Vegan leben ist eine innere Haltung
Ein Beitrag
Seit ich vegan lebe, werde ich oft nach dem perfekten Argument gefragt. Dem perfekten Set an Antworten auf die üblichen Fragen von Nicht-Veganer*innen.
Bullshit-Bingo nennen manche Veganer*innen das.
Ich bin der Meinung, dass es die perfekte Standardantwort nicht gibt. Wir reagieren immer individuell, je nach Situation, Gegenüber und auch je nachdem in welcher Stimmung wir gerade sind.
Es mag sein, dass Du gerade einfach keine Kraft mehr hast, um zum xten Mal zu erklären, warum Dein Tofukonsum nicht den Regenwald zerstört oder Du momentan einfach keine Lust mehr auf die ewig gleichen Diskussionen hast.
Oder ganz im Gegenteil, Du fühlst Dich energiegeladen und freust Dich innerlich schon darauf Deinem Gegenüber Deinen Standpunkt darzulegen.
Und dann gibt es noch alle Schattierungen dazwischen - und schließlich variiert Dein Verhalten meist auch je nachdem, ob Du mit jemanden Fremden sprichst oder mit Deiner Mutter.
Das ist ganz normal und nur das ist auch authentisch. Ein vorgefertigtes Set an Standardantworten mag bei Situationen, in denen es um sachliche Fakten geht, angebracht sein- wenn es aber um weichere Themen geht, ist es eher hinderlich.
Dann geht es um Deine innere Haltung und nicht darum die perfekten Worte zu finden.
Vollständiges Transkript
Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und ich möchte in dieser Folge über die innere Haltung sprechen.
Seit ich vegan lebe, bin ich immer wieder gefragt worden, wie ich denn in bestimmten Situationen auf bestimmte Sprüche reagieren würde und viele Veganer·innen sagen, dass sie daran verzweifeln, nicht die richtigen Antworten parat zu haben und sind auf der Suche nach der perfekten Antwort auf den blöden Kommentar von den Nachbar·innen, von den Kolleg·innen oder diesen Standardsprüche, die wir immer wieder hören.
Und ich bin der Meinung, dass es gar keine Standardantworten gibt, sondern dass es immer individuell abhängig davon ist, erst mal, wie es dir geht, was du für ein Typ Mensch bist, was das für eine Situation ist, in der dieser Spruch geäußert wird und vor allem auch, wer dir da gegenübersteht. Denn wir machen ja definitiv Unterschiede, ob jetzt unsere Mutter so einen Spruch äußert oder ob es ein·e Wildfremde·r ist, die·der da mit uns spricht. Und tatsächlich, wie gesagt, das ist auch ein Unterschied, ob wir jetzt beim Grillabend irgendwas zu hören bekommen oder ob das im Einzelgespräch unter vier Augen passiert.
Und ich bin der Meinung, es geht immer um die innere Haltung. Ich habe mich jetzt in letzter Zeit noch ein bisschen mehr mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt, weil wir gerade in der neuen Schule als Eltern verpflichtend einen Abend hatten, einen Lernabend dazu, an dem ich nicht teilnehmen konnte, sondern Carsten teilgenommen hat und ich habe dann gedacht, okay, ich werde mich jetzt nochmal mit dem Thema beschäftigen und mache dazu einen Online-Kurs und lese noch ein bisschen mehr im Internet dazu und habe mich immer wieder bestätigt gefühlt, denn nach dem GfK-Modell von Marschall-Rosenberg geht es eben nicht um Rhetorik und darum, die richtigen Worte zu finden oder ein Modell auswendig zu lernen, es geht um die innere Haltung. Es geht darum, wie ich meine Bedürfnisse ausdrücke und nicht darum, ob ich eher dieses Wort oder jenes Wort benutze.
Und genau darum geht es auch, wenn du als Veganer·in gelassen und souverän deinen Alltag meistern möchtest. Es geht nicht darum, ein bestimmtes Rhetorikmodell auswendig zu können und irgendwelche Kniffe zu beherrschen, sondern für dich herauszufinden, welche Haltung du dir bei anderen dir selbst gegenüber wünscht und dann auch zu sehen, wie verhältst du dich denn dir selbst gegenüber. Es geht also darum, authentisch zu sein und erst einmal dich um dich selbst zu kümmern und herauszufinden, was du möchtest und was deine Haltung hinter den Worten ist. Das soll nicht heißen, dass so vorgefertigte Antworten in manchen Fällen nicht doch auch funktionieren. Das ist vor allem der Fall, wenn es um Fakten geht.
Also wenn jetzt zum Beispiel jemand zu dir sagt, „mit deinem Tofu zerstörst du den Regenwald“, dann kannst du auch ganz sachlich antworten: „Das ist nicht der Fall, weil nämlich das meiste Soja in die Massentierhaltung geht und das heißt, dass auf deinem Teller, wenn du Fleisch ist, dann auch Soja landet und eigentlich dein Fleischkonsum den Regenwald zerstört.“ Und du kannst dann nochmal irgendwie so ein paar Fakten für dich zurechtlegen, dass du dann weißt, okay, in so einem Fall kannst du es ganz leicht entkräften. Wenn du das nicht auswendig lernen möchtest oder gerade einfach nicht parat hast, kannst du sagen, nee, das glaube ich nicht, aber lass uns doch mal zusammen nachschauen und dann hast du bestimmt irgendwo Zugriff auf ein Smartphone oder irgendwie aufs Internet und kannst dann mal in der Suchmaschine deiner Wahl nach diesen Prozentzahlen gucken und dann gemeinsam schauen und sagen, okay, ich guck mal hier, so und so. Soja für Tofu ist definitiv ein sehr geringer Anteil und das meiste, 80 Prozent, geht auf jeden Fall für die Massentierhaltung drauf und du kannst natürlich dann noch hinzufügen, dass du halt nur Sojaprodukte konsumierst, wo du weißt, dass das Soja aus Europa stammt, vielleicht aus Österreich oder Frankreich und das so entkräften. Also da sind solche vorgelernten Antworten sinnvoll.
Wenn es aber eher um zwischenmenschlichere Kommentare geht und diese Fragen, ja, warum kannst du denn jetzt nicht mal eine Ausnahme machen oder stell dich nicht so an oder was siehst du das immer so ernst, also so Dinge, die uns eher persönlich betreffen, dann kann ich dir vorgefertigte Antworten nicht empfehlen, denn es geht, wie gesagt, um die innere Haltung. Und es geht im ersten Schritt darum, dass du dir selbst gegenüber eine liebevolle, authentische, empathische Haltung entwickelst und das hört sich jetzt so einfach an und das ist natürlich wieder nicht.
Denn die meisten von uns haben einige Päckchen zu tragen, die sie erst einmal bearbeiten müssen, bevor sie wirklich ihren Emotionen begegnen können und viele von uns mussten abstumpfen, mussten sich verstellen, um überhaupt überleben zu können, was nicht immer der Familie geschuldet ist, sondern vor allem eben auch dem Umfeld in der Schule und dem Schulsystem, das wir durchlaufen haben und je nachdem, was für ein Typ Mensch wir sind, konnten wir das besser wegstecken und weniger gut wegstecken. In jedem Fall hat uns die Schule aber nachhaltig geprägt und wir laufen alle mit dieser Prägung herum und es ist sehr schwer und anstrengend und herausfordernd, das wieder abzulegen und diesen liebevollen Blick auf sich selbst zu lernen. Die meisten von uns - nicht alle, ich will das nicht verallgemeinern, es gibt tatsächlich Menschen, die Ausnahmen, die anders aufgewachsen sind, die liebevoller aufgewachsen sind und mehr Bestärkung bekommen haben - die meisten von uns werden gehört haben, dass Eigenlob stinkt und dass wir uns eben nicht um uns selbst kümmern sollen, sondern dass das selbstsüchtig ist und egoistisch und dass wir möglichst uns selbst zurückstellen und uns und unseren Bedürfnissen keinen hohen Stellenwert einräumen sollen.
Genau das ist jetzt das Problem, über das wir stolpern und wo wir uns stark verstrickt haben, weil es nämlich enorm wichtig ist, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, um überhaupt authentisch kommunizieren zu können und das ist auch die Grundlage der gewaltfreien Kommunikation, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und kommunizieren lernen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ein langer Weg sein kann und dass es auch ein harter Weg sein kann und dass es definitiv ein lebenslanges Lernen bedeutet, dass es aber leichter wird, wenn wir überhaupt mal den ersten Schritt machen. Ich kann dir sagen, es geht überhaupt gar nicht um Egoismus oder egozentrisch sein oder andere vernachlässigen, sondern diese liebevolle Haltung uns selbst gegenüber und das Berücksichtigen unserer eigenen Bedürfnisse ist die Grundlage dafür, dass wir anderen erst helfen können und dass wir unsere Energie frei entfalten können.
Damit meine ich jetzt unsere körperliche Energie, die wir zur Verfügung haben, um unsere Bedürfnisse zu verfolgen und unsere Projekte zu verfolgen, unsere Wünsche und was uns antreibt. Das ist meistens, wenn du so bist wie ich, dann ist das nicht egoistischer Natur, sondern wir haben diesen Wunsch auch wirklich anderen zu helfen, vor allem eben jetzt auch in diesem Kontext den Tieren zu helfen, die Welt zu retten, die Umwelt zu schützen und das sind Bedürfnisse, die wir haben und denen wir nachkommen wollen, denen wir aber nur nachkommen können, wenn wir zuerst uns um uns selbst kümmern und uns so stabilisieren, dass wir ausreichend Energie zur Verfügung haben, um diesen anderen Bedürfnissen nachzukommen. Und das ist dann eben überhaupt nicht egoistisch oder egozentrisch so zu agieren und anderen zu helfen und für sie da zu sein und Energie bereit zu stellen.
Weil ich weiß, wie schwierig das sein kann und wie anstrengend es ist überhaupt den Zugang erstmal zu bekommen, war ich sehr begeistert von dem spielerischen Ansatz von Jane McGonagal und ihrem Buch „Gamify Your Live“, was ich vor Jahren gelesen habe und woraus ich dann meine eigene Methode entwickelt habe. Mein „Gelassen vegan leben“ - Buch basiert auch auf diesem spielerischen Ansatz und ich bin so begeistert davon, weil es eigentlich genau diese Punkte auch umfasst, dass du dich um dich kümmerst, dass du eine liebevolle, empathische Haltung dir selbst gegenüber dann auch entwickeln kannst, aber auf spielerische Art und Weise. Und wenn du vorher gar nicht davon gehört hast, dass es darum geht, sich um dich selbst zu kümmern, dann merkst du das am Anfang auch gar nicht, weil es eben alles ganz spielerisch ist, also das heißt, wenn du da so ein bisschen noch eine Abneigung empfindest, weil du einfach so konditioniert worden bist, dass es nicht gut ist, sich um sich zu kümmern, dass es wichtig ist, seine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und immer erst für die anderen da zu sein, dann ist dieser spielerische Ansatz auf jeden Fall eine super Brücke, um dann letztlich dazu zu kommen, sich um sich selbst zu kümmern und diese Kraft, die du in dir hast, zu entfalten und sich dann doch am Ende wieder diesen Zielen und Bedürfnissen zu widmen, die Welt zu retten, sich um die Tiere zu kümmern und auch die Umwelt zu schützen und deine Mitmenschen liebevoll anzustiften, dass dir gleich zu tun.
Und das alles findest du auch in meinem Buch, das ich genau aus diesem Grund entwickelt habe, mit all diesen Erfahrungen und wenn du magst, dann nimm doch mal Zettel und Stift und schreib dir folgende Frage auf: „Welche Haltung wünschst du dir bei anderen dir selbst gegenüber?“ und beantworte diese Frage mal für dich, schreib sie auf, überleg mal, sinniere mal, was wünschst du dir denn von anderen, wie die sich dir selbst gegenüber verhalten, was sind da deine Bedürfnisse dahinter, hinter diesen Wünschen? Wenn du dir wünschst, dass die anderen dir mal endlich zuhören, was ist da dein Bedürfnis? Das könntest du dann nochmal gegenüberstellen und dann kannst du nochmal in nächster Zeit beobachten, wie du dich denn anderen gegenüber verhältst: ist das so, wie du es dir von anderen wünschst, wie die sich dir gegenüber verhalten sollen oder ist es anders?
Und dann danke ich dir fürs zuhören und ich freue mich, wenn du beim nächsten mal wieder mit dabei bist.
Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan
Im November 2021 ist der Von Herzen Vegan Clan ein Teil meiner damals neuen Community, des Experimentariums geworden.
Das Experimentarium gibt es seit Dezember 2022 nicht mehr.
Ich bin gerade dabei eine neue Online-Community aufzubauen. Wenn Du interessiert bist, schau doch mal vorbei: