Welcher Aktivismus passt zu Dir?
Ein Beitrag
Wenn wir vegan werden, wollen wir unsere Mitmenschen verändern und die Welt retten - der Drang ist groß und doch ist nachhaltiger Aktivismus nur möglich, wenn wir dabei gut auf uns achten.
In unserer lauten Welt nehmen wir nur die Menschen wahr, die auf die Straße gehen, vor der Kamera stehen oder sonst öffentlich in Erscheinung treten.
Da soll keine Kritik an dieser Art von Aktivismus sein- ich selbst praktiziere ihn - ich möchte mit dieser Folge lediglich darauf hinweisen, dass es auch Möglichkeiten gibt sich als leiser Mensch für die eigenen Werte einzusetzen.
Und dass es essentiell ist, herauszufinden welche Art von Aktivismus zu mir passt, damit ich aktiv sein kann, ohne auszubrennen.
Und vor allem auch festzustellen, dass die eigene Belastbarkeit wandelbar und das eigene Engagement individuell mit den eigenen Lebensumständen verknüpft ist.
Jede Form des Aktivismus ist wichtig für die vegane Bewegung, da jede Form andere Menschen anspricht.
Wichtig für Dich ist es, herauszufinden welche Form gerade individuell zu Dir passt, damit Du auch noch in 5 Jahren für Deine Werte eintreten kannst.
Vollständiges Transkript
Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und in dieser Folge möchte ich über die verschiedenen Formen des Aktivismus sprechen.
Ich war am Wochenende auf dem veganen Sommerfest in Berlin und habe da meinen Vortrag zu Milchforschung gehalten und ich war nur von Samstag auf Sonntag da, das vegane Sommerfest ging von Freitag bis Sonntag und es war sehr heiß und es war voll und es gab viel zu sehen und viel zu essen und es war letztlich auch sehr anstrengend für mich und ich habe darüber nachgedacht, nachdem ich den Vortrag gehalten hatte, was ist eigentlich meine bevorzugte Form von Aktivismus?
Wenn wir beginnen vegan zu leben, dann haben wir alle diesen Drang in uns unsere Mitmenschen verändern zu wollen und wenigstens den anderen erklären zu können, warum wir jetzt vegan leben und je sicherer wir uns fühlen, desto stärker wird der Drang und eben gerade in der Anfangszeit sind wir sehr überzeugt, dass die anderen doch auch sehen können sollten, was wir jetzt sehen und wir verstehen einfach nicht, warum sie nicht verstehen, was wir verstehen und da ist also ganz viel Energie, die wir haben und dann machen wir uns auf die Suche nach unserer Form des Aktivismus.
Mir ging es damals nicht anders, ich hatte auch dieses Gefühl, ich will etwas tun und ich hatte das Glück, dass ich meine Selbstständigkeit diesem Thema widmen konnte und auch immer noch kann und sich daraus halt einige größere Projekte entwickelt haben und ich habe mich gleich zu Beginn dann auch der Ortsgruppe der Albert-Schweitzer-Stiftung angeschlossen und auch bei Infoständen mit ausgeholfen. Ich war nie im Kuhkostüm auf der Straße, aber hinter den Infoständen, das war in Ordnung für mich. Ich habe viel mit fremden Menschen gesprochen und ich habe dann durch meine „Hamburg vegan erkunden“ Touren viel Kontakt gehabt zu Menschen, die gerade erst auf dem Weg waren vegan zu werden, die sie sich einfach nur dafür interessiert haben.
Ich habe viel ausprobiert in dieser Richtung. Ich war auf Messen vertreten mit einem Stand zwei Jahre lang. Ich habe Vorträge auf Messen gehalten und eben auch jetzt auf Straßenfesten und ich merke mittlerweile, jetzt bin ich seit bald vier Jahren so aktiv dabei, dass meine Energie langsam schwindet und ganz besonders habe ich das jetzt an diesem Wochenende gemerkt, dass ich extrem ausgelaugt war nach diesem Vortrag am Samstag. Der Vortrag war auch noch abends und es war wirklich heiß, ich hatte den ganzen Tag draußen in der Sonne verbracht und ich habe mir die beiden Vorträge vor meinem Vortrag angehört und als ich da im Vortragszelt saß, habe ich gedacht, ich werde ohnmächtig. Weil mein Kreislauf das einfach nicht so aushält, wenn ich so dieser Hitze ausgesetzt bin und ich hatte dann schon Sorge, dass ich während meines Vortrags umkippen würde, was dann aber nicht so war und ich war sehr dankbar, dass ich es geschafft habe, den Vortrag auch zusammenhängend zu halten. Die Hitze hat mich wirklich sehr beeinträchtigt und danach habe ich mich abends sehr ausgelaugt gefühlt und hatte den Wunsch eigentlich am nächsten Tag sofort nach Hause zu fahren. Was aber nicht ging, weil ich den Zug erst am späten Nachmittag gebucht hatte und eigentlich noch am Animal Rights March teilnehmen wollte. Das habe ich dann auch nicht mehr gemacht. Ich war einfach fix und fertig.
Und auf der Rückfahrt dann, wir hatten auch wieder eine Stunde Verspätung, das passiert ja häufiger bei der Bahn, es ist ja was, was wir irgendwie mit einrechnen müssen, und auf der Rückfahrt hatte ich dann die Gelegenheit über alles nochmal nachzudenken und bin zu dem Schluss gekommen, dass es wichtig ist herauszufinden, welcher Typ Aktivist·in ich bin.
Da wir in einer sehr lauten Welt leben, wo wir eigentlich nur die wahrnehmen, die wirklich nach außen gehen und sich zeigen und das Wort ergreifen, sich auf die Bühne stellen oder auf die Straße gehen, scheint es tatsächlich nur diese eine Möglichkeit des Aktivismus zu geben, nämlich Straßenaktivismus oder sich auf die Bühne zu stellen und wenn ich aber nach so einem Tag zum Beispiel am Infostand oder auf der Bühne oder sonst irgendwie in der Öffentlichkeit völlig fertig bin und und es mir mehr Energie raubt als dass es mir gibt, dann ist das nicht die richtige Form des Aktivismus für mich.
Ich denke, es ist wichtig herauszufinden: was kann denn Aktivismus noch sein, wie kann ich diesem Drang noch nachgehen, der mir sagt, ich möchte meine Mitmenschen verändern, ich möchte ihnen von meinen neuen Erkenntnissen oder generell von meinen Erkenntnissen berichten, ich möchte sie daran teilhaben lassen und ich möchte sie aufrütteln, ich möchte sie schütteln, aber ich bin einfach nicht der Typ dafür auf die Straße zu gehen und mit fremden Leuten zu sprechen oder mich in einer großen Menschenmenge zu bewegen. Was gibt es denn dann noch?
Ich denke, der erste Schritt ist tatsächlich herauszufinden, welcher Typ ich bin, denn wenn du nach jedem Tag Straßenaktivismus erst mal für eine Woche krank im Bett liegst, weil du sämtliche Energie dort verbraucht hast, dann ist das kein nachhaltiger Aktivismus. Und wenn du für dich erst mal herausfindest, wer bin ich denn so, bin ich eher so der·diejenige, der·die gerne mit fremden Menschen spricht, gerne in großen Gruppen unterwegs ist oder bin ich eigentlich eher so der·diejenige, der·die eher im Hintergrund agiert oder es lieber ruhig hat und lieber beobachtet und eher spricht, wenn er oder sie angesprochen wird?
Dann ist im ersten Fall auf jeden Fall Straßenaktivismus eine gute Lösung für dich und im zweiten Fall eher nicht, dann kann es für dich eine Lösung sein, wenn du dich eher im Hintergrund engagierst, viele Ortsgruppen oder Bündnisse, Aktivistenbündnisse oder Tierrechtsorganisationen oder auch Parteien wie die V-Partei zum Beispiel haben auch immer Aufgaben, die nicht im Rampenlicht stattfinden, sondern eher still für sich erledigt werden müssen und wenn dir so etwas liegt und du daran Spaß hast und das für dich auch wichtig ist, dass du einen Teil leisten möchtest, dann wäre das vielleicht eine Lösung für dich oder dass du vielleicht eher andere Organisationen oder Aktivist·innen unterstützt, vielleicht finanziell, vielleicht auch auf einem anderen Weg, indem du sie mit anderen Menschen teilst und darauf aufmerksam machst, aber eben eher im ruhigen Rahmen.
Und was natürlich auf gar keinen Fall unterschätzt werden darf, ist deine eigene Vorbildwirkung, denn wenn du dich als Vegan outest, dann wirst du automatisch als Referenz herangezogen und wirst alleine durch dein Dasein, deine Existenz wirken und auch das ist Aktivismus, vielleicht eher passiver Aktivismus, was wie ein Widerspruch in sich klingt, aber irgendwie es ist doch Aktivismus, es ist nämlich Aktivismus in deinem engeren Umfeld, einfach dass du da bist und vielleicht auch einen Kuchen backst für das nächste Fest im Kindergarten oder in der Schule oder bei der Kirche, wo auch immer du dich aufhältst, beim Grillfest irgendetwas Veganes beisteuerst oder generell solchen Tätigkeiten nachgehst, die auf den ersten Blick vielleicht für dich als wenig erscheinen, aber in der Summe und für diejenigen, die das erste Mal zum Beispiel dann einen veganen Kuchen wahrnehmen oder das erste Mal wahrnehmen, dass es Sinn ergibt, wenn es tatsächlich auch ein veganes Angebot gibt, für die ist das eine große Sache und auch die vielen kleinen Dingen summieren sich dann zu etwas großem und es sind auch tatsächlich immer diese vielen kleinen Anstöße, die dann andere dazu bringen, darüber nachzudenken.
Aktivismus kann also nur nachhaltig sein, wenn du gut auf dich achtest und wenn du für dich herausfindest, welcher Typ Aktivist·in du bist und was deinem Charakter, deinem Temperament entspricht und dann ist es auch noch phasenabhängig, je nachdem wie deine Lebensumstände sind. Ich bin eigentlich ein sehr extrovertierter Mensch und ich habe gar kein Problem damit auf andere Menschen zuzugehen, ich bin relativ spontan und habe eigentlich auch viel Energie, aber ich merke immer mehr, dass ich momentan nicht sehr viel Energie habe und dass ich in den Jahren, bevor ich angefangen habe, wirklich mehr auf mich zu achten, ganz, ganz, ganz stark über meine Grenzen gegangen bin und quasi Energiereserven aufgebraucht habe, die ich gar nicht hatte, ich bin also ins Minus gegangen, sozusagen in die roten Zahlen und diese Schulden quasi, die begleiche ich im Moment und muss viel stärker auf mich achten und viel mehr meine Energiereserven im Auge behalten, als ich es vorher je getan habe und als ich es vielleicht auch müsste, wenn ich nicht die ganze Zeit über meine Grenzen gegangen wäre.
Aktivismus ist also so individuell wie du und ich und es ist phasenabhängig, je nachdem wie stark deine Belastbarkeit gerade ausgeprägt ist, wie deine Lebensumstände sind. Wenn du gerade frisch Mutter oder Vater geworden bist zum Beispiel, dann kannst du noch so extrovertiert sein, du wirst trotzdem wenig Energie haben, denn all deine Energie wird hineinfließen in das Leben deines Kindes und den Alltag damit und du wirst wahrscheinlich viel zu wenig Schlaf haben und ja, versuchen einfach nur im Alltag klarzukommen oder auch wenn du vielleicht chronisch krank bist oder wenn du sonst irgendwelche Einschränkungen hast, du pflegst vielleicht deine alten Eltern, dann hat das mit deinem Charakter oder deinem Temperament erstmal nichts zu tun, sondern das sind die Lebensumstände, die die Energie aus dir ziehen und alles fließt dann auch in deine Form des Aktivismus mit ein, denn es ist wirklich phasenabhängig, wie aktiv du werden kannst.
Und ich möchte dafür plädieren, dass du kein schlechtes Gewissen haben musst, wenn du nicht in der Lage bist auf die Straße zu gehen, du wirst schon allein durch dein Outing als Veganer·in aktiv sein, denn schon alleine das wirkt und ganz ehrlich, alleine, dass du vegan lebst, das ist schon Aktivismus, denn schon damit bewirkst du etwas für die Tiere und die Umwelt. Jede Form des Aktivismus ist wirklich wichtig für die Bewegung, weil jede Form einen anderen Menschen anspricht. Dadurch, dass wir alle Individuen sind, sprechen wir also auch unterschiedlich auf verschiedene Formen des Aktivismus an. Für manche ist vielleicht so ein Cube of Truth genau das, was sie dazu bringt ihr Leben zu ändern, für andere ist es vielleicht eher Abschreckung, dass sie damit erstmal nichts zu tun haben wollen und sie werden dann durch andere Formen des Aktivismus getriggert.
Mir hat zum Beispiel am meisten geholfen, dass mein Mann Carsten sich dazu entschlossen hat, auf Milch zu verzichten, aus gesundheitlichen Gründen und dann erst konnte ich diesen Schritt machen und sagen: okay ja, dann mache ich das jetzt auch und vorher wusste ich zwar schon so ja lang, dass es nicht okay ist und dass Kälbchen für Milch sterben und die Milchkühe natürlich auch und dass das ganze System einfach eine pure Ausbeutung ist und trotzdem konnte ich nicht auf Milch verzichten und als dann Carsten gesagt hat ja, ich verzichte jetzt darauf, dann war es auf einmal ganz einfach, weil ich jemanden hatte, der mit mir mitgegangen ist und ich das nicht alleine gemacht habe.
Wobei beim vegetarisch Leben damals vor vielen, vielen Jahren, als ich elf war, da habe ich das ganze alleine gemacht und da war das für mich kein Problem. Ich denke nämlich tatsächlich, dass es auch eine starke Gewöhnungssache ist, wenn wir dann schon lange, lange Zeit uns an die ganze Ernährung so gewöhnt haben, dann fällt es uns viel schwerer loszulassen und gefestigt hatte sich das dann bei mir dadurch, dass ich immer mehr Informationen zu diesem Thema in mich aufgenommen habe und dann auch durch die Forschung immer tiefer eingestiegen bin, so dass sich mir das heute verbietet, einfach irgendwelche Milchprodukte zu mir zu nehmen. Ich werde auf jeden Fall in den nächsten Wochen, in der nächsten Zeit weiter beobachten, welche Art von Aktivismus zu mir passt und wie ich meine Energie am sinnvollsten einsetzen kann und es wird in der nächsten Zeit auf jeden Fall noch mehr zu diesem Thema von mir geben. Dann danke ich dir fürs Zuhören und ich freue mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.
Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan
Im November 2021 ist der Von Herzen Vegan Clan ein Teil meiner damals neuen Community, des Experimentariums geworden.
Das Experimentarium gibt es seit Dezember 2022 nicht mehr.
Ich bin gerade dabei eine neue Online-Community aufzubauen. Wenn Du interessiert bist, schau doch mal vorbei: