Gut, schlecht - wer weiß das schon?

Ein Beitrag

Folge 077 - Gut, schlecht - wer weiß das schon?

Wir leben gerade in einer Ausnahmesituation und gehen teilweise täglich an unsere persönlichen Grenzen.

Momentan kommt mir immer wieder die Geschichte zu der buddhistischen Weisheit "Gut, schlecht - wer weiß das schon?" in den Sinn und darum teile ich sie in dieser Podcastfolge mit Dir.

Es geht mir dabei keinesfalls darum, Dein Leiden oder Deine Situation kleinzureden, solltest Du Dich in einer weniger priviligierten Lage befinden, als ich.

Es geht mir vielmehr darum, Dir eine Perspektive zu geben, solltest Du zur Zeit immer mal wieder mit Deiner Situation hadern.

Vollständiges Transkript

Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän in deinem veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und ich möchte in dieser Folge mit dir eine buddhistische Geschichte teilen, an die ich jetzt in letzter Zeit immer wieder denken muss, in dieser Krisenzeit, in dieser Zeit des Ausnahmezustands.

Natürlich sind wir hier in Deutschland sehr privilegiert und ich bin insbesondere privilegiert, weil ich jetzt momentan eher ländlich wohne und dadurch viel mehr Möglichkeiten habe rauszugehen und ich bin mir dessen sehr bewusst. Ich habe schon viel Kritik gelesen über Menschen, die sagen, dass sie diese Corona-Krise als Chance sehen sollten und ich verstehe natürlich, dass es viele Menschen gibt, die diese Krise sehr hart trifft und die vielleicht zum einen finanziell jetzt stark eingeschränkt sind.

Zum anderen trifft es auch Kinder, die zuhause häusliche Gewalt erfahren und jetzt dieser Gewalt viel stärker ausgesetzt sind als zuvor, weil sie nicht zur Schule gehen können und das sind natürlich alles Probleme, die vorher vor der Krise auch schon existiert haben und jetzt in dieser extremen Situation dann noch viel stärker zu Tage treten und all das will ich keinesfalls irgendwie kleinreden, auf gar keinen Fall.

Wenn du dich in einer ähnlich privilegierten Situation wie ich befindest und du finanziell abgesichert bist und es quasi „nur“ darum geht, dass du nicht durchdrehst, weil du jetzt zuhause immer wieder mit verschiedensten neuen Situationen konfrontiert wirst oder es eben darum geht, jetzt deinen Alltag neu zu strukturieren, Rückzugspunkte für dich zu finden, in dem Zusammenleben mit deiner Kernfamilie, dann kann dir vielleicht diese buddhistische Geschichte helfen. Ich habe sie jetzt gerade nicht mehr als Text vorlegen und erzähl sie dir so aus dem Gedächtnis, wahrscheinlich ist sie nicht mehr hundertprozentig so wie sie aufgeschrieben wurde, aber vom Kern her wirst du sie verstehen. Und zwar ist es wieder eine Geschichte, die ich in einem Buch von Ajahn Brahm gelesen habe, es ist also eine buddhistische Geschichte und sie geht ungefähr so:

Es gab einmal einen König vor langer, langer Zeit, der bei einem Ausritt einen Unfall hatte und sich an der Hand verletzte und es sah sehr schlimm aus und sein Leibarzt versucht ihn gesund zu pflegen und es dauerte einige Zeit und der König fragte immer: „Wird es besser werden oder schlechter?“ und der Leibarzt sagte: „Gut schlecht, wer weiß das schon?“ und das regte den König total auf und er wollte einfach wissen, ob er jetzt noch weiterleben konnte oder nicht.

Letztlich war es dann so, dass der König gesund wurde, aber es musste einen Finger von seiner Hand amputiert werden, der einfach nicht mehr zu retten war und der König war wütend auf seinen Leibarzt und sagte: „Von wegen gesund, mein Finger ist weg, das ist ja wohl unverschämt, das geht gar nicht und das ist ja wohl total schlecht und nicht gut!“ und der Leibarzt sagte dann: „Gut schlecht, wer weiß das schon?“. Daraufhin war der König so wütend, dass er seinen Leibarzt in den Kerker werfen ließ.

Als er dann am nächsten Tag wieder zur Jagd ausritt, wurde er von seiner Gefolgschaft getrennt und war ganz allein im Wald und wurde dort dann von einer Gruppe Ureinwohner·innen aufgegriffen, die ihn als Opfergabe für ihren Gott hinrichten wollte. Und er war schon gefesselt und die Vorbereitung war im vollen Gange, da rief einer dieser Ureinwohner: „Halt, das geht nicht, wir können diesen Mann nicht opfern, er hat nur neun Finger! Ihm fehlt ein Finger und für unseren Gott brauchen wir einen vollkommen Menschen mit zehn Fingern, sonst ist es keine gute Opfergabe, sondern minderwertig und dann wird der Gott uns zürnen!“

Und so wurde dann der König freigelassen und er rannte so schnell er konnte wieder nach Hause und lief dann auch direkt in den Kerker zu seinem Leibarzt und entschuldigte sich wortreich bei ihm und sagte, das täte ihm so leid und das hätte ihm jetzt das Leben gerettet, dass er diesen einen Finger verloren hatte und er hätte ihn nie in den Kerker sperren dürfen. Der Leibarzt sagte: „Nein, nein, auf gar keinen Fall, wenn ich jetzt nicht in den Kerker gesperrt worden wäre, wäre ich mit dir ausgeritten und dann hätten die Ureinwohner mich auch mit dir gefangen und ich habe ja noch alle Finger und dann hätten sie mich geopfert.“

Diese Geschichte „Gut schlecht, wer weiß das schon?“ kommt mir in letzter Zeit immer öfter in den Sinn, denn natürlich ist das mit der Corona-Krise eine Krise und eine Pandemie und ist furchtbar für viele Menschen und wir erleben jetzt momentan gezwungenermaßen in dieser extremen Situation Momente, die wir uns nicht freiwillig ausgesucht hätten und im ersten Augenblick fühlen die sich schlecht an. Das gute jetzt zum Beispiel bei mir in dieser Situation ist, dass ich tatsächlich mehr Zeit mit meinem Mann verbringen kann und wir abends einen Spaziergang machen können, was wir vorher nicht machen konnten, weil Carsten einfach so lange gearbeitet hat. Dadurch, dass die Fahrzeit jetzt wegfällt zur Arbeit, hat er mehr Zeit und wir können diese Zeit dann gemeinsam nutzen. Also gut, schlecht, wer weiß das schon.

Andererseits ist es natürlich so, dass ich jetzt mit meinem Business stark zurückstecken muss, weil ich einfach nicht damit unseren kompletten Lebensunterhalt bestreiten kann und Carsten das mit seiner Arbeit kann und deswegen muss ich so ganz klassisch zurückstecken und das wurmt mich natürlich sehr und ich würde gerne viel mehr machen, aber da ist eben noch unser Kind und um das muss ich mich kümmern. Also gut, schlecht, wer weiß das schon.

Dafür haben mein Kind und ich jetzt viele neue Möglichkeiten entdeckt, wie wir uns gemeinsam beschäftigen können und was es alles so für interessante Spiele gibt und können unsere Verbindung stärken. Also gut, schlecht, wer weiß das schon.

Carsten hat erlebt, dass seine Kolleg·innen früher immer dachten, wenn er im Homeoffice ist, dann dürfen sie ihn nicht anrufen, weil er dann da Stillarbeit macht und er will nicht gestört werden, was aber gar nicht der Fall war. Und jetzt merken sie, dass es völlig okay ist und dass sie ihn halt anrufen können und dass sie mit ihm reden können und lernen so, dass Homeoffice auch funktionieren kann, was für die Zukunft bedeuten könnte, dass er vielleicht dann einige Tage in der Woche dann Homeoffice machen kann. Also gut, schlecht, wer weiß das schon.

Wenn ich mir das so vorsage, dann hilft mir das tatsächlich nicht so sehr ins Negative abzudriften und darüber nachzudenken, wie schrecklich alles ist. Und das bremst mich auch so ein bisschen beim Höhenflug, wobei es natürlich beim Buddhismus immer um diesen mittleren Weg geht und deswegen ist es natürlich dieses ausgewogene, nicht zu negativ, nicht zu positiv. Ich finde, dass große Glücksgefühle und tiefe Schmerzen auch ihre Daseinsberechtigung haben, natürlich wünschen wir uns mehr Glücksgefühle als Schmerzen. Mir hilft eben dieses „gut, schlecht, wer weiß das schon“ in Situationen, in denen ich mich ärgere und denke, warum muss das jetzt sein? Und wenn ich dann das schaffe, diesen Switch hinzukriegen und zu sagen, okay, „gut, schlecht, wer weiß das schon“, wer weiß, wofür das gut ist, dann hilft mir das damit umzugehen.

Wie gesagt, immer mit diesem Disclaimer, dass wir hier sehr privilegiert sind und dass es Situationen gibt und Lebenssituationen, einfach, für die diese buddhistische Weisheit nicht greifen kann. Also häusliche Gewalt kann nie für irgendetwas gut sein. Aus meinem Blickwinkel ist häusliche Gewalt nichts, was du irgendwie angezogen hast, wenn du Opfer dieser Gewalt bist, was du durch irgendwelche Handlungen verdient hast oder so, sondern da bist du ganz klar das Opfer und es gibt kein „gut, schlecht, wer weiß das schon“.

Also wenn dir in deiner Corona-Isolation jetzt etwas sauer aufstößt und dich nervt und nicht existenziell bedroht, sondern tatsächlich einfach unangenehm ist und dich aus deiner inneren Mitte rausreißt, dann versuchst doch wirklich mal mit dieser Geschichte, das „gut, schlecht, wer weiß das schon“ und überlegt dir, ob das, was du gerade erlebst, vielleicht auch irgendetwas Positives hat und für irgendetwas gut ist.

Wenn du in dieser besonderen Zeit besondere Fragen hast oder dir bestimmte Themen für den Podcast wünscht, dann schreib mir gerne eine E-Mail an post [at] vonherzenvegan.de. Ja und dann freue ich mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.

Zurück

Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan

Im November 2021 ist der Von Herzen Vegan Clan ein Teil meiner damals neuen Community, des Experimentariums geworden.

Das Experimentarium gibt es seit Dezember 2022 nicht mehr.

Ich bin gerade dabei eine neue Online-Community aufzubauen. Wenn Du interessiert bist, schau doch mal vorbei:

>> Hier gehts zur neuen Community