Folge 24 - Kuhgöttinnen­kulte

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Folge 24 - Kuhgöttinnenkulte

In dieser Folge wird es mythisch. Ich

  • spreche über Göttinnen in Kuhgestalt,
  • erzähle Dir von der Bedeutung von Milchkühen in Schöpfungsgeschichten und
  • erkläre Dir welche Macht die Milch in der damaligen Zeit hatte.

Zugegeben, all das ist lange, lange her und hat heute keinerlei Bedeutung mehr. Aber ist nicht genau das das Problem? Dass wir den Wert der Milch vergessen haben? Dass wir den Eindruck haben, die Milch käme aus der Molkerei und nicht mehr aus dem Euter?

Kuhgöttinnen waren nicht umsonst mächtige Muttergöttinnen, die über Leben und Tod bestimmten. Besinnen wir uns auf den Ursprung, was Milch bedeutet- für jedes einzelne Säugetier.

Transkript

Schön, dass du wieder dabei bist, bei Milchgeschichten, dem Podcast rund um die Kuhmilch. Ich bin Stefanie und ich möchte dir heute über Kuhgöttinnenkulte berichten, über Mythen rund um die Kuh.

Das heißt, es geht heute weit in die Vergangenheit zurück, es hat mit der Gegenwart nur noch wenig zu tun. Und trotzdem ist es wichtig, damit wir uns den Wert der Kuhmilch überhaupt bewusst machen und der Milch generell, egal von welchem Säugetier sie kommt. Kuhgöttinnen waren Göttinnen, die in Gestalt von Kühen dargestellt wurden oder mit einem menschlichen Körper und einem Kuhkopf oder nur mit den Hörnern. Und sie wurden als Schöpferin des Alls bezeichnet, als allumfassende Muttergottheit. Und die heilige Kuh wurde wie kein anderes Tier von den Ägypterinnen durchgehend verehrt.

Kuhgöttinnen hatten verschiedene Namen über die Jahre hinweg. Sie hießen Hathor oder Isis, Europa oder Io, Kali, Astarte, Ninhursanga oder Aditi. Oder es gab auch noch einige andere. Und sie wurden dargestellt als sternenübersähte, kuhgestaltige, kosmische Göttin des Himmels, als lebendige Seele der Bäume oder als Mutter und Amme des Horusknaben oder als Symbol und Schutzgöttin eines jeden Pharaos oder als Verkörperung des Goldes, des Metalles, des Lichtes und der Sonne. Oder sie trugen die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern, das Symbol des Göttlichen überhaupt.

Das heißt, eine Kuh und auch generell Milch, also das weibliche und die Milch, die fließt, die Milch eines Säugetiers war damals sehr, sehr wertvoll, weil sie eben mit Leben in Verbindung gebracht wurde.

Und es gibt eine nordische Kuh und Erdgöttin, die Audhumbla. Sie ist in der Prosa-Edda von Snorri Sturluson genannt. Das ist ein Teil der nordischen Mythologie und ich habe mich auf der Seite artedea.net sehr viel umgeschaut und möchte da jetzt einmal zitieren:

„In der nordischen Mythologie ist Audhumbla die Urkuh, die Milchreiche, die gleichzeitig die Kraft der Erde verkörpert. Sie wird in der Prosa-Edda erwähnt. Sie ist ein Symbol für Lebenskraft und Fruchtbarkeit. Da Audhumbla eine Verkörperung der nährenden Kraft der Erde ist, kann sie daher auch als eine Göttin angesehen werden. Auffallend ist die Ähnlichkeit ihres Namens Audhumbla mit dem englischen Autumn, Herbst, die Jahreszeit, in der die nähernde Erde besonders gut zu spüren ist. Audhumbla reiht sich in die zahlreichen, nährenden Kuhgöttinnen, wie die ägyptische Hathor oder Bat, die somerische Ninhursanga oder die indische Aditi. In den nordischen Mythen erschien sie zu Beginn der Schöpfung als erstes Tier aus der gähnenden Leere, genau zu jenem Zeitpunkt als aus dem Zusammentreffen von Eis und Feuer der tauende Urreif hervorgehen. Durch das Wirken von Hitze und Kälte entstand auch das riesige zweigeschlechtliche Wesen Ymir, das als erstes Lebewesen gilt. Dieses wurde von den vier Milchströmen aus Audhumblas Euter genährt.  Die ersten Götter, Odin, Vé und Vili, töteten Ymir und bauten aus seinen Körperteilen die Welt: Aus seinem Fleisch wurde die Erde, aus dem Blut das Meer, aus seinen Knochen Felsen und Gebirge, aus seinem Haar die Bäume, aus seinen Augenbrauen Midgard, die „Mittelwelt“ oder auch Erde, seiner Hirnschale der Himmel, der von vier Zwergen gestützt werden musste und aus seinem Gehirn die Wolken.  Als Audhumbla an salzigen, bereiften Steinen leckte, kamen am Abend des ersten Tages Menschenhaare hervor, am anderen Tag der Kopf eines Mannes und am dritten Tag war es ein ganzer Mann, der Búri hieß und groß und stark und schön von Angesicht war. So brachte die allererste Kuh sowohl die RiesInnen wie auch die Menschen hervor.“

Und über die ägyptische Göttin der Liebe und Freude, Hathor, die auch die Himmelskuh genannt wurde, steht auf www.artedea.net folgendes: „Hathor schuf sich in Urzeiten aus sich selbst heraus. Sie gilt als die Mutter jeder Göttin und jeden Gottes und auch als symbolische Mutter des jeweiligen Pharao. Sie ist die heilige Himmelskuh, die die Milch des Lebens schenkt. Dargestellt wird sie daher entweder als Frau mit Kuhkopf oder mit mondförmigen Kuhhörnern, zwischen denen sie die Sonnen- bzw. die Vollmondscheibe trägt. Auch Bildnisse von ihr als geflügelte Kuh sind bekannt.“

Also diese Darstellung mit den Kuhhörnern ist sehr wichtig, es ist tatsächlich ein Machtsymbol. Und so ist es auch mit Isis der großen Muttergöttin Ägyptens, die, wenn sie als Kuh dargestellt wird, häufig mit Hathor verwechselt wird. Auch sie hat die Mondsichel in Form von Kuhhörnern auf ihrem Kopf, in denen dann die Sonnen- oder Vollmondschale ruht. Und manchmal wird sie auch mit einem Kuhkopf gezeigt. Und was ich besonders interessant fand, war, dass dort stand, dass sie wegen ihrer mütterlichen Eigenschaften auch manchmal in Gestalt einer Sau gezeigt wird. Was uns wirklich auch zum Nachdenken anregen sollte, so wie wir Säue und Schweine heutzutage behandeln. Aber das nur als kleiner Kommentar nebenbei.

Auch die syrisch-phönizische, westseemitische Vegetations- und Sternengöttin Astarte wird oft mit Mondsichel-Hörnern, Kuhgehörnen und Sonnenscheibe beziehungsweise Vollmond umringt von Sternen dargestellt. Und ebenso wird auch Europa, die als Urmutter des gesamten europäischen Kontinents gilt und ursprünglich eine kretische Muttergöttin war, als Mond-Kuhgöttin dargestellt.

Das heißt, diese Darstellung als Kuhgöttin war wirklich ein Zeichen der Macht und ein Zeichen des Lebens, des lebenspendenden, allumfassenden, nährenden Strom des Lebens. Die Milch ist ein Lebenselixier für jedes Säugetier. Ohne diese Milch können sowohl Menschen als auch Tiere damals nicht überleben, also die Milch der eigenen Art. Und deswegen ist es natürlich auch ein Symbol der Macht, denn wenn der Strom versiegt, der Strom der Milch, dann versiegt auch das Leben. Und dadurch ist diese Darstellung als Kuhgöttin eine sehr machtvolle Darstellung.

Es gibt auch noch weitere Mythen, zum Beispiel in Indien. Da möchte ich jetzt einmal nochmal aus dem Buch „Milch - vom Mythos zum Massenware“ von Andrea Fink-Kessler zitieren: „Später wird Indra der Gott direkt über die Wolkenkühe herrschen. Sie werden durch seinem Blitzfeuer oder von den himmlischen Windgeistern zu dicken Regenwolken verdichtet und gemolken. Werden aber die Wolkenkühe von den Windgeistern gejagt, so zerstreuen sie sich und es kommt darüber das Land, da Blitz und Donner des Himmelsgottes Indra zerstörend auf die Erde und die Ernte wirken, löscht die himmlische Milch der Wolkenkühe auch das vom Blitz entzündete Feuer.

Eine ähnliche Wolkenkuh kennen die nordischen Mythen. Die Wolkenkuh wird vom wütend daher brausenden Heer des Wettergottes Thor, auch Wotan, den entfesselnden Stürmen immer wieder geschlachtet und aufgefressen. Die Wolkenkuh hat aber die Kraft, sich aus der übrig gebliebenen Haut, dem Wolkenschleier, zu erneuern.

Aus den ruhelosen Wolkenkühen wurden die Wolkenfrauen und schließlich die von den durch die Lüfte jagenden Windgeistern abstammenden Hexen. Hexen galten lange als Beherrscherinnen des Wetters. Schließlich verdichteten sich die wandernden Wolkenfrauen zu einer zentralen Figur, der Frau Holder oder der Frau Holle, wie sie in den Märchen der Bruder Grimm vorkommt.“

Die Kuh spielte also in den Mythen eine ziemlich vielfältige Rolle, muss man schon sagen, als Himmelskuh, als Wolkenkuh, als Göttin, als Teil der Entstehungsgeschichte dann in den nordischen Mythen. Und es gibt auch noch eine Geschichte, wie die Milchstraße entstand, die auch aus diesem Buch von Andreas Fink-Kessler stammt:

“Schon im Altertum war die Milchstraße als heller, schmaler Streifen am Nachthimmel bekannt. Ihr altgriechischer Name Galaxias, von dem auch der heutige Fachausdruck Galaxis stammt, ist von dem Wort Gala = Milch abgeleitet. Zeuss, der Stiergott und Inbegriff des patriarchalen Gottvaters, hat seinen Sohn Heraklis, der eben von Alkmene einer sterblichen Frau geboren wurde, an der Brust seiner göttlichen, kuhäugigen Frau Hera trinken lassen, als diese schlief. Heraklis sollte auf diese Weise göttliche Kräfte erhalten, aber er saugte so ungestüm, dass Hera erwachte und den ihr fremden Säugling zurückstieß und dabei wurde ein Strahl ihrer Milch über den ganzen Himmel verspritzt und die Milchstraße entstand.“

Die Milch war also damals noch etwas sehr, sehr besonderes und als Lebensspender verehrt und gehörte eigentlich den Göttern, also war denjenigen vorbehalten, die mächtig waren. Die Kuh spielt eine zentrale Rolle in der Schöpfungsgeschichte, in den Schöpfungsmythen vieler Kulturen und die Milch spielt auch in der christlichen Geschichte eine Rolle. Wenn es um das Land geht, in dem Milch und Honig fließen, wird auch nochmal klar, dass das damals was besonderes war, dass da Milch und Honig fließen, denn sonst wäre es nicht das verheißene Land gewesen.

Das war jetzt erst mal so ein kleiner Einblick in die Welt der Mythen und ich hoffe, ich konnte dich damit ein bisschen inspirieren und ich freue mich, wenn du beim nächsten Mal auch wieder mit dabei bist.

Links zur Folge

Audhumbla - Nordische Kuh- und Erdgöttin
https://artedea.net/audhumbla-nordische-kuh-und-erdgottin/

Hathor - Ägypthische Göttin der Liebe und Freude
https://artedea.net/hathor/

"Milch - Vom Mythos zur Massenware" von Andrea Fink-Keßler
https://www.buch7.de/store/product_details/1020042349

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Quellen

Einen großen Teil meiner Informationen beziehe ich aus der Bibliothek der ehemaligen Milchforschungsanstalt in Kiel.

Max Rubner-Institut
Hermann-Weigmann-Str. 1
24103 Kiel

Webseite

Diese Bibliothek beherbergt einen wahren Schatz an Dokumenten zur Milchwissenschaft und direkt gegenüber ist auch noch der Unverpacktladen- sehr praktisch :-)

Weitere Quellen

ROLLINGER, Maria, 2013: Milch besser nicht. 5. Auflage Trier: JOU-Verlag | Meine Rezension zum Anhören.

Die Milch : Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels / hrsg. im Auftr. der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum von Helmut Ottenjann ... [Museumsdorf Cloppenburg, Niedersächsisches Freilichtmuseum], Cloppenburg : Museumsdorf Cloppenburg, 1996.

FINK-KEßLER, Andrea, 2013: Milch - Vom Mythos zur Massenware. 1. Auflage München: oekom

HAHN, Christian Diederich, 1972: Vom Pfennigartikel zum Milliardenobjekt - 100 Jahre Milchwirtschaft in Deutschland. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann OHG

SCHWERDTFEGER, Curt, 1956: Milch, Wunder der Schöpfung, Quelle der Gesundheit : Ein dokumentar. Bildwerk über d. Milch u.d. Milcherzeugnisse. 2. Auflage Hildesheim : Verlag Th. Mann

WIEGELMANN, Günter, 1986: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung. 2. Aufl. Münster: F. Coppenrath Verlag

BROCKS, Christine, 1997: Die Kuh - die Milch : eine Publikation des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Grafes Handbuch der organischen Warenkunde, Vol. 5 Halbbd. 1 (ab S. 306)
http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN832533432

Lebendiges Museum online: http://www.dhm.de/lemo