Folge 125 - Wie vegan ist Wein?
Ein Beitrag
In dieser Folge
- halten wir es mal kurz und knapp,
- erklärt der Winzer Harald Scholl im Mini-Interview, wie vegan Wein sein kann und worauf Du achten solltest und
- erzählt Carsten vom neusten Stand seines Fotoprojekts "Die Banalität der Tierfabriken".
Was ist denn eigentlich nicht vegan an Wein und warum sind manche Flaschen vegan gelabelt und manche nicht?
Und wenn ein Wein als vegan gelabelt ist- worauf bezieht sich das Label dann?
Diese Fragen beantwortet der Winzer Harald Scholl im Mini-Interview, das ich mit ihm auf der Veggienale in Hannover geführt habe. Kurz und knackig- aber alles drin :-)
Vollständiges Transkript
Stefanie Diese Folge wird eine ganz kurze Folge, denn es wurde uns schon des Häufigeren die Frage gestellt, was denn so mit veganem Wein los ist und wie man das so erkennt und überhaupt. Ich hatte auf der Veggienale in Hannover einen Winzer erwischt, der da einen Stand hatte. Allerdings nicht auf der Veggienale - das ist ja bei der Veggienale geteilt in Veggienale und FairGoods, das heißt, der war in der Sektion FairGoods - und den habe ich gefragt, ob er mir mal die Fragen beantworten kann: Wie vegan ist Wein eigentlich und so. Und er meinte dann, das sei voll das brisante Thema, weil das bei denen gerade ganz heiß diskutiert wird. „Bei denen“ bedeutet im Demeterverband. Das ist ein Demeterwinzer und dort im Verband wird es eben heiß diskutiert, was jetzt vegan bedeutet und was nicht. Wann darf ich mich vegan labeln und wann nicht? Und er hat sich dazu bereit erklärt, mir in mein Mikro zu sprechen und hat es super auf den Punkt gebracht. Deswegen ist es auch relativ kurz und knackig. Aber du erfährst da alles Wichtige, was du über Wein und veganen Wein wissen solltest. Und damit das jetzt hier nicht so eine mini ganz kurze Folge wird berichtet Carsten vorher noch einmal von seinem Fotoprojekt.
Carsten Mein Fotoprojekt, was ich letztes Jahr schon mal gestartet habe.
Stefanie Du erinnerst dich?
Carsten Vielleicht reicht ja der Titel des Projekts. Es heißt „Die Banalität der Tierfabriken“. Hintergrund ist, dass ich in den Landkreis reise oder gereist bin, in dem ich aufgewachsen bin. Ich habe lange überlegt, ob das jetzt mein Heimatlandkreis oder Heimatort ist. Aber ist es lange nicht mehr. Ich bin dem schon irgendwie entwachsen. Also ist es mein Herkunftsort und Herkunftslandkreis. Und ich habe, seitdem ich vegan bin und seitdem ich mich auch dort intensiver mit diesen ganzen Themen beschäftige, festgestellt, dass ich in einer Umgebung groß geworden bin, die nur so vor Tierfabriken und Massentierställen strotzt. Das ist ein absolut gewöhnliches Bild und mittlerweile habe ich auch rausgefunden, dass der Landkreis ein Tourismusproblem hat, weil ja genau diese Tierställe bei den Touristen wohl im Moment und in der Vergangenheit nicht mehr ganz so toll angekommen sind. Die haben sich Strategien überlegt - nicht die Touristen, sondern die vom Landkreis - wie man dem Tourismus dann gerecht werden kann und trotzdem halt diese Tierställe irgendwie weiterbetreiben kann. Weil das ist definitiv eine der Regionen mit der größten Tierdichte in Deutschland und berühmt berüchtigt für die Massentierhaltung. Und mein Fotoprojekt soll einfach zeigen, wie banal diese Tierfabriken teilweise wirklich so im Alltag vorhanden sind und.
Stefanie Wie die sich da auch einfügen in die Landschaft.
Carsten Ja, genau, das sind absolut ja, was ich gerade schon andeutete, eigentlich eine Tourismusgegend, wo man versucht eben die die Natur irgendwo ja zu genießen und es gibt entsprechende auch Wander und auch Radfahrrouten und Naturlehrpfade. Es ist also in einer gewissen Weise schon idyllisch und es gibt auch Seen. Den Dümmer See gibt es da. Das Naherholungsgebiet Dammer Berge ist auch angrenzend. Und in dieser Region selber sind halt, wie gesagt, diese Tierställe allgegenwärtig in allen Ausbaustufen. Vom kleinen Bauer, der einen kleinen Stall nebenher laufen hat bis hin zu den großen Mastbetrieben, die wirklich so in die tausende, zehntausende Tiere reingehen. Und gleichzeitig hat man da aber auch in diesem Landkreis den einen oder anderen Fleisch- oder Geflügelproduzent, der namhaft ist. Also diese PHW Gruppe mit Wiesenhof stammt dort aus dieser Gegend. Eierbarone, so wie sie damals geheißen haben, wie Pohlmann, der dann aufgrund von Tierschutzproblemen, nenne ich es mal sein Gewerbe in Deutschland offiziell niederlegen musste und nach Amerika gegangen ist. Das sind alles so Sachen, die finden sich dort im Landkreis wieder. Und ich versuche das thematisch im Rahmen eines Fotoprojektes zu bearbeiten, in dem ich halt crossmedial unterwegs bin.
Und Hauptdreh- und Angelpunkt ist es, die Anlagen, die ich dort ausgewählt habe, mit einem Schwarz Weiß Foto zu porträtieren, was eben diese Banalität im Alltag skizzieren soll. Gleichzeitig bringe ich aber auch Farbaufnahmen, die ich dann ganz normal digital fotografiert habe, wo ich noch Details von diesen Anlagen mit reinbringe. Und das Ganze wird mit einer Tonspur untermalt, wo ich dann vor Ort akustische Eindrücke gesammelt habe, wo man teilweise auch wirklich nur Wald, Rauschen und Vogelgezwitscher hört, in einigen Tierställen dann aber auch schon die Tiere irgendwie mitbekommt. Und das ist eigentlich extrem obskur und auch irgendwie ja, weiß ich nicht. Ich habe mich unwohl gefühlt, als ich das letzte Mal da war und das Ganze wird eingerahmt durch ein Video. Ich habe bestimmte Videosequenzen aufgenommen, um meine Anreise zu zeigen. Ich bin mit der Bahn angereist, um einfach mal zu zeigen, was spielt sich dann rechts und links der Bahngleise wieder ab? Und habe auch während meiner Fahrt zwischen den einzelnen Anlagen immer mal wieder die Kamera eingeschaltet, um eben doch zu zeigen, wie das Landschaftsbild dort eigentlich aussieht.
Das Ganze sollen absolut keine schockierenden Fotos werden, sondern einfach nur eine Dokumentation von eben dieser Banalität. Ich bin nicht in die Ställe rein. Ich habe mir auch nicht versucht, irgendwie Zutritt zu den Gebäuden zu verschaffen, sondern habe tatsächlich dieses Alltägliche versucht abzubilden. Und was ich im Gespräch mit Freunden und Bekannten dort unten aus der Gegend immer wieder mitbekomme, dass für die das weiterhin alltäglich ist. Sie stellen das halt nicht in Frage, weil die kennen es halt nicht anders. Genau, jetzt bin ich mittlerweile so weit gekommen, dass ich mit diesem Fotoprojekt die Aufnahmen im Kasten habe. Und zwar alle. Sowohl die Audio, die Video als auch die Fotoaufnahmen. Das war im letzten Jahr, als ich den ersten Anlauf genommen habe nicht der Fall. Da bin ich hin und habe meine analogen Aufnahmen getätigt und leider Gottes waren sämtliche Filme total unterbelichtet. Also da ist nichts draus geworden. Jetzt war das so, dass ich in dem Anlauf allerdings auch schon relativ weit im Herbst unterwegs war und ich wollte jetzt keine tristen und traurigen Fotos aufnehmen. Das heißt also, der Winter, die kalte Jahreszeit schied aus, um weitere Aufnahmen zu machen, um das zu wiederholen. Und deswegen bin ich jetzt dieses Jahr im Frühjahr noch mal runtergefahren und habe zwei, anderthalb Tage ungefähr damit zugebracht, 19 Ställe zu porträtieren. Es gibt Hunderte von Ställen dort, was für mich erschreckend war. Ich habe diese 19 Ställe, die waren für mich insofern allgegenwärtig, als dass ich sie alle mehr oder weniger damals aus meiner Kindheit und Jugend kannte. Und die waren alle in einem Radius von ungefähr acht Kilometer von meinem damaligen Herkunftsort entfernt. Also ich musste echt nicht lange fahren, um das alles zu sehen. Genau das ist in der Mache. Ich werde die einzelnen Materialien noch weiter ausbauen und soweit zusammen schneiden und ich stelle mir vor, dass ich das ganze sowohl als Ausstellung vor Ort irgendwo mit anbiete. Da habe ich im Moment noch keine konkreten Vorstellungen, mit wem und wo und wann. Und parallel kann ich mir auch vorstellen, dass ich das Ganze als Internetseite auch noch mal präsentiere.
Stefanie Für alle, die halt nicht bei der Vernissage dabei sein können mit Sektempfang vegan - Also das kommt ja nachher nochmal das Thema - also jedenfalls für alle, die nicht dabei sein können, macht das schon Sinn. Ich habe da auch schon so ein paar Ideen, wie ich das multimedial online umsetzen könnte. Aber da muss ich mich natürlich mit dem Künstler abstimmen. Nee, aber jedenfalls werde ich Carsten da technisch unterstützen, seine Kunst auch ins Netz zu bringen. Und klar, also mal schauen, wie das wird. Es wird bestimmt in Hamburg Möglichkeiten geben, diese Vernissage zu machen und alles, was Carsten jetzt noch braucht ist Zeit.
Carsten Ja, es wird noch ein paar Wochen in Anspruch nehmen, weil gerade die analoge Ausarbeitung, die mir sehr am Herzen liegt, die braucht einfach Zeit. Und ich muss mich dann auch mit den entsprechenden Video Schnitt Themen auseinandersetzen, damit ich dieses eine Video da rausbekomme aus den einzelnen Schnitten.
Stefanie Läuft. Genau. Ja super, dann bist du jetzt auch up to date, liebe Hörerin, lieber Hörer, was Carstens Fotoprojekt anbelangt. Es ist also nicht versandet, sondern es ist in der Mache. Kann man so sagen.
Carsten Ja, kann man so sagen.
Stefanie Gut, ja. Dann würde ich sagen, schwenken wir jetzt noch mal um auf veganen Wein und Ton ab.
Harald Scholl Ich bin Harald Scholl vom Weingut Harald Scholl.
Stefanie Meine Frage ist jetzt zu veganem Wein: Was kann denn daran nicht vegan sein? Am Wein?
Harald Scholl Ja, bei Wein ist die Problematik, dass es Weinbehandlungsmittel tierischer Herkunft gibt. Das kann zum Beispiel Gelatine sein, Kasein, ein Hausenblase, Hühnerei. Das sind so die klassischen Weinbehandlungsmittel tierischer Herkunft, die ich selbst jetzt bereits seit 2003 nicht mehr in Verwendung habe.
Stefanie Und worauf muss ich achten, wenn ich jetzt sage, ich möchte nur veganen Wein haben? Also frage ich einfach nach? Oder steht es irgendwo?
Harald Scholl Zum einen gibt es mittlerweile auch zertifizierte Weingüter, die sich nach einem veganen Label haben zertifizieren lassen. Zum anderen natürlich lohnt es sich, bei dem Weinerzeuger nachzufragen welche Behandlungsmittel verwenden sie und welche nicht. Es ist momentan bei den Zertifizierungen leider so, dass die nicht alle einheitlich sind. Die Kriterien sind zum Teil unterschiedlich. Das heißt, wenn einer das V-Label hat, ist es wieder anders, wie ein anderes Label. Also auch da muss man nachfragen, was beinhaltet das wirklich? Weil manche Labels gehen auch bis in den Anbau hinein, also nicht nur, was bei der Weinbereitung geschieht, sondern auch, was im Weinberg passiert. Also da muss man nachfragen, wie weit das Label reicht.
Stefanie Und was könnte jetzt im Weinbau passieren?
Harald Scholl Ja, im Weinbau zum Beispiel geht es um die Frage, zum einen jetzt vom Boden her, wie gesagt Düngemittel. Und da kann man zum Beispiel also Düngemittel tierischer Herkunft verwenden, organische Düngemittel. Ja, das wäre zum Beispiel ein klassisches Thema dazu. Und dazu muss ich auch sagen, da habe ich von meiner Seite aus das in meinem Betrieb entsprechend unterschiedlich gehandhabt. Also ich bin vom Anbau her nicht vegan, weil es im Prinzip keinen Demeterzertifizierten, tierfreien Anbau gibt. Bei uns spielt das Tier eine Rolle. Wir haben Präparate, die in Tierhüllen hergestellt werden. Das gehört zu Demeter. Allerdings ist das, was die Kunden am meisten interessiert ,der ganze Werdegang von Trauben bis zum Wein. Tierfrei sozusagen.
Stefanie Okay, Sie hatten gesagt, dass das so brisant ist mit den Veganern und so. Was ist da so brisant?
Harald Scholl Ja, brisant ist, dass ich immer die Leute, die sich einen vegan erzeugten Wein wünschen, erst mal zurückfragen muss: Wie weit geht Ihre Vorstellung? Betrifft es nur die Weinerzeugung? Betrifft es auch das, was draußen im Weinberg passiert, den Anbau, dass hier alles tierfrei läuft? Brisant ist auch, dass es viele konventionell erzeugende Winzer gibt, die sich vegan nennen. Aber auch hier muss man den Kunden fragen: Pflanzenschutzmittel, die eingesetzt werden, klassische Pflanzenschutzmittel, werden alle mit Tierversuchen geprüft. Das ist ein Teil des Zulassungsverfahren. Das heißt, wer Pflanzenschutzmittel einsetzt, ist im Weinberg auch nicht mehr 100 % vegan. So, und wie weit man dieses vegan fasst, das ist das Thema, was momentan noch nicht durch irgendeine staatliche Regelung festgelegt ist. Und die privaten Labels, die handhaben das unterschiedlich. Das heißt, brisant ist für den Kunden, wie weit fasst er vegan und was möchte er wirklich haben? Und er kann es bisher noch nicht so an den Labels praktisch wahrnehmen, erkennen. Er muss nachfragen.
Stefanie Und gibt es so einen von Anfang an bis zum Ende veganen Wein? Wissen Sie das? Gibt es so was?
Harald Scholl Ja, im Prinzip gibt es das schon. Aber wie gesagt, jeder, der in irgendeiner Form ein geprüftes Pflanzenschutzmittel einsetzt - und das geschieht auch im Öko Weinbau, auch wenn das jetzt harmlosere Pflanzenschutzmittel sind, aber auch da sind es geprüfte Mittel. Es ist ein Teil des Zulassungsverfahren, dass dabei Tierversuche laufen - und solange es das gibt, gibt es eigentlich, wenn man es ganz genau betrachtet, kein 100 % vegan, sondern immer nur stufenweise ein Abgestuftes, wo man sagen kann weitgehend. Und das gibt es sicherlich in der Ausprägung, wo man sagen kann einer verwendet keine, wie gesagt, Düngemittel tierischer Herkunft, keine Weinerzeugungsmittel. Das ist dann schon sehr weitgehend.
Stefanie Ja, Dankeschön.
Harald Scholl Bitte.
Carsten So, nachdem wir jetzt ja den Winzer Vegan gehört haben.
Stefanie So möchte er nicht heißen, er hat sich mit Namen vorgestellt, also.
Carsten Lag mir auf der Zunge. Musste ich jetzt loswerden. Okay, möchten wir uns noch ganz herzlich bei allen Hörerinnen und Hörern bedanken. Bei allen Personen, die uns so wunderbar auf Steady unterstützen. Bei allen, die uns bisher entsprechende iTunes Rezensionen und viele, viele Sternchen geschenkt haben. Und natürlich auch bei Dir, liebe Hörerin, lieber Hörer, für das kontinuierliche Mithören und hoffentlich auch die Neugierde auf neue Folgen.
Stefanie Genau. Und natürlich auch von mir ganz, ganz herzlichen Dank. Und ja, das ist jetzt einfach nur eine ganz kurze Folge. Aber wir wollen sie auch nicht künstlich verlängern durch irgendwelche doofen Scherze oder so.
Carsten Haben wir eh nicht auf Lager.
Stefanie Nein, wir sind...
Carsten Genau, so staubtrocken, wie wir jetzt angefangen haben. Hören wir jetzt auf In diesem Sinne.
Stefanie In Hamburg sagt man Tschüss.
Carsten Und auf Wiederhören.
Links zur Folge
Weingut Harald Scholl
https://www.weingut-scholl.de/
Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan
Im November 2021 ist der Von Herzen Vegan Clan ein Teil meiner damals neuen Community, des Experimentariums geworden.
Das Experimentarium gibt es seit Dezember 2022 nicht mehr.
Ich bin gerade dabei eine neue Online-Community aufzubauen. Wenn Du interessiert bist, schau doch mal vorbei:
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