Folge 23 - Die Milchkuh im Kinderbuch

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Folge 23 - Die Milchkuh im Kinderbuch

In dieser Folge

  • spreche ich über die Milchkuh im Kinderbuch, insbesondere Mama Muh und Lieselotte,
  • lese ich Dir einen Blogartikel von mir zum Thema vor und
  • spreche ich über Gewalt im Kinderbuch.

Kennst Du "Mama Muh"? Das ist eine tolle Kuh, die alles lernen möchte und nicht, wie ihre Freundinnen, die anderen Milchkühe, nur herumstehen und glotzen möchte.

Jeden Abend geht sie in den Stall und wird gemolken, jeden Tag erlebt sie ein neues Abenteuer- meist mit ihrer besten Freundin Krähe zusammen.

Kälbchen suchst Du in diesen Geschichten vergebens- gemolken werden die Kühe trotzdem. Ein Kuhmärchen?

Transkript

Schön, dass du wieder dabei bist, bei Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch. Ich bin Stefanie und in der heutigen Folge geht es um die Milchkuh im Kinderbuch.

Dieses Thema beschäftigt mich jetzt auch schon über zwei Jahre, denn damals vor über zweieinhalb Jahren haben wir angefangen „Mama Muh“ zu lesen. Und „Mama Muh“ ist ein Kinderbuch, falls du es nicht kennen solltest. Das gibt es schon sehr lange, ich glaube schon 20 Jahre. Ich kenne das Buch aus meiner Kindheit nicht, da es das damals noch nicht gab, als ich so klein war. Es richtet sich so an drei bis, sagen wir, sechsjährige. Es gibt auch noch ältere Kinder, die das lesen wahrscheinlich. Wir sind erst darauf aufmerksam geworden, als unser Sohn drei Jahre alt war. Und er hat diese „Mama Muh“-Bücher sofort geliebt. Eine Erzieherin hatte uns darauf gebracht, sie hatte mir dann auch Bücher ausgeliehen. Und diese Bücher sind einfach total toll für Kinder, weil es Abenteuer sind, die „Mama Muh“ erlebt.

„Mama Muh“ lernt Dinge, die Kinder in dem Alter auch lernen. Sie lernt schaukeln und schwimmen und sie klettert. Sie macht einfach ganz viele tolle Dinge. Was es bei „Mama Muh“ nicht gibt, sind Kälbchen. „Mama Muh“ geht jeden Abend in den Stall mit ihren Freundinnen in den anderen Kühen und wird gemolken. Aber in keiner Folge und nirgendwo gibt es Kälbchen. Und das hat mich damals so aufgeregt, dass ich vor zwei Jahren tatsächlich dann einen Blogartikel geschrieben habe, den ich in der Podcastfolge vorlese und den Du hier nachlesen kannst: https://von-herzen-vegan.de/blogartikel/mama-muh-und-die-milch

Und es stört mich wirklich immer noch, dass diese Kinderbücher und auch Kinder-Sachbücher, das ist ein weites Feld, die Milchkuh so darstellen, als würde sie einfach so Milch geben, dass es keinerlei Kälbchen gibt und als würde sie das auch brauchen, gemolken zu werden. Also so wird es eben auch thematisiert. Das Melken ist was ganz Normales für die Milchkühe im Kinderbuch.

„Mama Muh“ geht jeden Abend in den Stall und wird gemolken und das gehört einfach dazu. Alle anderen Kühe bei ihr werden auch gemolken. Das ist einfach so. Und es gibt ja von „Mama Muh“ nicht nur das Kinderbuch, sondern es gibt auch eine Fernsehserie dazu. Die haben wir viel später dann auch mal angeschaut und da sind die Charakter ein bisschen anders aufgebaut, aber auch da kommt kein Kälbchen vor. „Mama Muh“ hat eine beste Freundin, die Krähe, die habe ich jetzt eben auch in dem Artikel genannt. Und ja, was Freundschaft angeht und Abenteuer und alles, ist „Mama Muh“ wirklich spitzenklasse. Nur eben was die Realität angeht, ist es einfach daneben.

Und es gibt auch noch eine Kuh, Lieselotte heißt sie, da haben wir auch die Bilderbücher von entdeckt. Und das ist eine Kuh, die alleine auf einem Bauernhof lebt mit anderen Tieren zwar und einer Bäuerin, aber da gibt es keine anderen Kühe. Und auch da gibt es kein Kälbchen. Lieselotte erlebt die wunderbarsten Abenteuer, arbeitet als Postbotin und was weiß ich, was alles, wird immer regelmäßig gemolken, weil das ja dazu gehört. Aber es gibt kein Kälbchen und Lieselotte ist auch nie schwanger.

Und dieses Verschleiern, das ist ja dann irgendwo auch kein Wunder, dass Menschen wie ich dann jahrzehntelang das nicht begreifen, dass es da einen Zusammenhang gibt, wenn in Kinderbüchern das einfach auch gar nicht thematisiert wird. Ja, es gibt auch Kinder Sachbuchreihen, in denen jetzt thematisiert wird, dass es Kälbchen gibt und dass die Kälbchen eben getrennt werden von den Müttern. Aber auch da wird es dann wieder verniedlicht, im Sinne von Kälbertaxi und das ist halt wichtig. Und dazu werde ich wahrscheinlich auch nochmal eine eigene Folge machen, weil Kinder Sachbücher auch im Schulbereich nochmal ein ganz anderes Thema sind.

Was lernen die Kinder in der Schule eigentlich über Milch und Milchkühe heute? Was ist da für Material? Ich hatte ja schon mal zum Thema Schulmilch da eine Folge veröffentlicht, aber es ist nochmal ein anderes Thema zu sagen, was lernen denn die Kinder heute in der Schule? Also auch dazu wird noch eine Folge kommen.

Heute geht es mir erst mal darum zu thematisieren, dass in diesen Kinderbüchern den Geschichten um „Mama Muh“ und Lieselotte die Gewalt nicht stattfindet, die aber in der Realität stattfindet. Eine Milchkuh kann nicht existieren ohne diese Gewalt, die um sie herum ist. Aber diese Gewalt passt eben nicht ins Kinderbuch, wer würde denn so was vorlesen?

Und ja, es gibt Kinderbücher, die genau das thematisieren. Es gibt „Max und Fine“, ein Kinderbuch, in dem ein Kindergartenkind neben einem Bauernhof lebt und ein Kälbchen rettet. Und da wird das alles thematisiert, das gibt es, aber das ist ja nur ein Buch gegenüber einer ganzen Armada von Lieselotte Büchern und „Mama Muh“ Büchern und wie gesagt, die „Mama Muh“ Bücher, die gibt es schon seit 20 Jahren, meine ich mindestens. Und mit diesen „Mama Muh“ Büchern sind Generationen ja schon fast aufgewachsen. Das heißt, wer heute 20 ist, wer heute 25 ist, ist mit diesen Büchern wahrscheinlich aufgewachsen und hat diese Realität so kennengelernt.

Es gibt ja auch noch von dem Illustrator von „Mama Muh“, dem Sven Nordquist, „Petterson und Findus“. Das ist auch wieder so eine Verniedlichung des Bauernhofs. Bei „Petterson und Findus“ geht es um einen älteren Mann und seinen Kater. Da spielen Kühe keine Rolle, da gibt es nur Hühner, die auch sprechen können. Und die halt da Eier legen und vor dem Fuchs beschützt werden, aber es ist auch wieder dieses idyllische Bauernhofleben, was wir in diesen Geschichten finden und was mit der Realität gar nichts zu tun hat.

Aber die Realität macht sich eben schlecht als Kindergeschichte für ein dreijähriges Kind oder ein vierjähriges Kind. Die Realität ist so brutal und das ist was ich sehr wichtig finde, wir leben in einer Gesellschaft, die sehr gewalttätig ist. Auch wenn du dich als friedvollen Menschen ansiehst, wenn du Milch trinkst, wenn du Milchprodukte ist, wenn du tierliche Produkte isst, dann zahlst du für Gewalt. Und wir wollen unseren Kindern aber diese Gewalt nicht zeigen und wir wollen sie natürlich auch selbst nicht sehen, deswegen zahlen wir ja auch jemand anderem Geld dafür, dass er diese gewaltvolle Aufgabe übernimmt oder sie.

Und es liegt jetzt in unserer Verantwortung, uns zu fragen, was wir unseren Kindern vermitteln wollen. Ja, es muss kindgerecht sein, dem Alter entsprechend und einem dreijährigen wirst du etwas anderes erzählen als einem sechsjährigen und einem sechsjährigen etwas anderes als einem neunjährigen, definitiv, das ist mir auch klar, aber ich hätte mir gewünscht, dass es damals Erwachsene gegeben hätte, die mir gesagt hätten, wie das wirklich ist mit den Milchkühen, dann wäre ich mit elf Jahren nicht nur Vegetarierin geworden, sondern auch Veganerin. Ich hätte es zumindest versucht, ganz sicher, denn das vegetarisch sein damals war für mich ganz normal, das habe ich von jetzt auf gleich gemacht und das war ganz klar.

Natürlich wäre vegan sein damals schwieriger gewesen, aber für mich ist die ethische Komponente total wichtig und ich finde, wir sollten unseren Kindern wirklich die Wirklichkeit nicht vorenthalten. Wir sollten ihnen erklären, wie gewaltvoll unsere Welt ist und was hinter der Milch wirklich steckt und dann können sie wählen.

Ich möchte diese Folge jetzt noch einmal mit einem Zitat aus einem „Mama Muh“ Buch schließen: „Die anderen Kühe waren im Stall, der Bauer hatte schon mit dem Melken angefangen, „Mama Muh“ schlicht durch die Hintertür rein, ‚Meine Güte,‘ dachte „Mama Muh“, ‚sind die blöd, dauernd rumstehen und nur kauen und glotzen, das geht ja auf keine Kuhhaut.‘“

Links zur Folge

Artikel: Mama Muh und die Milch

Buch "Max und Fine"
www.maxundfine.de

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Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo