Ich will einfach nur mein Essen genießen

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Folge 041 - Ich will einfach nur mein Essen genießen

In dieser Folge widme ich mich wieder einer Herausforderung eines Clanmitglieds. Und zwar schrieb Isabell (Name geändert):

"Ich möchte beim Essen mit anderen ein normaler Teil der Gemeinschaft sein zu können, z.B. werden in der Firma bei besonderen Anlässen zwei große Bleche Pizza bestellt und dann sitzen alle gemeinsam am Tisch und essen zusammen. Da möchte ich genau wie die anderen ganz "normal" entspannt dabei sitzen und Essen und Gemeinschaft genießen und nicht Anlass für Grundsatzdiskussionen sein."

Wenn es Dir so geht wie Isabell, dann hör doch gleich einmal rein.

Vollständiges Transkript

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und in dieser Folge möchte ich über eine Herausforderung sprechen, die ein Clanmitglied mit mir geteilt hat.

Ich lese sie dazu einmal vor: „Ich möchte beim Essen mit anderen ein normaler Teil der Gemeinschaft sein können. Zum Beispiel werden in der Firma bei besonderen Anlässen zwei große Bleche Pizza bestellt und dann sitzen alle gemeinsam am Tisch und essen zusammen. Da möchte ich genau wie die anderen ganz normal entspannt dabeisitzen und essen und Gemeinschaft genießen.“

Erst einmal: Ich kann dich total verstehen, dass du einfach nur ein normaler Teil der Gesellschaft sein möchtest, dass du einfach nur dazugehören möchtest. Das ist ganz normal. Das gehört zu uns als Menschen dazu. Wir sind soziale Wesen, wir brauchen die Gemeinschaft und das ist für uns Stress, wenn wir Außenseiter sind. Wir wollen dazugehören. Und ich kenne das nun schon viele, viele, viele, viele Jahre lang, Jahrzehnte lang, weil ich eigentlich schon immer irgendwie anders war und immer irgendwie nicht reingepasst habe in diese ganzen Gemeinschaften und überall irgendwie rausgestochen habe. Es gab Gruppen, wo ich dazugehört habe, aber irgendwie war ich doch immer irgendwie anders. Ich bin also schon von Geburt an quasi geschult im Anderssein. Und weiß einfach wie das ist, anders zu sein und habe mich da auch dran gewöhnt. Ich kann damit umgehen, anders zu sein. Bei mir waren es immer Faktoren wie entweder ich war zu groß oder meine Haare sahen zu komisch aus oder dann war ich Vegetarierin. Oder ich war irgendwie sonst komisch, habe die falsche Musik gehört oder ich habe die falschen Klamotten getragen, oder Ja, keine Ahnung. Ich war immer irgendwie anders. Ich habe nicht geraucht oder ich habe dies nicht getan. Also für mich war mein ganzes Leben bisher ein Training im Anderssein und deswegen habe ich einfach Strategien entwickelt, damit umzugehen und bin einfach erprobt darin.

Ich kann aber auch total verstehen, dass, wenn du jetzt mit dem vegan sein das erste Mal erlebst, wie es ist, anders zu sein, dich das enorm in Stress versetzt. Denn wie gesagt, wir Menschen, wir sind Herdentiere. Wir leben in Gemeinschaft, wir brauchen die Gemeinschaft. Und es ist eben in unserer Genetik so veranlagt, dass wir nur gemeinsam überleben können und dass wir aufeinander angewiesen sind und deswegen auch irgendwie den Konsens suchen. Und jetzt, wenn du bei so einem gemeinsamen Firmenessen dabei sitzt und anders bist, dann störst du natürlich dieses Gemeinschaftsgefühl. Und dazu gehört ganz, ganz viel Kraft, dich dann einfach gelassen da hinzusetzen und zu sagen das ist mir egal.

Was hast du jetzt für Möglichkeiten? Es kommt darauf an, was du möchtest. Ich kenne Veganer·innen, die sagen, ich will nicht einfach ruhig daneben sitzen, wenn jemand neben mir ein Stück Fleisch isst. Ich kann das nicht. Ich ertrage das nicht. Ich lese aber aus deiner Herausforderung, dass du nicht zu diesem Typ Veganer·in gehörst, sondern dass du gerne dabeisitzen würdest und einfach nur nicht möchtest, dass die anderen über dein Essen reden. Da wäre jetzt die Möglichkeit, dass du zum einen je nachdem, wie du veranlagt bist, ein klärendes Gespräch suchst mit deinen Kolleg·innen und ihnen sagst, dass dich das einfach stresst, dass du das nicht möchtest, ihnen also deine Gefühle offenbarst. Da ist die Frage, wie das Verhältnis zu deinen Kolleg·innen ist und ob du überhaupt so veranlagt bist, dass du so offen mit ihnen sprechen möchtest.

Wenn du eher introvertiert bist oder einfach dich nicht traust, jetzt mit allen darüber zu sprechen, dann wäre die nächste Möglichkeit, dass du vielleicht eine Kollegin oder einen Kollegen ansprichst und ihn oder sie als Verbündete gewinnst und mit ihm oder ihr unter vier Augen besprichst, dass dich das wirklich sehr stresst alles. Und auch nicht im Sinne von „Ihr seid alle doof“, sondern im Sinne von Ich Botschaften. Also „ich fühle mich verletzt und ich möchte einfach nur in Ruhe mein Essen essen.“ Und dass du mit dieser Person eine Art Vereinbarung triffst, dass sie oder er dir beisteht, wenn es zum nächsten Essen kommt und dann irgendwelche blöden Kommentare kommen, so dass du nicht die·derjenige bist, die·der jetzt da etwas sagen muss, sondern dass da Rückendeckung kommt von einer anderen Person, die dabei ist.

Ich denke, dass es wichtig ist, dass du entweder generell Stellung beziehst, dass du das nicht möchtest, dass du äußerst, dass du es nicht willst, also dass du darüber sprichst oder dass du eben dir eine Verbündete oder einen Verbündeten suchst und der oder diejenige für dich spricht. Denn sonst wirst du die Frustration über das Verhalten immer weiter in dich hineinfressen. Und das wird dich auf Dauer einfach nicht glücklicher machen. Es ist möglich, das kann ich dir aus Erfahrung sagen, dass du auch als Veganer·in, als Teil dieser Gemeinschaft, als normaler Teil akzeptiert wirst und dass du dann ganz normal dein Essen essen kannst. Das wird mit der Zeit auch kommen, dass dann keine Kommentare mehr gemacht werden, es sei denn natürlich, es kommen neue Kolleg·innen dazu. Aber dann kann es dir passieren, dass die alten Kolleg·innen, also die schon vorhandenen, Partei für dich ergreifen und sagen „jetzt lass mal stecken, sei mal still“ oder irgendwie so was. Also es wird definitiv mit der Zeit besser werden.

Und es kommt natürlich darauf an, wie du damit umgehst. Wenn du jedes Mal aggressiv darauf reagierst, dann werden sie höchstwahrscheinlich alle nicht so wohlwollend mit dir umgehen. Aber wenn du erklärst, wie es dir damit geht oder wenn du es einfach aussitzt, dann wird es mit der Zeit auf jeden Fall besser werden. Wenn du jetzt aber akut darunter leidest, ist meine Empfehlung. Sprich entweder mit allen oder nimm dir eine Person raus und such dir eine Verbündete oder einen Verbündeten und sprich mit ihr oder ihm darüber und bitte sie oder ihn darum, dich zu unterstützen.

Und ich möchte dir noch einmal mitgeben: Es ist ganz normal, ein Teil der Gesellschaft sein zu wollen, ein Teil der Gemeinschaft sein zu wollen. Und es ist völlig in Ordnung, dieses Gefühl zu haben. Das gehört zum Menschsein dazu. Und es ist machbar, dass du als Veganer·in Teil dieser Gemeinschaft sein kannst. Du kannst akzeptiert werden. Ich habe das als Vegetarierin auch so gehandhabt, dass ich gesagt habe: Lasst mich einfach mein Essen essen, ich lass euch euer Essen und damit ist gut. Und ich bin damit damals sehr gut gefahren. Jetzt, als Veganerin, geht es mir anders damit. Aber wenn du im Moment in dieser Lage bist, dass es für dich in Ordnung ist, mit anderen zusammen zu essen, die eben nicht vegan essen, dann kann ich dir diese Zuversicht mitgeben, dass es auf jeden Fall auch funktionieren wird und dass du auch akzeptiert werden wirst.

Und ich freue mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.

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Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan

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