Folge 15 - Die Geschichte der Milchwerbung

Ein Beitrag

Folge 15 - Die Geschichte der Milchwerbung

In dieser Folge

  • spreche ich über die Milchwerbung der 1950er Jahre,
  • erzähle ich Dir von verschiedenen Werbestrategien und
  • beginne ich mit der Vorstellung von Zielgruppen.

Basierend auf den Ausgaben der Fachzeitschrift "Der Milchkaufmann" in verschiedenen Versionen, konnte ich ein detailliertes Bild der Werbebemühungen der Milchwirtschaft der 1950er Jahre zeichnen.

Da die Werbestrategien vielfältig waren, werde ich die Vorstellung in verschiedene Podcastfolgen aufteilen.

Transkript

Schön, dass du wieder dabei bist, bei Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch. Ich bin Stefanie und ich möchte dir heute einen tieferen Einblick in die Milchwerbung der 1950er und 60er Jahre geben.

Und zwar beziehe ich meine Informationen alle aus dem „Milchkaufmann“, das ist die Fachzeitschrift des Milchkaufmanns der damaligen Jahre, über den ich auch schon in einer vorangegangenen Folge berichtet habe. Es gibt da den „Milchkaufmann“ als Zeitschrift, dann gibt es den „Saarländischen Milchkaufmann“, der insofern etwas Besonderes war, als dass das Saarland damals noch autonom war, denn es wurde erst 1957 in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. Wirtschaftlich gehörte es zu Frankreich, orientierte sich aber doch dann an der Bundesrepublik Deutschland, wenn es darum ging, wie hoch der Milchabsatz in Saarland war.

Die Frage des Absatzes von Milch und Milcherzeugnissen war dann auch tatsächlich eines der Hauptprobleme der Milchwirtschaft und damit der Landwirtschaft damals, 1951. Und diese Frage des Absatzes zieht sich auch komplett bis heute durch, denn der Milchabsatz, der Milchkonsum in Deutschland ist stetig rückläufig. Das heißt, die Milchlobby kämpft seit ihres Bestehens eigentlich darum, dass die Menschen mehr Milch trinken.

1951 waren die Absatzschwankungen sehr groß und die Absatzsteigerung war damals das wichtigste Problem und als Lösung sah man eben Werbung an und sieht es auch noch heute. Damals, also 1951, betrug der pro Kopf pro Tag Verbrauch von Milch 0,12 Liter im Saarland im Vergleich dazu 0,29 Liter in München und im Vergleich dazu über ein Liter in Amerika. Das ist total krass: über ein Liter Milch pro Kopf pro Tag in Amerika. Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich sollte ein Liter Milch trinken - gut, die werden nicht nur die Milch getrunken haben, sondern eben auch in Milchprodukten, wobei Butter jetzt nicht dazu gerechnet wird, Butter und Käse geht immer extra, sondern es handelt sich hier dann wahrscheinlich um Milchmischgetränke, Milcherzeugnisse in dem Sinne wie Joghurt oder Quark.

Ein Zitat aus dem Milchkaufmann: „Bei der Gesamtwerbung muss ganz allgemein davon ausgegangen werden, dass Milch, Milcherzeugnisse und Molkereiprodukte einerseits die bekömmlichsten, nahrhaftesten und relativ billigsten Nahrungsmittel überhaupt sind und das auf der anderen Seite der Absatz dieser Produkte bei geringstem Risiko und schnellstem Geldumlauf die beste Verwertung verspricht. Wenn der Absatz gesteigert werden soll, muss die direkte Werbung in erster Linie durch den geschickten Milchkaufmann selbst erfolgen.“

Das heißt, der Milchkaufmann wurde damals dazu angehalten, wirklich auch sein bester Werbefachmann zu sein und er wurde dazu auch in der Zeitschrift angehalten, die waren immer auf der Suche nach knackigen Werbesprüchen.

„Es müssen Formulierungen gefunden werden, die sich derart leicht einprägen, dass auch die Kinder auf der Straße sie behalten.“

Die Milchwerbung musste also massentauglich sein und alle Verbraucherschichten durchdringen. Zwar hatte der Milchkaufmann verschiedene Zielgruppen definiert, aber die Intention war wirklich die breite Masse zu erreichen. Es gab verschiedene Kampagnen wie „Milch auf den Schreibtisch“ oder „Flaschenmilch am Arbeitsplatz“ und Sprüche wie „Du lebst länger, besser und gesünder mit Milch, Joghurt, Butter und Käse“ und ständig wurde damit geworben, dass ein Liter Milch 35 Gramm Eiweiß, 34 Gramm Fett und 47 Gramm Zucker enthielt.

Damals war es noch total wichtig auf den hohen Fettgehalt hinzuweisen, weil Fett damals gleich bedeutend mit Gesundem stand, was heute ja nicht mehr so der Fall ist. Heute geht es nur noch um Eiweiß und weniger um Fett und weniger um Zucker. Damals war es auch total wichtig, weil ja damals die meisten Menschen in Deutschland mangel- bzw. unterernährt waren durch die beiden vorangegangenen Kriege. Das heißt, es war sehr, sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass eine gute Milch, eine hohen Fett-, Eiweiß- und Zuckergehalt hatte.

Die Schaufenstergestaltung war damals sehr, sehr wichtig. In jeder, wirklich in jeder Ausgabe des Milchkaufmanns habe ich Informationen zur Schaufenstergestaltung gefunden, also Hinweise, wie es am besten gestaltet werden sollte. Es sollte sauber, modern und ansprechend gestaltet sein und wirklich auch ganz genaue Hinweise, wie es im Winter gehandhabt werden kann, wie im Frühling, wie die Angebote dort arrangiert werden sollten, weil das Schaufenster eben damals das wichtigste Aushängeschild des Milchkaufmanns war.

Heute wird die Schaufenstergestaltung von Filialen von der Hauptgeschäftsstelle festgelegt und alle müssen sich daran halten, aber damals war noch jeder einzelne Milchkaufmann für seinen Schaufenster selbst verantwortlich. Damit du noch einen besseren Eindruck von der damaligen Zeit bekommst, möchte ich noch ein paar Zitate hinzufügen.

“Ob ich einen halben Liter Milch täglich trinke oder nicht, ist meine weitgehend persönliche Angelegenheit. Viel persönlicher als mein tägliches Glas Bier etwa oder was ich sonst für nötig erachte. Denn hier handelt es sich außer um Genuss und Wohlgeschmack, um meine persönliche Gesundheit. Die Ansprache durch die Milchwerbung muss daher auch weitgehend persönlicher sein. Der Mensch von heute will sehen und hören. Er will persönlich angesprochen, nicht überredet, sondern überzeugt, nicht gezwungen, sondern gewonnen werden. Er will selbst erkennen und das für richtig erkannte, das heißt das, was er nicht nur als gesund, sondern auch als angenehm praktisch in seinem Geldbeutel zuträglich und nicht zu vergessen als modern erkannt hat, in die Tat umsetzen.“

Als eine wichtige Werbemaßnahme wurden Molkerei-Besichtigungen gesehen und zwar gibt es auch dazu wieder zwei Zitate: „Gerade unsere Hausfrauen sollten durch solche Besichtigungen direkt erfasst und angesprochen werden, denn die Erfahrungen haben gezeigt, dass sie das Gesehene und Gehörte sehr gut zu verwerten wissen. Nach einer eingehenden Führung durch den Betrieb findet anschließend an einer gemeinsamen Milchprobe-Tafel ein kurzer, gemeinverständlicher Vortrag über die Milchversorgung statt. Fragen aus dem Besucherkreis werden gestellt, besprochen und beantwortet und dazu werden Flaschenmilch und Joghurt gereicht. Kostenlos natürlich und an hübsch gedeckten Tischen.“

Das heißt, diese Molkerei-Führung waren wirklich ein Grundbestandteil und eine Molkerei-Führung mit anschließendem Vortrag und Verkostung, plus Rezepten zum Mitnehmen war also ein Geheimrezept, wie Hausfrauen, vor allem Hausfrauen, angesprochen und überzeugt werden konnten. Die Hausfrau war eine der wichtigsten Zielgruppen des Milchkaufmanns, eigentlich fast schon die wichtigste Zielgruppe. Milch am Arbeitsplatz, das ist immer wieder so untergegangen, also Milch in die Betriebe, Milch dann auch zu den Zechen und generell also wirklich Milch zu den Arbeiter:innen. Das war ein Versuch, es funktionierte auch so ein bisschen, aber in der Zeit war es wirklich total wichtig, die Hausfrau zu erreichen, weil die einfach die Hoheit über die Einkäufe und die Küche hatte.

Sehr wichtig als weitere Zielgruppe waren die Schulkinder und dazu werde ich auch nochmal eine ganz eigene Folge machen, weil das wirklich ein sehr durchdachtes, perfides System ist, das sich bis heute durchzieht, die Schulmilch. Auch heute noch, ist es möglich durch die EU gefördert, wirklich in einem Schulmilchprogramm teilzunehmen und diese Förderung gab es eben damals schon, wurde zwischenzeitlich ausgesetzt, aber wie gesagt, ich möchte dazu nochmal eine extra Folge machen, weil das wirklich ein System ist, das ja mit ganz, ganz vielen Mitteln versucht, Kinder an die Milch zu binden.

Ein weiterer Faktor auf den damals stark gesetzt wurde, waren Milchgaststätten und Milchbars. Gibt es heute irgendwie gar nicht mehr, ich habe versucht so ein bisschen zu recherchieren, wann die verschwunden sind, aber habe das dann nicht mehr weiterverfolgen können. Das heißt, wenn du da Informationen hast, dann freue ich mich sehr, wenn du sie mir zukommen lässt. 1952 gab es noch eine weite Verbreitung in der westlichen Bundesrepublik und der Versuch, eben ein breites Publikum zu erreichen durch frische Sauberkeit und Behaglichkeit.

Und auch dazu habe ich natürlich ein Zitat: „Von der Milchgewöhnung der Bevölkerung wird nicht zuletzt auch der gesamte Milchhandel selbst wesentlich profitieren können, denn alle die zahllosen, neu gewonnenen Milchtrinker werden Freunde der Milch und werden sich künftig auch in den Kundenkreis des Milchkaufmanns einreihen.“

Für diese Milchtrinkhallen und Milchbars gab es auch noch extra Broschüren mit Rezepten für die Barkeeper und Hinweise, wie sie diese Milchmixgetränke am besten an ihre Kundschaft bringen konnten. Dazu auch hier wieder ein Zitat:

„Eine sehr zu beachtende Erkenntnis haben ebenso wie im Auslande auch die letzten Jahre schon gebracht, nämlich die, dass der Mann ein besserer Kunde ist als die Frau, die wegen der schlanken Linie oft Hemmungen hat. Aber auch hier hat sich Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit zu beweisen, denn die Milch, sonderlich die sauer Milch, der Joghurt und der Quark, sind keinesfalls Feinde der guten Figur. Sie schaffen vielmehr die denkbar günstigsten Vorbedingungen für einen blühenden Tag, körperliches Wohlbefinden, geistige Frische, Arbeitsfreudigkeit und die schlanke Linie.“

1953 gab es 260 Milchgaststätten im Bundesgebiet. Davon 200 mit Vorbildcharakter. Warum jetzt die anderen 60? Keine Ahnung. Und weitere im Bau. Und besonders an Bahnhöfen hat man diese Milchgaststätten als rentabel angesehen und sich vorgenommen, dass alle großen Bahnhöfe eine Milchgaststätte haben sollten. Und ich frage mich jetzt, wo sind sie denn hin, die Milchgaststätten? Was ist mit denen passiert? Hast du vielleicht schon mal eine gesehen? Weißt du wo sie sind? Also ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du mir sagen könntest, was aus diesen Milchgaststätten geworden ist und bis wann sie vielleicht noch existiert haben.

Ähnlich ist es mit diesem Vorsatz Milch in die Betriebe zu bringen. Das ist irgendwie heute auch nicht so. Ich kenne zumindest keinen Betrieb, wo es irgendwie an der Tagesordnung ist, dass da jeder einen halben Liter Milch am Tag gestellt bekommt. Also wenn du da was weißt, dann melde dich bitte gerne. Der Milchkaufmann sagt jedenfalls gerade für den schwerarbeitenden Menschen ist Milch das ideale Getränk und nennt „Mehr Milch in die Betriebe“ als eine der wichtigsten Parolen für den Milchkaufmann.

Als in den Nachkriegsjahren die Milchwirtschaft auf der Suche nach neuen Absatzmärkten war, sah sie in der arbeitenden Bevölkerung wirklich großes Potenzial und am leichtesten war es den Zechen im Ruhrgebiet den Nutzen der Trinkmilch schmackhaft zu machen. Wenn die Kumpel stark erhitzt aus den Bergwerken kamen, konnte es einfach nichts gesünderes geben, als den Durstlöscher Trinkmilch. Und so wurde dann 1953 in der Zeche Consolidation in Gelsenkirchen, der deutschlandweit erste Milchautomat amerikanischer Herkunft aufgestellt. Da konnte dann die Milch direkt aus dem Automaten in ein Tetrapack gezogen werden. Die Verpackung landete nach Genuss im Müll, also mit Nachhaltigkeit hatte das nichts zu tun.

Aber nicht nur für schweißtreibende Berufe wurde die Trinkmilch als ideales Nahrungsmittel propagiert. Trinkmilch war schließlich das Volksnahrungsmittel und das eignete sich ebenso für die Sekretärin im Büro, wie für den Schichtarbeiter im lokalen Betrieb. Und der Milchkaufmann wurde stetig dazu angehalten seine Zielgruppe dementsprechend zu erweitern und nicht nur in seinem Ladengeschäft zu verkaufen, sondern auch direkte Lieferverträge mit Firmen abzuschließen.

Ein Nachsatz noch zur Schaufenster- und Ladengestaltung. Und zwar wurde der Milchkaufmann auch dazu angehalten seine Schaufenster und den Laden unter psychologischen Aspekten zu gestalten. Und zwar sollten Impulskäufe gefördert werden. Es wurde sich stark an Amerika orientiert und es wurde viel über die Kaufpsychologie des Kunden geschrieben. Und zwar gab es dort dann auch eine Anleitung zum richtigen Verkaufen mit der Annahme, dass ein Kunde lieber in ein Geschäft mit persönlicher Ansprache gehen würde als in einen anonymen Supermarkt.

Und da ich diese Folgen hier immer kurz halten möchte, werde ich jetzt einfach einen zweiten oder dritten Teil anhängen. Denn das würde sonst hier die Folge sprengen, wenn ich jetzt hier noch weiter erzähle. Aber es gibt noch ganz, ganz viel zu erzählen. Und so freue ich mich einfach, wenn du beim nächsten Mal auch wieder mit dabei bist.

Zurück

Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo