Folge 088 - "Vystopia" von Clare Mann
Ein Beitrag
Ich habe mich sehr darauf gefreut "Vystopia" von Clare Mann zu lesen. Leider ist es bisher nur auf englisch und über Amazon erhältlich.
Aber es gibt auch eine Audioversion des Buchs und die kannst Du z.B. über audiobooks.com anhören - kostenlos als Neukunde·in im ersten Monat.
Das soll keine Werbung sein, sondern einfach nur eine Möglichkeit an dieses Buch heranzukommen... :-)
Ich habe das Hörbuch angehört und erzähle Dir in dieser Folge warum ich enttäuscht war und wann ich Dir das Buch trotzdem empfehle.
Clare Mann erklärt in ihrem Buch "Vystopia" zum einen den Begriff "Vystopia" für Veganer·innen und für Nicht-Veganer·innen, wobei sie sich auch auf Melanie Joy und den Karnismus bezieht.
Zum anderen zeigt sie Wege auf, die Dich als Betroffene·n aus der Vystopie führen und widmet einen Teil des Buches der Frage wie Du der·die beste Advokat·in für die Tiere werden kannst.
Vollständiges Transkript
Herzlich willkommen zu dieser neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und ich möchte in dieser Folge das Buch „Vystopia - the anguish of being vegan in a non-vegan world“ von Clare Mann besprechen.
Es wird nur eine kurze Besprechung, ich möchte einfach nur meinen Eindruck wiedergeben, den ich von diesem Buch gewonnen habe und dir erzählen, warum du es lesen solltest oder auch nicht. Dieses Buch ist bisher nur auf Englisch erschienen und auch nur im Selbstverlag. Du kannst es mittlerweile auch über buch7.de kaufen. Es gibt aber auch eine Audio-Version davon und die habe ich mir angehört. Und zwar über audiobooks.com, dort kannst du in deinem Gratis-Monat, dem ersten Monat dir ein Buch aussuchen, was du dir anhören kannst und ich habe dieses ausgewählt. (Ich habe mich nur deswegen bei audiobooks.com angemeldet, um mir dieses Buch anzuhören, weil ich sonst halt über die onleihe Bücher höre und das ist natürlich mit meinem Bibliotheksausweis kostenlos.) Und ich habe das gemacht, weil ein Clanmitglied gerade eine Hausarbeit zum Thema Depressionen bei Veganer·innen schreibt, also unter anderem. Und sie hat gefragt, ob jemand noch mehr Informationen zum Thema „Vystopie“ hätte als das, was wir schon genannt hatten und ich konnte ihr da jetzt nur noch das Buch empfehlen, hatte es aber noch nicht gelesen und jetzt habe ich das gemacht.
Also ich habe es nicht gelesen, ich habe es mir angehört und tatsächlich dauert es dreieinhalb Stunden sich das anzuhören. Es wird von Clare Mann selbst gelesen und ich erzähle jetzt einfach mal ein bisschen vom Inhalt und was für einen Eindruck dieses Buch bei mir hinterlassen hat.
Die Autorin Clare Mann ist eine australische Psychologin und sie hat den Begriff Vystopie und im englischen Vystopia erfunden, geprägt oder etabliert, könnte man sagen, so wie Melanie Joy den Begriff Karnismus geprägt hat. Und das ist auch schon ein gutes Stichwort, denn Clare Mann nimmt zu Beginn auch Bezug auf Melanie Joy und den Karnismus und im Grunde, wenn du das Buch Beyond Beliefs von Melanie Joy gelesen hast, sind sich die beiden Bücher doch sehr ähnlich, nur dass Clare Mann eben den Begriff Vystopie noch weiter ausbaut und nicht nur auf Beziehungen zwischen menschliche Beziehungen eingeht, sondern vor allem auch auf die Rolle des·der Veganer·in in dieser Welt.
So gibt es in diesem Buch ähnlich wie bei Beyond Beliefs auch ein Kapitel, das sich erstmal an Nicht-Veganer·innen richtet und was diesen Nicht-Veganer·innen die Weltsicht der Veganer·innen erklärt. Die Beispiele, die Clare Mann da nutzt, sind anders als die, die Melanie Joy nutzt, aber nichtsdestotrotz fand ich sie doch sehr treffend und ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich gemerkt habe, wie meine Prägung reagiert hat, dass ich tatsächlich genau so reagiert habe, obwohl ich vegan lebe und ethisch motiviert bin, wie Clare Mann es vorausgesehen und beabsichtigt hatte.
Ein Beispiel picke ich mal heraus und zwar erzählt Clare Mann, dass sie in ihrer Vergangenheit als Psychologin schon mit vielen Missbrauchsfällen konfrontiert gewesen sei, aber ihr ein Fall besonders in Erinnerung geblieben ist und das war der Fall einer jungen Frau, die als Produkt eines Missbrauchs entstanden war und nun das gleiche Schicksal erwarten sollte, wie ihre Mutter, die als junge Frau immer wieder geschwängert worden war und der ihre Kinder entrissen wurden und die einfach nichts dagegen tun konnte. Und sie erzählt es so, als sei es wirklich einem Menschen passiert und das hat bei mir tatsächlich solche Emotionen ausgelöst, „oh mein Gott, wie kann denn so was passieren?“ bis mir dann aufgegangen ist, dass sie natürlich von einem Kalb und einer Kuh spricht und dann hat bei mir genau das eingesetzt, was sie eben vorausgesehen hat, dass ich wieder gedacht habe, das ist ja schon fast normal.
Und das hat mir auch nochmal meine Prägung vor Augen geführt, dass ich das normal finde, diese Praxis, dass Kühen ihre Kälber weggenommen werden und wenn es weibliche Kälber sind, sie die gleiche Laufbahn wie ihre Mütter dann beginnen müssen und ich fand es einfach erschreckend zu sehen, wie tief diese Prägung doch bei mir geht und fand es schon gut, wie sie das gemacht hat, dass sie dann in diesem Kapitel für Nicht-Veganer·innen diese Mechanismen nochmal dargelegt hat.
Das Buch richtet sich an ethisch motivierte Veganer·innen, die sich gerade in einer Vystopie befinden, die traumatisiert sind durch das, was sie herausgefunden haben und die täglich, stetig, immer wieder retraumatisiert werden, dadurch, dass sich einfach das in der Welt ja noch nicht geändert hat. Wir leben noch nicht in einer veganen Welt und wir werden deswegen immer und immer wieder mit dem Auslöser konfrontiert, weswegen wir vegan geworden sind.
Und wenn ich diese Zielgruppe als Grundlage nehme, dann habe ich das Gefühl, dass dieses Buch doch zu sehr triggert. Also wenn du dich gerade in einer eher depressiven Phase befindest, dann würde ich dir das Buch nicht empfehlen, denn Clare Mann geht doch immer und immer wieder, über das ganze Buch hinweg, auf Beispiele ein, die ich so natürlich kenne, die Auslöser sein können für eine Depression und dafür, dass du immer tiefer versinkst in diese Vystopie. Sie nennt zwar auch Möglichkeiten, wie du da wieder rauskommst, aber letztlich war es für mich von der Empfindung her, als ich das Hörbuch gehört habe, doch zu vollgepackt mit diesen möglichen Auslösern, Beschreibungen von der Welt in der wir leben, als dass es mich dann bestärkt.
Also während ich das Buch gehört habe, hatte ich das Gefühl, dass sie immer und immer wieder diese Wunden aufkratzt, die ich mir zugezogen habe, weil ich mich entschieden habe, vegan zu leben und dass sie immer mal wieder da rein pikt in die Wunde und dann zwar auch erzählt, was du tun kannst, aber immer wieder in dieser Wunde rührt und das hat bei mir einfach kein durchweg positives Gefühl für dieses Buch hinterlassen. Ich persönlich kannst dir wirklich nur empfehlen es zu lesen, wenn du dich einigermaßen gefestigt fühlst. Also wenn du gerade wirklich in einer depressiven Phase bist oder gerade sowieso dich angegriffen fühlst, dann würde ich es dir nicht empfehlen, dieses Buch zu lesen.
Ich hatte in den beiden vorangegangenen Folgen zum Thema Vystopie schon erzählt, was Clare Mann als Hilfe und als Lösung ansieht, um aus der Vystopie wieder herauszukommen. Das hat sie hier in dem Buch auch wieder dargelegt, ein bisschen detaillierter. Du merkst auf jeden Fall, wenn du das Buch hörst oder liest, dass sie eine engagierte Tierrechtsaktivistin ist und dass sie aus diesem Aktivist·innen-Umfeld kommt und das schon viele Jahre macht und dementsprechend auch irgendwie nur da die Lösung sieht.
Ich lese und höre diese Aufforderungen immer wieder, die sie auch in diesem Buch beschreibt, wie du zu sein hast als Veganer·in in dieser nicht veganen Welt, um dann letztlich die Welt zu einer besseren Welt zu machen und der·die beste Advokat·in für die Tiere zu sein und sie schlägt mit diesem Buch in die gleiche Kerbe.
Sie sagt zum Beispiel, „to play our part in a vegan world, you must become the best invitation you can be to others.“ Frei übersetzt: „um deinen Teil in dieser veganen Welt zu spielen, musst du die beste Einladung werden für andere“ und sie sagt zwar auch, dass das erstmal bedeutet, dass du dich deinen Ängsten, deinen Gefühlen dem ganzen Negativen stellen solltest und dich erstmal um dich selbst kümmern, aber es steckt eben bei ihr so ein gewisser Druck dahinter.
Im letzten Drittel des Buches habe ich die ganze Zeit das Gefühl, dass sie mich dazu bringen will, einer Sekte beizutreten, die gewisse Regeln befolgen soll, um diese Welt zu einer anderen Welt zu machen. Gerade im letzten Teil erzählt sie viel darüber, wie Verkaufstechniken uns helfen können, als Veganer·innen andere Menschen zu veganisieren und sie sagt Dinge wie, „your job is to be a great salesperson, so you don't let the team or the animals down.“ Frei übersetzt: „dein Job ist es, eine perfekte, tolle, super Verkaufsperson zu sein, so dass du das Team, (das sind die Veganer·innen) oder die Tiere nicht im Stich lässt.“
Und ehrlich gesagt, gerade diesen Part finde ich sehr problematisch, weil das mit den Verkaufstechniken doch ganz stark in die Richtung geht, wie diese Menschen, die geschult werden, um an den Ständen, die du in der Stadt so siehst, dann Verträge zu machen. Also die auf dich zugehen und sagen: „hier spende für das und das und das“ und dich in Gespräche verwickeln und versuchen halt für einen guten Zweck zwar, aber trotzdem für sich dann irgendwo auch diese Verträge abzuschließen. Und jedes Mal, wenn ich durch solche Stände mich lavieren muss, habe ich ein ganz schreckliches Gefühl und das hat ganz viel natürlich auch mit Psychologie zu tun und das ist wirklich nicht das, wie ich sein möchte, auf gar keinen Fall.
Und deswegen kann ich das einfach auch nicht gut heißen, so etwas in ein Buch zu schreiben und Veganer·innen mit auf den Weg zu geben, sie sollen doch bitte sich zu guten Verkäufe·rinnen ausbilden und dann auch noch - bloß keinen Druck aufbauen - zu sagen: okay, sonst lässt du die anderen Veganer·innen oder die Tiere im Stich. Sie ergänzt es auch mit, „you must become a great Communicator, sell veganism“ und die ganze Zeit kommt immer, „you must, you must.“ Bei mir löst es immer gleich so eine Abwehrreaktion aus, weil ich wirklich der Meinung bin, dass das nicht der Weg sein kann.
Sie stellt da auch Punkte vor, was du tun kannst und sollst auch als Veganer·in. Dazu gehört „educate yourself, lifelong learning“ und „become an exquisite Vegan Communicator. You must learn to communicate effectively“ Als Übersetzung: Es geht ihr darum, dass du ein Leben lang lernst, da habe ich auch überhaupt gar kein Problem mit, nur es sollte halt kein Imperativ sein, sondern es sollte mir freistehen, mich selbst dazu entscheiden, was ich lernen möchte. Und ich finde eben gerade das sehr problematisch zu sagen, es kommt halt quasi diese Aufgabe mit dem Vegan sein, dass du so gut ausgebildet wie möglich sein musst, auf alle Fragen eine Antwort haben solltest und dieses „to be a great Communicator“, also dich in Gesprächstechniken ebenfalls fortbilden solltest.
Am besten solltest du eben auch sehr gerne sprechen und das ist ja der nächste Punkt, ich denke: aber was ist dann Menschen, die einfach introvertiert sind und Menschen, die einfach nicht gerne reden oder nicht gerne mit anderen oder vor anderen reden oder einfach schüchtern sind oder was auch immer? Also wieso müssen denn alle Veganer·innen jetzt zu so einer genormten Elite-Einheit ausgebildet werden? Denn genau so kommt es bei mir an, wenn ich das höre, dieses Bild von einer Elite-Einheit, von einer Sekte, von Verkäufer·innen, die zum Wohle der Tiere sich da in den Kampf stürzen.
Und sie ist ja nicht die einzige, die so argumentiert. Diese Argumente höre ich eigentlich überall in der veganen Welt, in der veganen Blase von allen möglichen Menschen, die immer und immer wieder damit argumentieren, dass du eine gewisse Verantwortung trägst, wenn du vegan lebst und nur gut für die Tiere und den Veganismus bist, wenn du einer gewissen Norm entsprichst. Und das spricht Clare Mann in ihrem Buch eben auch nochmal an, wenn sie sagt, „many people resist when they see a distressed vegan, you become attractive when you“ und so weiter und so fort. Das heißt so viel wie, dass viele Menschen das abstoßend finden, wenn du irgendwelche negativen Gefühle zeigst. Du sollst dein „happy face“ sozusagen aufsetzen, du sollst also eine gewisse Rolle spielen. Und das sagt sie eben dann auch nochmal im Buch: „the best thing a vegan can do is to be a great example of a happy, adjusted, open-minded, caring person who also happens to be vegan.“ Was auf Deutsch übersetzt ungefähr bedeutet, dass das Beste, was ein·e Veganer·in tun kann, ist, ein super Beispiel zu sein von einer fröhlichen, in sich ruhenden, glücklichen, offenen, mitfühlenden Person, die zufällig auch noch vegan lebt.
Und mal ganz ehrlich, kein Druck, ne? Also jedes Mal, wenn ich das höre, dass sagen so viele Menschen, dass wir diesen äußeren Auftrag haben, so zu sein. Und dass wir möglichst gesund sein sollen, das sagt sie auch in dem Buch, dass es total wichtig ist, dich gesund zu ernähren, kein fast food, sondern eben whole food, plant-based diet und da dann auch möglichst die ganzen nutrition facts zu haben, also die ganzen Nährstoffe zu wissen und überhaupt solltest du eine erweiterte Datenbank in deinem Gehirn haben, wo du alle Fakten zum Thema Veganismus präsent hast und jetzt, boah, hallo, wer macht denn das?
Also ich weiß, ja, es gibt viele Menschen, die versuchen so zu sein, also viele Veganer·innen, die versuchen diesem Ideal zu entsprechen, aber ich finde, das musst du nicht. Denn das Interessante ist ja auch immer, das gesagt wird, ja, wir als Veganer·innen sollten dieser Norm entsprechen und möglichst die ganze Zeit mit so einem dicken Grinsen durch die Welt laufen, aber die Nicht-Veganer·innen sollten wir so nehmen, wie sie sind, dort abholen, wo sie stehen, solche Geschichten auf Augenhöhe, also ich kenne noch mehr solche Floskeln. Also jedenfalls, das ist ja gerade dieses, auf der einen Seite sollen wir als Veganer·innen dieser Super-Happy-Yay-Norm entsprechen, aber die anderen, die dürfen so sein, wie sie sind. Aber nur so lange, wie sie halt nicht vegan leben, weil wenn sie vegan leben, rekrutieren wir sie ja in unsere vegane Armee, in unsere Elite-Einheit und dann müssen sie ja wieder so werden, wie wir, also dieser Norm entsprechen, damit sie wiederum dann Nicht-Veganer·innen möglichst attraktiv anziehen.
Und es stört mich kolossal - es tut mir leid, jetzt habe mich hier gerade ein Rage geredet, aber es stört mich echt kolossal, dass diese Anspruchshaltung unter Veganer·innen besteht. Ich verstehe, dass es wichtig ist, die Welt zu veganisieren für die Tiere, für den Planeten und letztlich auch für uns selbst. Ich wehre mich aber dagegen, dass wir alle, wie in Brave New World, gleichgemacht werden. Dass wir gewissen Kasten angehören sollen, dass wir genormt werden, dass wir am besten noch geklont werden und dann in diese Elite-Einheit über die Erde marschieren.
So sagt Clare Mann in ihrem Buch: „each of us must be the best we can be, a self-reflective individual who can proudly answer ‚yes‘ to the question, ‚would I follow me‘?“ Übersetzt ungefähr jeder und jede von uns sollte ein sich selbstbewusstes reflektiertes Individuum sein, dass stolz sagen kann, „ja, ich würde mir folgen“. Und ich hatte ehrlich gesagt mehr von Clare Mann erwartet, da sie doch Psychologin ist. Und ich befürchte, dass ihre Tierrechtsaktivist·innen-Selbst da in den Vordergrund tritt und quasi das Zepter in die Hand nimmt gegenüber der Psychologin, denn ich denke, eine Psychologin sollte mir nicht sagen, so und so hast du zu sein, sondern sie sollte mir Möglichkeiten aufzeichnen, sie sollte mich begleiten und sie sollte mir Wege zeigen, wie ich aus meiner Depression rausfinden kann, möglichst ohne mich unter Druck zu setzen.
Und das finde ich nämlich gerade in dem Buch nicht. Sie zeigt zwar Wege daraus, aber die sind eben sehr limitiert. Es geht darum, dass du aktiv wirst für die Tiere, für den Veganismus und ja, das kann ich auch unterstreichen. Die Selbstwirksamkeit zu erhöhen, aktiv zu werden, ist ein sinnvoller Weg daraus, aber ehrlich gesagt nicht mit diesem Druck, den sie da aufbaut, wo sie die ganze Zeit von you must, you must, you must spricht und mir erzählt, wie ich zu sein habe und wie ich mein Ich formen soll, meine Persönlichkeit formen soll, damit ich halt die Tiere und den Planeten und das Team eben nicht im Stich lasse. Und wenn ich denke, ich fühle mich stabil - ich persönlich jetzt, ich als Stefanie - und wenn ich mich aber da rein versetze, dass ich gerade in einer nicht stabilen Situation bin, dass ich mich also labil fühle und eben deswegen zu diesem Buch greife und denke, ja, Vystopie, das ist genau das, wie ich meine Situation beschreiben würde und jetzt lese ich das, dann würde ich mich ganz stark unter Druck gesetzt fühlen, dass ich jetzt einem gewissen Bild entsprechen muss, das eben nicht mir selbst entspricht.
Ja, es gibt Menschen, die diesem Bild entsprechend ganz freiwillig und von ihrer Natur aus. Aber das ist eben nur ein Teil der Menschheit. Und es ist doch gerade schön, dass wir bunt und vielfältig sind. Und dass wir nicht alle dieser genormten Form entsprechen, sondern dass Veganer·innen in allen Formen, Farben, Größen und Temperamenten, Charakteren und ja, allem, was dir noch einfällt, auf dieser Welt existieren können. Was für ein Vorbild bin ich, wenn ich Teile von mir verneine, verleugne und ja, Teile von mir abspalte quasi. Und was bedeutet das bitte psychologisch?
Ganz zum Schluss, zum Ende des Buchs, in den letzten drei Minuten ungefähr von dem Hörbuch, sagt Clare Mann, dass es vielleicht auch sein könnte, dass du eben nicht der Typ bist, um viel zu reden oder so. Also, dass es sein könnte, dass es dir nicht liegt. Dann kannst du vielleicht auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen und sie erwähnt irgendwie zwei, drei Beispiele. Aber das kommt in den letzten drei Minuten oder vielleicht sind es auch vier Minuten. Aber jedenfalls ganz zum Schluss erwähnt sie das in fünf Nebensätzen, dass es auch möglich sein könnte, dass du halt jetzt nicht gerne kommunizierst oder dir das einfach nicht so liegt, nach draußen zu gehen, auf die Straße zu gehen, Menschen anzusprechen und richtig aktiv in dem Sinne zu sein, dass du Straßenaktivismus zum Beispiel machst.
Und ja, das ist nett, dass sie das dann noch erwähnt so in den letzten Sätzen. Aber wenn ich das Buch bis dahin gelesen habe, dann fühle ich mich ja schon so, als ob es eigentlich nur diese eine Möglichkeit gibt, vegan zu leben. Und sonst, wenn ich das halt nicht mache, das schwingt ja die ganze Zeit mit, wenn ich das nicht mache, dann lasse ich die Tiere und die anderen Veganer·innen im Stich, dann schade ich dem Veganismus. Ich habe da schon mit Carsten im Einfach Vegan Podcast eine Folge zu gemacht, weil mich diese Haltung so aufregt, das tut mir leid, dass ich das jetzt wieder hier thematisieren muss. Aber es muss einfach raus, weil mir das jetzt ständig immer und immer wieder begegnet. Und eben auch in diesem Buch, was mich einfach in dieser Hinsicht dann auch enttäuscht hat.
Ich dachte eigentlich wirklich, dass Clare Mann als Psychologin da einen anderen Ansatz hat. Und mir war schon klar, dass sie Aktivismus und Gemeinschaft als die beiden Faktoren sieht. Aber ich hatte einfach die Hoffnung, dass sie nicht in die gleiche Kerbe schlägt, wie all die anderen, die uns Veganer·innen sagen, wie wir zu sein haben sollen, damit wir das beste Aushängeschild werden für den Veganismus. Und so ist dieses hier eine eingeschränkte Lese-Empfehlung nur für das Buch. Wenn du dich informieren willst über den Begriff Vystopie oder Vystopia, dann kann ich dir das Buch empfehlen. Wenn du es einfach lesen willst, mit der Vorwarnung, dass Clare Mann da sehr viel drüber schreibt, wie du als Veganer·in zu sein hast. Wenn du das im Hinterkopf hast und gewappnet bist, dann kannst du das Buch durchaus lesen. Es hat auf jeden Fall auch lesenswerte Passagen. So aus wissenschaftlicher Sicht denke ich, ist es sinnvoll, sich da nochmal durchzuarbeiten.
Nur wenn du dir jetzt erste Hilfe erhoffst von diesem Buch, weil du gerade in einer schweren Situation bist, dann würde ich es dir grad nicht empfehlen, weil es einfach zu viel Druck aufbaut und zu viele Situationen beschrieben werden, die dich dann wieder triggern werden. Also als Hintergrundlektüre, wenn du dich weiterbilden willst schon, als erste Hilfe kann ich es einfach nicht empfehlen. Das sollte jetzt eigentlich nur eine ganz kurze Buchbesprechung werden. Jetzt ist es doch länger geworden, weil ich mich so echauffieren musste. Es tut mir leid. Ich kann das aber einfach nicht mit mir selbst vereinbaren, dich da nicht vorzuwarnen vor diesen Aspekten. Und ich finde es super wichtig, dich darauf hinzuweisen, dass es auch noch andere Wege geben kann, als immer dieser Norm entsprechen zu müssen.
Denn du bist gut so, wie du bist. Du musst nicht anders sein. Wenn du nicht dieser Norm entsprichst, ist das völlig in Ordnung. Du gehst deinen Weg. Es ist dein Weg. Es ist dein Leben. Du tust das für die Tiere. Und du darfst trotzdem du selbst sein und auf deine Art aktiv sein, so wie es deinen Möglichkeiten entspricht. Denn da draußen sind viele Menschen, die dir vielleicht ähnlich sind und die eher sich von einem Veganer oder einer Veganerin angesprochen fühlen, die oder der so ist wie du. Und so möchte ich dich zum Schluss bestärken, dass du deinen Weg so weiter gehst, wie es für dich am besten ist. Schritt für Schritt, in kleinen Schritten, jeder Schritt ist wertvoll.
Und dann danke ich dir fürs Zuhören und ich freue mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.
Links zur Folge
Wo Du das Buch "Vystopia" von Clare Mann findest
https://vystopia.com/
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