Internet findest. Wenn du da weiterforschen möchtest, fühl dich frei, da einfach mal selber zu schauen.

Ich möchte den historischen Abriss jetzt hiermit beenden und möchte in den folgenden Episoden dann tiefer auf die Milchwerbung eingehen, wie sie die letzten 100 Jahre geprägt hat. Und ich freue mich, wenn du dann wieder mit dabei bist.

Links zur Folge

Film: Der Irrsinn mit der Milch
https://y.com.sb/watch?v=jAvW7XQ6jfY

Film: Das System Milch
https://www.dassystemmilch.de/

Aktuelle Zahlen zur Milchindustrie
https://milchindustrie.de/marktdaten/erzeugung/

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Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo