Krisen meistern mit Geschichten

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Folge 090 - Krisen meistern mit Geschichten

Geschichten erzählen und schreiben hat eine ganz besondere Kraft.

In dieser Folge spreche ich darüber, wie Dich das Schreiben einer Geschichte aus einer Krise herausführen kann und wie Du Herausforderungen in Deinem Leben mit dem Erzählen dieser Situation meistern kannst.

Dabei gehe ich auch kurz auf Forschungsergebnisse ein, die in der Psychologie heute (Ausgabe 06/2020) veröffentlicht wurden.

Inspiriert hat mich ein Clanmitglied zu dieser Folge, da es gegenwärtig eine Fan-Fiction-Geschichte schreibt und diese ihm hilft auch seine eigene Lebensgeschichte zu reflektieren und teilweise in ein anderes Licht zu setzen.

Nutze das Geschichtenschreiben als Werkzeug, um Herausforderungen in Deinem Alltag in einer nicht-veganen Welt zu meistern.

Vollständiges Transkript

Herzlich Willkommen zu dieser neuen Folge des Von Herzen Vegan Podcasts, der dir hilft, dich gelassen und souverän durch deinen veganen Alltag zu bewegen. Ich bin Stefanie und ich möchte heute über die Macht des Erzählen sprechen.

Geschichten zu erzählen ist nicht nur ein schöner Zeitvertreib oder Wissen an andere weiterzugeben, Lagerfeuerromantik oder ähnliches, sondern es ist auch ein gutes Werkzeug, um Krisen zu bewältigen. Ich nenne dir mal das Beispiel einer Kundin, die zu einer Geburtstagsfeier eingeladen war und als sie dort vor Ort war, gesehen hat, dass dort ein ganzes Spanferkel gegrillt wurde und diese Anblick hat sie stark schockiert, was für jede·n Veganer·in und wahrscheinlich auch Vegetarierinnen sehr verständlich ist. Für die Nicht-Veganer·innen, die damals dort anwesend waren, war das überhaupt nicht verständlich. Die konnten das Entsetzen einfach nicht verstehen.

Und dieses Erlebnis hat meine Kundin, ich gebe ihr mal einen anonymisierten Namen, nennen wir sie Sarah, hat Sarah damals sehr stark verfolgt und wir haben da auch mehrmals darüber gesprochen und letztlich hatte ich ihr geraten, eine Geschichte zu schreiben, nämlich das Erlebnis noch einmal aufzuschreiben, aber so als würde sie eine Geschichte über sich aus einer neutralen Perspektive in der dritten Person singular schreiben, also zum Beispiel, „Sarah betrat die Geburtstagsfeier und das erste, was sie sah, war dieses Spanferkel.“

Dann beschreibst du was für Gefühle da hochkommen, wie sie reagiert hat und es alles so als sei es einer anderen Person passiert. Das hilft tatsächlich Abstand zu gewinnen zu diesem Erlebnis und es nochmal zu reflektieren und zu überlegen: warum hat Sarah in diesem Moment so reagiert und nicht anders, wie hätte sie vielleicht anders reagieren können und dann auch alternative Geschichten dazu zu schreiben und sich zu überlegen, wie könnte Sarah in diesem Moment reagieren, was könnte sie tun, um sich selbst zu schützen, wie könnte sie mit diesem Erlebnis anders umgehen?

Da ist dann der spielerische Ansatz sehr hilfreich, diese Geschichte so zu untersuchen, als sei es ein Rätsel und so neugierig und forschend daran zu gehen und nicht verurteilend, sondern tatsächlich offen und zu überlegen, warum hat sie das bloß getan und warum haben die anderen das getan und wie hätte diese Situation anders laufen können?

Das erfordert natürlich Mut, dich noch einmal mit dieser Situation auseinanderzusetzen, noch einmal in diese Gefühle einzutauchen, die du dort hattest. Es ist aber definitiv auch heilend, weil du dann, wenn du das aus dieser neutralen Perspektive betrachtest und daraus auch besprichst und analysierst, einen gewissen Abstand dazu gewinnen wirst und diese Geschichte nicht immer und immer wieder dich verfolgen wird oder in den unangenehmsten Momenten hochkommt. Vielleicht kannst du nicht einschlafen, weil du es immer wieder vor Augen hast und es hilft dir diese Krise zu meistern.

Ich hatte jetzt passend zu diesem Thema eine Ausgabe der „Psychologie heute“ gelesen zum Thema „An Krisen wachsen und wie wir mit Lebenskrisen umgehen“ und habe da einen sehr guten Artikel gefunden, in dem genau das, nämlich die Macht der Geschichte, die Macht der Worte, das Erzählens noch einmal wissenschaftlich beleuchtet wird aus verschiedenen Sichtweisen.

Manche Forscher·innen sagen, dass es helfen kann, wenn du einen Sinn in dem Erlebten findest. Wenn du also eine Erklärung für diese Krise, dieses Erlebnis finden kannst, dass du dann in deine große Lebensgeschichte mit einbauen kannst. Das kann helfen - hier aber Vorsicht, es ist nicht hilfreich, wenn du versuchst, den Sinn irgendwie übers Knie zu brechen quasi, da rein zu interpretieren, obwohl du das gar nicht so empfindest, obwohl du eigentlich gar keinen Sinn darin siehst, was dir passiert ist und es gibt einfach Situationen, wo es wirklich schwer ist und eine besondere Vorstellungskraft erfordert, darin einen Sinn zu sehen, dass dir das passiert ist und nur weil du jetzt keinen Sinn in der Krise in der Situation in dem Erlebten sehen oder finden kannst, bist du deswegen kein schlechter Mensch.

Es kann hilfreich sein, einen Sinn darin zu finden, diese Krise zu überwinden, aber es ist kein Muss. Wichtig ist, dass du das Gefühl behältst, dass dir das Leben nicht einfach so passiert, sondern dass du die treibende Kraft in deiner Lebensgeschichte bist. Du bist der·die Held·in deines Lebens und du schreibst deine Geschichte und ja, manchmal kommt es einem so vor, als würden einem Dinge passieren und das Leben passiert einem und nicht du selbst lebst dieses Leben und dann ist es wichtig, innezuhalten und zu überlegen, wie du wieder zur treibenden Kraft werden kannst, wie du den Stift, mit dem du die Geschichte deines Lebens schreibst, wieder in die Hand nehmen kannst und die Geschicke wieder selbst leiten kannst.

Und hierbei möchte ich dich unterstützen, deine Geschichte zu finden, deinen Weg. Es gibt einfach nicht nur einen Weg, sondern es gibt deinen Weg und deinen Weg in dieser nicht veganen Welt zu finden, deine Geschichte zu schreiben und deinen Abenteuer zu meistern, mit deinen Herausforderungen ganz individuell an dich angepasst. Und mein Buch, was dir dabei helfen soll, „Dein Reisebuch für ein Leben in einer nicht veganen Welt“, kann deine Alltagsbegleitung sein. Deine Reisebegleitung, die dich unterstützen soll, deinen Weg zu finden und deinen Weg zu gehen.

Und auch im Clan nutzen Mitglieder die Kraft des Schreibens, um sich selbst über ihre eigene Lebensgeschichte klar zu werden. Und das hat mich auch noch mal inspiriert, hier diese Folge aufzunehmen, weil da auch klar wurde, dass dieser Prozess des Schreibens ein wunderbarer Prozess ist, um dich selbst zu finden, dir über dich selbst bewusst zu werden und eben auch Krisen zu meistern.

Und ich möchte dazu auch nochmal einen Abschnitt aus der „Psychologie heute“ zitieren, die ich vorhin erwähnt habe. Und zwar geht es hier um expressives Schreiben und der Abschnitt lautet so: „Expressives Schreiben hat etwas Heilsames. Das hat James Pennebaker in vielen Arbeiten empirisch belegt. Pennebaker hat ein Selbsthilfeprogramm entwickelt, um traumatische Vorfälle und emotionale Krisen rückblickend aufzuarbeiten, indem man darüber schreibt. An vier Tagen jeweils 20 Minuten ohne Unterbrechung. Doch es gilt die Ausflipp-Regel: Brechen Sie ab, sobald Sie spüren, dass Sie an Ihre Schmerzgrenzen stoßen.

  • Tag 1. Schreiben Sie über eine emotional aufwühlende Episode, die Ihr Leben grundlegend beeinflusst hat. Schreiben Sie über das Ereignis selbst, sowie darüber, wie Sie sich damals fühlten. Und wie es sich jetzt anfühlt, wenn Sie daran denken. Versuchen Sie, sich zu öffnen.
  • Tag 2. Schreiben Sie erneut über dasselbe oder ein anderes Ereignis. Versuchen Sie diesmal vor allem, es mit anderen Bereichen Ihres Lebens in Beziehung zu setzen. Wie hat es Ihr Verhältnis zu Angehörigen und Freunden beeinflusst? Ihre Arbeit, Ihr Selbstbild und die Art, wie Sie über Ihre Vergangenheit denken?
  • Tag 3. Wieder wird das krisenhafte Ereignis beschrieben. Aus unterschiedlichen Perspektiven und Standpunkten. Erlauben Sie sich diesmal vor allem die Bereiche anzusprechen, in denen Sie sich besonders verletzlich fühlen. Nach Pennebakers Erfahrung ist der dritte Tag besonders kritisch, denn erst jetzt stoßen die Teilnehmer oft auf Themen, denen sie bis dahin aus dem Weg gegangen sind.
  • Tag 4. Nun ist es Zeit, einen Schritt zurückzutreten. Denken Sie an die Ereignisse, Themen, Gedanken und Gefühle, die sie in ihren Texten offenbart haben. Was haben Sie durch die Krise in Ihrem Leben verloren, aber vielleicht auch gewonnen und dazugelernt? Setzen Sie alles daran, Ihre Erfahrungen zu einer Geschichte zu verbinden, die Sie in die Zukunft mitnehmen können.
  • rät Pennebaker.“

Hier steht noch „Die ausführliche Anleitung samt Auswertung und Rat finden Sie in dem Buch „Heilung durch Schreiben“ - ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe von James W. Pennenbaker und ich werde das dann in den Shownotes verlinken. Dieser Ausschnitt stammt aus der „Psychologie heute“ 6.2020.

Ich konnte die „Psychologie heute“ über die Onleihe ausleihen. Vielleicht hast du auch die Möglichkeit dazu, das zu machen. Um das alles wissenschaftlich zu belegen, zitiere ich hier nochmal einen Abschnitt aus der „Psychologie heute“:

“Es kommt darauf an, zu verstehen, was eigentlich passiert ist und das geht am besten, indem man das Geschehen in eine stimmige Geschichte packt. Psychoanalytiker Habermas erklärt: ‚Ein Erlebnis nicht nur zu erinnern, sondern auch zu erzählen, bedeutet, dass ich es sehr stark strukturieren muss. Wer etwas erzählen will, muss die Ereignisse ja nicht nur in eine zeitliche Abfolge bringen, sondern auch überlegen, was wozu geführt hat. Was wollte ich, was der andere, was waren die Folgen. Wenn ich das Erlebnis erzähle, deute ich es gleichzeitig und versuche es anderen und mir selbst verständlich zu machen.‘ so Habermas. Sich auf sein Leben einen Reim machen zu können ist wichtig. Gelingt das, sprechen Fachleute von einem Gefühl der Kohärenz, also dem wohltuenden Empfinden von Zusammenhang, Bedeutung und Sinn in dem eigenen Dasein. Dieses Kohärenz-Befühl verringert das Risiko, depressiv zu werden und verlängert dadurch sogar die Lebenserwartung wie eine große Langzeitstudie eines Teams um Ari Haukala von der Universität Helsinki ergab.

Es reicht aber nicht, wenn die Geschichte des eigenen Lebens und seiner Tiefpunkte kohärent ist. Kohärent wäre schließlich auch eine Geschichte, in der der Betroffene ständig versagt und dem stetig übel mitgespielt wird. Besser ist es, eine Geschichte zu finden, in der man als Held in eigener Sache das Heft in die Hand nimmt und feststellt, dass man das eigene Schicksal beeinflusst kann. Psychologen nennen die Fähigkeit dazu Agency. Sie entspricht dem, was gemeinhin als Kämpfernatur bezeichnet wird. Der Held solcher Geschichten stellt sich tapfer schweren Krankheiten und anderen Zumutungen des Lebens entgegen.“

Und genau das ist meine Intention mit meinem Buch, dich dabei zu unterstützen, dass du die treibende Kraft in deinem Leben bist, dass du das Heft in der Hand behältst und deine Geschichte findest. Das heißt nicht, dass du immer stark sein musst und immer perfekt und immer das Beste und alles und überhaupt tun musst, sondern es heißt einfach, dass du dein Leben lebst und nicht gelebt wirst.

Und eine Möglichkeit mit Krisen umzugehen, die uns als Veganer·innen in unserem Alltag leider immer wieder passieren, ist, eine Geschichte zu schreiben oder Geschichten zu schreiben, generell zu erzählen. Also wenn du das nächste Mal mit einer Situation haderst, dann nutze die Macht des Erzählens und setz dich hin und schreib eine Geschichte über das, was du erlebt hast.

Und dann danke ich dir fürs Zuhören und ich freue mich, wenn du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist.

Links zur Folge

Buch: "Heilung durch Schreiben" von James W. Pennebaker
z.B. bei buch7.de

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