Folge 45 Vystopie - Der Schmerz der Veganer·innen

Ein Beitrag

Folge 045 - Der Schmerz der Veganer*innen

In dieser Folge spreche ich über Vystopie, einen Begriff den die Psychologin Clare Mann geprägt hat.

Ich habe davon in diesem Interview in der Psychologie heute gelesen.

Sie spricht dabei über die Traumatisierung der Veganer*innen und ihre stetige Neu-Traumatisierung, da sie mit dem Grund, warum sie vegan geworden sind, immer und immer wieder konfrontiert werden.

Jede einzelne Situation kann starke Hilflosigkeit bis hin zu Panikattacken oder Schockstarre auslösen.

Und genau das ist einer Veganerin passiert, die aufgrunddessen von ihrer Hausärztin an eine Therapeutin überwiesen wurde, weil sie ihre Reaktion für unverhältnismäßig hielt.

Nun ist es völlig in Ordnung und sinnvoll Hilfe anzunehmen und auch eine Therapie zu machen halte ich für sinnvoll. Trotzdem halte ich eine Panikattacke für keine unverhältnismäßige Reaktion auf ein traumatisierendes Erlebnis.

Da aber die Hausärztin keine Veganerin ist, argumentiert sie aus dem System des Karnismus heraus und kann die Gefühle einer Veganerin daher nicht nachempfinden- aus ihrer Sicht ist die Reaktion also unverhältnismäßig, aus Sicht einer Veganerin keinesfalls.

Vollständiges Transkript

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und in dieser Folge möchte ich über den Schmerz der Veganer·innen sprechen.

Vor einigen Monaten bin ich auf einen Artikel in der „Psychologie heute“ aufmerksam gemacht worden. Ein Interview mit der Psychologin Claire Mann, die den Begriff Vystopie geprägt hat. Quasi das vegane Pendant zu Dystopie. Und sie beschreibt damit das Trauma, die stetige neue Traumatisierung von Veganer·innen, die eher ethisch motiviert sind. Und ich möchte heute darüber sprechen, weil ich von einer Veganerin erfahren habe, dass ihre Reaktion auf so ein traumatisierendes Erlebnis als unverhältnismäßig von einer Hausärztin bewertet wurde. Und ich kann gleich vorweg sagen: Das ist es nicht.

Als wir uns entschieden haben, aus ethischen Gründen vegan zu werden, vegan zu leben, ist das mit einer Traumatisierung einhergegangen. Denn uns ist bewusst geworden, dass die Realität, wie wir sie vorhergesehen haben, nicht unseren Werten entspricht. Und wir mussten den Alltag erst mit unseren Werten in Einklang bringen und stoßen immer wieder und immer wieder dadurch, dass wir als Veganer·innen die Minderheit sind, an unsere Grenzen und werden tagtäglich daran erinnert, dass unsere Werte in unserer Gesellschaft nicht geachtet werden, dass wir in einer gewaltvollen Gesellschaft leben, die einzig den Menschen in den Vordergrund stellt und dann nicht mal jeden Menschen, sondern auch da wieder aussortiert und die mit unseren Mitlebewesen sehr gewaltsam und grauenhaft umgeht. Und das erleben wir eben immer und immer wieder.

Und die Psychologin Claire Mann beschreibt diesen Zustand als Vystopie. Dass wir immer und immer wieder aufs Neue traumatisiert werden. Sei es, dass wir an einem Tiertransporter vorbeifahren oder mit einem Spanferkel auf einer Party konfrontiert werden. Sei es, dass wir an einem Schlachthof vorbeikommen oder bei einem Spaziergang mit dem Anblick eines großen Mastbetriebs konfrontiert werden, aus dem wir auch die Schreie der Tiere hören. Und all diese Situationen sind für ethisch motivierte Veganer·innen immer und immer wieder traumatisierend. Und da hat Claire Mann diesen Begriff Vystopie entwickelt und hilft Veganer·innen mit den Mitteln der Traumatherapie dabei, mit der Vystopie umzugehen.

Für Menschen, die nicht vegan leben, kann eine starke Reaktion auf einen Tiertransporter oder eben die vorangegangenen, genannten Situationen, dir fallen sicherlich auch noch andere ein, unverhältnismäßig erscheinen. Das liegt aber daran, dass diese Personen immer noch im Kannismus verhaftet sind und einfach nicht verstehen, dass du schon diese Traumatisierung durchlaufen hast. Sie können nur von ihrem Standpunkt aus das betrachten, was du erlebst und wie du dich verhältst. Und sie können nicht beurteilen, welchen Schritt du schon gegangen bist. Das kann tatsächlich nur eine Veganerin oder ein Veganer tun, denn alle anderen sind ja noch im System verhaftet. Claire Mann empfiehlt vor allem aktiv zu werden als Lösung des Problems und vielleicht nicht gleich auf die Straße zu gehen, aber wenn das deine Form des Aktivismus ist, ist das natürlich völlig in Ordnung, aber eben sich zu engagieren.

Ich möchte wie immer die Einschränkung geben: Wenn du dich da nicht stark genug fühlst, um schon aktiv zu werden in diesem Umfang, dann ist es völlig in Ordnung. Einen Schritt vorher ist definitiv deine Resilienz zu stärken. Und da sind wir wieder bei der vorangegangenen Folge zum Stresstoleranz-Fenster und natürlich bei allen Folgen, die ich hier schon in diesem Podcast veröffentlicht habe mit den Übungen und dem Notfallkoffer. Wenn du regelmäßig diese Übungen machst und auch darauf achtest, alle vier Resilienztypen gleichmäßig zu stärken, dann wirst du in diesen traumatisierenden Situationen handlungsfähiger bleiben, als du es bisher warst. Und es wird dir helfen, damit besser umgehen zu können. Und das ist dann die Grundlage, auch um aktiv zu werden. Und wenn du dann aktiv wirst, wird sich dein Gefühl der Selbstwirksamkeit wieder stärker aktivieren und dadurch wirst du eine stärkere Zufriedenheit erlangen und dann auch besser mit diesen traumatisierenden Erlebnissen umgehen können. Das ist also ein stetiger Spirale nach oben.

Es braucht aber Zeit. Es ist definitiv eine Übungssache. Und wenn du gerade so eine traumatisierende Situation erlebt hast, dann schau auf jeden Fall noch in meinen Notfallkoffer. Eine Sache, die du immer tun kannst, ist, Spiele wie Tetris zu spielen. Das ist tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen, dass das dir helfen kann, so ein Erlebnis besser zu verarbeiten. Das klingt erst mal irgendwie komisch und simpel. Es hilft aber deinem Gedächtnis und deinem Körper raus aus der Handlungsunfähigkeit zu kommen und hinein in ein abstrahierendes Nachdenken. Das Erlebnis ist danach nicht weg. Du kannst es damit nicht aus deinem Gedächtnis löschen, aber du kannst selber entscheiden, wann du dann darüber nachdenken möchtest und wann nicht. Du bekommst nicht diese unangenehme Flashbacks die ganze Zeit.

Und dann schau auf jeden Fall noch mal in den Notfallkoffer, was es sonst noch alles für Übungen gibt und versuche, die auch immer wieder regelmäßig zu üben, damit du sie im Bedarfsfall, im Notfall eben, gut abrufen kannst. Noch einmal: Es ist nicht unverhältnismäßig, sehr stark auf ein traumatisierendes Erlebnis zu reagieren. Es ist für uns, die wir von Herzen vegan leben, ethisch motiviert sind, normal. Leider. Niemand möchte traumatisiert werden. Wir leben leider in einer Gesellschaft, die uns automatisch traumatisiert und damit wir nicht verbittern oder verzweifeln ist es sehr, sehr wichtig, deine Resilienz zu stärken. Also hör dir auf jeden Fall noch mal die ersten Folgen an. Mach regelmäßig die Übungen und sprich auch mit anderen darüber.

Es ist auch total wichtig, sich Verbündete zu suchen. Vielleicht hast du Bekannte oder Freund·innen, die für dich da sind und mit denen du reden kannst. Das ist alles total wichtig. Das eine, dich zu stärken, das andere, den Austausch und Verbündete zu haben, die dich unterstützen.

Und dann freue ich mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.

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