Folge 16 - Die Geschichte der Milchwerbung Teil 2

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Folge 16 - Die Geschichte der Milchwerbung Teil 2

In dieser Folge

  • spreche ich über Angst als Werbestrategie,
  • stelle ich Dir einen Teil der Werbematerialien vor, die für die Hausfrau als Zielgruppe produziert wurden und
  • erfährst Du einiges über die Zeitschrift "Der Milchkaufmann"

Warum ist gerade Kuhmilch das hochwichtigste Volksnahrungsmittel und nicht, sagen wir, Hühnerfleisch? Warum ist die eigene Milch einer Menschenmutter nicht ausreichend, um ihren Säugling zu ernähren?

Diesen Fragen und einigen mehr, gehe ich in dieser Folge zur Historie der Milchwerbung nach.

Transkript

Schön, dass du wieder dabei bist, bei Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch. Ich bin Stefanie und in dieser Folge soll es erneut um die Milchwerbung den 1950er- und 60er-Jahre gehen, denn es gibt noch viel zu erzählen.

Starten möchte ich mit einem Zitat von Otto Grube aus Dortmund, das ist ein Milchwerbefachmann, und er hat 1952 Folgendes gesagt: „Tatsächlich liegen die Dinge so, dass große Teile unserer Bevölkerung und zwar die arbeitenden Männer, wie auch die Frauen fast gar keine Milch mehr trinken. Es ist einleuchtend, dass eine teilweise so völlige Abkehr vom natürlichsten und wertvollsten Nahrungsmittel des Menschen auf Dauer nicht ohne schwere volksgesundheitliche Folgen bleiben kann. Und so haben wir sie auch schon im beängstigenden Maße vorliegen, die Süchte, die Entnervung, die vorzeitige Erschlaffung, Kreislauferkrankungen, die heute das Gros aller Krankheiten bilden und Unterernährung in Folge falscher und ungeeigneter Nahrungszufuhr.“

Das sagt also Otto Grube 1952, und es ist sehr spannend, dass er behauptet, dass es aufgrund der Milch passiert ist. Also einfach nur deswegen, weil die Menschen nicht genug Kuhmilch getrunken haben, liegen diese fürchterlichen Folgen vor. Nicht vielleicht, weil zwei Weltkriege in der Vergangenheit gerade vorbei waren, nicht vielleicht, weil viele Menschen einfach Hunger gelitten haben, sondern weil ihnen einfach diese Milch fehlt und sie die im Moment nicht trinken. Es ist schon so ein bisschen, auch wenn gerade der Milchwerbefachmann das sagt, ja, vielleicht könnte man das mal in Frage stellen... Aber das möchte ich dir überlassen.

Ich möchte heute nochmal mehr auf die Zielgruppen eingehen. In der vorangegangenen Folge habe ich ja die Hausfrau so ein bisschen gestreift und die Milchgaststätten und Milchbars. Und auch die Schulmilch, wie gesagt, also die Folge zur Schulmilch, die kommt nochmal extra, da muss ich einfach zu viel erzählen, dass ich das jetzt hier mischen will. Was ich aber ganz spannend finde, sind ein paar Zitate, die ich aus dem Milchkaufmann noch rausgeschrieben habe und zwar:

“Das richtige Milchtrinken will gelernt sein, damit die ganzen Vorzüge der Milch dem menschlichen Körper auch zugute kommen. Milch darf vor allen Dingen nicht zu kalt oder in großen Mengen schnell hinuntergeschluckt werden wie ein Glas Wasser oder Bier. Der langsame und schluckweise Genuss von Milch ist am besten durch die Benutzung des Trinkhalmes gewährleistet“

Ich finde das irgendwie so spannend und lustig, dass damals noch beigebracht werden muss, wie man denn jetzt Milch trinkt, damit das auch wirklich nahrhaft ist für den Körper. Mir fehlen hier eigentlich die Worte, also wir sind ja Säugetiere und wir kommen als Säugling zur Welt und wissen ganz intuitiv, wie das geht mit dem Milchtrinken. Vielleicht weiß die Mutter das nicht sofort, aber das ist halt in unserem Überlebensmechanismus mit drin, dass wir wissen, wie Milchtrinken geht. Und jetzt müssen wir aber, weil wir ja die Kuhmilch, die Milch eines anderen Säugetier trinken wollen, weil die ja so wichtig ist und das grundlegendste Nahrungsmittel überhaupt, erstmal lernen, wie wir die richtig trinken. Ich lasse das mal so, ja?

Und so steht dann eben auch an einem Milchkaufmann drin: „Muttermilch ist Maßarbeit, Kuhmilch, Konfektionsarbeit. Der Lebenssaft als Spender und Förderer neuer Energien“ Das ist so, okay. Damals war man sich dessen noch bewusst, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Muttermilch und der Kuhmilch. Das war nicht mehr alles irgendwie nur Milch und damals war man sich auch noch der Herkunft der Milch bewusst. Wo kommt dann jetzt die Milch, wir sagen ja nur noch Milch, die Kuhmilch, wo kommt sie denn her? Und Kuhmilch ist auch Muttermilch, aber eben Muttermilch für Kälbchen. Und das ist auch ein Lebenssaft für die Kälbchen.

Damals wurde auch oft Panikmache als Marketingstrategie genutzt. Dazu ein Zitat: „Dänemark hat seinen aus wirtschaftlichen Gründen übersteigerten Butterexport, wobei die Bevölkerung auf den Butterverzehr weitgehend verzichtete, mit erheblichen Verlusten an Kleinkindern und mit schweren Schädigungen bzw. Verlusten an Sehvermögen bezahlen müssen. Man erkannte nicht den wahren Charakter der Milch, als sowohl kalorisch, wie auch wirkstoffmäßig ausgewogene Schutznahrung. Allgemein in Mitteleuropa setzte man Milchfett mit anderen Nahrungsfetten gleich und vernachlässigte das Milchfett als Träger entscheidend wichtiger Vitamine schon für die Entwicklung des Kindes im Mutterleib, für die Ernährung des Kleinkindes und die Aufzucht der Schulkinder.“

Wo ich jetzt gerade Aufzucht der Schulkinder lese, wirkt es so ein bisschen wie die neue Hundezucht oder so. Aber das nur so nebenbei. Man fragt sich ja irgendwie, warum es nicht ausreichend ist, wenn eine Mutter ihr Kind einfach stillt, wo doch die eigene Muttermilch immer noch die beste Nahrung für das Kind ist, weil sie nährstoffmäßig am besten auf das eigene Kind abgestimmt ist. Das ist von der Natur so vorgegeben. Und das ist irgendwie diese Panikmache da drin. Und es ist heute ja genau so, wenn du etwas liest über Anti-Vegan. „Oh, da werden mangelernährte Kinder in die Notaufnahme eingeliefert.“ Und ja, natürlich, die sind bestimmt auch mangelernährt gewesen. Aber das hat doch nichts mit Vegan zu tun. Und hier ist es jetzt genau so, dass gesagt wird, okay, die Dänen, die haben auf die Butter verzichtet. Und deswegen sind die Kleinkinder gestorben oder haben eben verschiedene Schädigungen. Das ist total krass, das so zu behaupten.

Die schreiben ja von einer Zeit, in der ein Krieg geherrscht hat in Europa. Also, Dänemark war ja beteiligt daran, den Dänen ging es genauso schlecht wie uns. Und dann zu behaupten, dass es daran liegt, dass nicht genug Butter verzehrt wurde, ist ziemlich krass, finde ich. Und das ist so eine ähnliche Art der Panikmache wie heute eben, wenn gesagt wird, wow, die Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, das ist Kindesmisshandlung und so. Also, genauso als wenn du deinem Kind Butter vorenthältst oder wenn du selber halt als Mutter, als Schwangere keine Milch zu dir nimmst, dann bist du selber schuld, so in der Art.

Und das ist natürlich so die eine Seite, du kannst es dir selbst überprüfen, auch heute funktioniert das halt noch sehr gut. Ich kenne hochintelligente Mütter, die trotzdem der Meinung sind, dass da doch irgendwie was dran sein muss, wenn da im Hamburger Abendblatt steht, dass da vegane Kinder in die Notaufnahme eingeliefert wurden weil sie eben mangelernährt waren und da muss doch irgendwie was dran sein, dass halt die vegane Ernährung eine Mangelernährung ist und für Kinder nicht geeignet. Das ist nicht irgendwas daher geredet, das sind Mütter, die sich wirklich viel beschäftigen mit all den Themen und differenziert beschäftigen und nicht nur so boulevardmäßig und trotzdem haben sie Angst. Und es war damals genauso wie heute, also es ist wirklich diese Panikmache als Strategie, um die Kuhmilch als Volksnahrungsmittel durchzudrücken.

Warum muss dann gerade die Kuhmilch das Wichtigste sein? Warum? Warum ist es die Kuhmilch? Wir hätten doch genauso gut sagen können, wir heiligen und huldigen dem Schweinefleisch oder so und sagen, du musst jeden Tag rund so viel Gramm Schweinefleisch essen oder so, also das hätte doch genauso sein können, aber nichts wird so stark durchgedrückt wie Milch und dass wir es eben heute so gewöhnt sind und ja viele total aggressiv reagieren, wenn man es ihnen wieder wegnehmen will, liegt wirklich an der Werbung. Und da ist eben diese Panikmache, dieses „Dein Kind wird sterben, wenn es keine Milch trinken wird“, das ist dann wirklich ein Teil des Ganzen. Das ist ja auch ganz klar, einer Mutter einzureden, dass ihre Milch, die Muttermilch für ihren Säugling nicht ausreichend ist, ist auch etwas, was heute noch stattfindet.

Panikmache als Marketingstrategie ist also definitiv bewährt, schon immer in verschiedensten Bereichen und wurde da auch zur Vermarktung der Kuhmilch genutzt und es ist klar, dass es eine Mutter wirklich trifft, denn sie möchte ja das Beste für ihre Kinder und gerade in der Nachkriegszeit sollte, dass die Kinder ja besser haben und die Mütter wollten, dass ihre Kinder gesund sind und wenn ihnen dann gesagt wird, sie brauchen dringend Kuhmilch, damit ihre Kinder gesund sind, dann nehmen sie die Kuhmilch und dann ist es klar, dass die Kinder, die damals Kinder waren in der Nachkriegszeit, die heute unsere Eltern oder Großeltern sind, je nachdem wie alt du bist, damit dann wirklich aufgewachsen sind. Also es war ein Teil davon, weil ihre Eltern, also weil die damaligen Eltern in der Nachkriegszeit von der Milchwirtschaft über Wissenschaftler oder gekaufte Wissenschaftler dazu gedrängt wurden, dass Kuhmilch so gesund ist und sie mit Angst als Motivator dazu gebracht wurden, Milch zu kaufen und mehr Milch zu kaufen.

Das war eine Strategie und dann gab es natürlich auch noch andere Strategien wie den Milchhaushaltskalender mit Firmeneindruck als Werbegeschenk, wo Rezepte, Ratschläge und Hinweise für die Hausfrau drin waren: „Dieser Kalender erfüllt wie kein anderer zwei Aufgaben in idealer Weise. Einmal stellt er ein geschmackvolles Weihnachtsgeschenk, vor allem für unsere Hausfrauen und ihre Töchter dar, dass durch den Firmeneindruck für das Geschäft jedes einzelnen Kollegen wirbt. Zum anderen verleiten die sorgfältig ausgesuchten Rezepte aller Art mit Sicherheit so manche Hausfrauen zu einem spürbaren Mehrverbrauch von Milch und Molkereiprodukten.“

Solche Formate gibt es ja auch heute noch zuhauf und diese Art und Weise da wirklich jetzt zu versuchen, ein besonderes Produkt zu verkaufen, in dem man direkt die Rezepte mitgibt. Das ist wirklich etwas, was immer und immer wieder gemacht wurde. Und das jetzt eben in Form eines Kalenders, der dann einfach immer schön da in der Küche hängt, wo dann Rezepte drin sind und dieser Mehrverbrauch angeregt wird. Diese Werbung richtet sich also in erster Linie an die Hausfrau.

Und ich habe auch noch ein lustiges Zitat gefunden über Schokoladenpudding mit Schlagsahne: „In jedem Haushalt gibt es schließlich Tage, an denen der gestrenge Hausherr nicht mit isst und die Familie sich Sonderwünsche gestatten kann. Es soll allerdings auch Männer geben, die solche ausgefallenen Mahlzeiten zu schätzen wissen.“

Ich finde, das ist irgendwie etwas, was wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen können, weil Schokoladenpudding mit Schlagsahne ja abgepackt im Kühlregal steht und ich irgendwie keinen Mann kenne, der jetzt sagt, oh, das ist total ausgefallen, das esse ich nicht. Also es ist so normal geworden, die verschiedensten Arten davon, dass das irgendwie tatsächlich wirkt wie aus einer ganz, ganz anderen Zeit. Dabei ist es ja noch gar nicht so ewig her, das Zitat ist von 1953. Also es ist wirklich noch nicht ewig her, aber es ist total spannend, das zu sehen, wie sich das entwickelt hat.

Und in den folgenden Episoden möchte ich dann nochmal weiter in die Tiefe gehen, was auch die verschiedenen Zielgruppen angeht und die verschiedenen Arten der Werbung. Und es wird natürlich noch eine Folge zur Schulmilch geben. Und ich freue mich, wenn du dann wieder mit dabei bist.

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Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo