Jagd ist Naturschutz oder die Lust am Töten

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Folge 175 - Jagd ist Naturschutz oder die Lust am Töten

„Wild zu kaufen ist okay, weil die Jäger ja eh die Quote erfüllen müssen." sagte ein Bekannter zu einer Podcasthörerin, die sich daraufhin hilfesuchend an mich wendete.

Das ist jetzt schon ein Jahr her und wir haben damals einige Fakten zusammengetragen, die diese Aussage widerlegen konnten- dennoch war ich nie ganz zufrieden damit und habe ich sehr gefreut, als ich im Mai diesen Jahres auf dem ersten Buchholzer Tierschutzfest einen Vertreter des Vereins "Natur ohne Jagd" kennengelernt habe.

Leider war er ein bisschen schüchtern und wollte nicht für den Podcast interviewt werden. Stattdessen hat er mir jede Menge Infomaterial mitgegeben, für das ich einige Zeit gebraucht habe, um es durchzuarbeiten.

Mittlerweile habe ich es geschafft und kann Dir in dieser Folge die Fakten gegen die Jagd präsentieren und erklären, warum Jäger wirklich jagen.

Außerdem stellt Carsten noch ein Kinderbuch vor, das die Fakten gegen die Jagd kindgerecht verpackt und zum Schluss erzählt unsere Hörerin Amy ganz subjektiv, wie sie sich der Herausforderung stellt einen Jäger als Familienmitglied zu haben.

Wenn Du also schon immer nach Fakten gegen die Jagd gesucht hast- hör unbedingt rein.

Links zur Folge

Natur ohne Jagd e.V.
http://natur-ohne-jagd.de/

Buch: "Das Geheimnis des Waldes" von Rudolf Pohlenz
http://natur-ohne-jagd.de/Literatur.htm

Zeitschrift Freiheit für Tiere, Sonderausgabe Fakten gegen die Jagd
http://freiheit-fuer-tiere.de/sonderausgabenaturohnejagd/index.php

Initiative "Zwangsbejagung Adé" - gegen die Zwangsbejagung Deines Grundstücks
https://zwangsbejagung-ade.de/

Vollständiges Transkript (Korrektur gelesen von ä'Odner)

[ACHTUNG: In dieser Folge sprechen wir auch über nicht jugendfreie Inhalte]

Stefanie In dieser Folge sprechen wir über die Jagd. Über das wollten wir schon länger sprechen, aber es bedarf doch einiger Vorbereitung, weil wir ja selber nicht so viel mit dem Thema Jagd bisher in Berührung gekommen sind, wohl aber mit den Argumenten, dass Jagd notwendig ist und nützlich und alles, was der Jagd so nachgesagt wird. Und vor einem Jahr hatte eine Podcast-Hörerin mir auch gesagt, dass sie mit einem Bekannten zusammensaß und der hatte gesagt: „Na ja, Wild zu essen ist ja okay, weil die Jäger ja sowieso die Quote erfüllen müssen.“

Und wir haben dann gemeinsam überlegt, wie man das denn widerlegen kann und hatten so ein bisschen was zusammengesammelt, aber bisher war ich damit noch nicht so zufrieden. Und dann habe ich auf dem ersten Tierschutzfest in Buchholz einen Stand gesehen, an dem ein netter Mann stand, der den Verein ‚Natur ohne Jagd‘ vertreten hat. Und ich habe ihn gefragt, ob er denn für ein Interview bereit wäre und er hat nein gesagt. Also das war leider, leider so, dass er sich nicht getraut hat, ins Mikrofon zu sprechen. Und er hat mir aber ganz viel Informationsmaterial mitgegeben und es hat eine Weile gedauert, bis ich das durchgearbeitet hatte. Und da war auch ein Kinderbuch dabei, das hat Carsten zusammen mit unserem Sohn gelesen. Und das heißt, wir teilen das heute so auf, dass ich die wissenschaftlichen Fakten noch einmal vortrage gegen die Jagd und Carsten erzählt was über das Kinderbuch. Und dann haben wir noch eine liebe Hörerin, die selber im familiären Umfeld einen Jäger hat und die im Anschluss an unsere Erkenntnisse noch einmal darüber berichtet, wie das denn ist, mit einem Jäger zusammenzuleben, vielleicht nicht immer, aber zumindest den Jäger im familiären Umfeld zu haben und sich das also nicht aussuchen zu können, ob man jetzt mit dem auskommt oder nicht und wie sie damit umgeht und ihre persönliche subjektive Einstellung dazu.

Carsten Für mich ist das ein extrem schwieriges Thema, also Thema Jagd habe ich bisher tatsächlich so ein bisschen vor mir hergeschoben und mich auch nicht wirklich rangetraut, einmal weil ich nicht ganz genau wusste, wie man diese Argumente oder diese Haltungsweise in irgendeiner Art und Weise widerlegen kann, aber auch vielleicht durch durch meinen bisherigen Werdegang. Ich komme aus dem ländlichen Raum, bin 30 Jahre lang in den Strukturen groß geworden, da wo zum Beispiel Angeln und Jagd völlig normal waren. Und ich bin auch zehn Jahre lang Angler gewesen, relativ früh mit elf Jahren in diesen Angelsport reingekommen und das gibt auch so eine kleine Überdeckung. Also Leute, die halt angeln sind oftmals auch im Jagdverein oder andersrum. Wobei ich persönlich jetzt keinen direkten Anknüpfungspunkt zum Thema Jagd hatte. Ich wüsste jetzt auch keinen im Verwandten- oder Bekanntenkreis, der Jäger ist, aber wenn man halt so in diesen kleineren ländlichen Strukturen unterwegs ist, dann gehört Jagd genauso wie Angeln oder generell Landwirtschaft und Viehzucht einfach zum Normalbild, was völlig unreflektiert hingenommen wird. Und das machte für mich auch den Zugang zu dieser Materie extrem schwer. Und ich bin froh, dass wir jetzt sehr viel Faktenmaterial haben und mich fand es wirklich erstaunlich, dass es auch eben diesen Verein ‚Natur ohne Jagd e.V.‘ gibt, der da nicht vor scheut, sich dem Thema anzunehmen und das auch eben fundiert zu kritisieren bzw. zu hinterleuchten und zu reflektieren. Und ich muss dazu sagen, also diesen Faktenteil selber, den höre ich dann gleich im Rahmen dieser Schilderung von Stefanie ja auch das erste Mal in der Tiefe und muss mich da im Nachgang auch noch mal mit auseinandersetzen. Und ich denke, es ist auch wirklich sehr wichtig, das Thema Jagd generell in der Öffentlichkeit zu thematisieren und wundere mich ehrlich gesagt auch, dass bei vielen öffentlichen Veranstaltungen, wo über Tierrechte und Tierbewegung gesprochen wird oder auch bei den Straßenfesten, also meiner Erfahrung nach das Thema gar nicht so wirklich präsent ist.

Stefanie Ja, Wilderei gibt es da schon, aber das bezieht sich dann gar nicht auf Deutschland oder auf deutschsprachige Länder oder generell Europa, sondern dann eher so in Afrika oder so, also wirklich dann ‚globaler Süden’-mäßige Länder, also Protecting Wildlife gibt es ja als Verein und solche Sachen gibt es schon. Aber ich finde auch gegen die Jagd oder überhaupt über die Jagd aufzuklären, da ist noch recht wenig, liegt vor allem ja auch daran, dass Jäger als Naturschützer auftreten.

Carsten Ja, genauso wie Angler auch. Wobei gut, das kann jetzt auch daran liegen, dass ich selber Angler war. Aber ich nehme die Kritik am Angeln deutlich stärker war als die Kritik am Jagen. Aber ich glaube auch, dass die Jagd sehr stark institutionell und auch in unserer Gesellschaft verankert wird, also auch schon als immer da gewesenes Fragment unserer Gesellschaftsstruktur gilt und deswegen auch schwierig zu hinterfragen ist oder ein schwieriges Thema ist. Aber nichtsdestotrotz ist es aus meiner Sicht extrem wichtig, sich dem Thema anzunähern und ich hoffe, dass wir mit dieser Folge auch unseren ersten Schritt in diese Richtung machen und vielleicht auch ein paar Informationen mit reinreichen, dass das Thema auch nachher präsenter werden wird.

Stefanie Was jetzt noch dazukommt ist, dass 99,6 % der deutschen Bevölkerung nicht Jäger sind. Also das heißt, ein wirklich kleiner Bruchteil von 0,4 % sind Jäger oder Jägerinnen und die verteidigen eben ihr Hobby als Naturschutz und ‚Natur ohne Jagd‘, der Verein, hat einfach das alles noch mal so aufbereitet und einige gängige Argumente widerlegt, und die will ich jetzt einmal hier so vortragen.

Wir können vielleicht mit dem generellen anfangen, dass die Jagd notwendig ist und es wird eben gesagt, die Überpopulation, Amy wird es später auch noch mal nennen, die Überpopulation der Wildschweine. Und was ich eben gelernt habe auch in den Fakten, ist, dass diese Überpopulation selbst gemacht ist. Und trotz der Steigerung der Abschussmenge von unter 150.000, das war damals 1982/83 so, auf über 500.000 Wildschweine nimmt deren Bestand in Deutschland weiter zu. Das heißt, es werden immer mehr Wildschweine abgeschossen, aber es werden nicht weniger. Und die Frage ist halt ‚warum?‘ Und das ‚Warum‘ erklärt eine französische Studie, die schon im Jahre 2009 erschienen ist, und ich meine Amy bezieht sich auch darauf.

Also die Wissenschaftlerin Sabrina Servanty verglich in einem Zeitraum von 22 Jahren die Vermehrung von Wildschweinen in einem Waldgebiet im Departement Haute-Marne, in dem sehr intensiv gejagt wird mit einem wenig bejagten Gebiet in den Pyrenäen. Und das Ergebnis war: wenn hoher Jagddruck herrscht, ist die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen wesentlich höher als in Gebieten, in denen kaum gejagt wird. Und weiterhin tritt bei intensiver Bejagung die Geschlechtsreife deutlich früher, vor Ende des ersten Lebensjahres ein, sodass bereits Frischlingsbachen trächtig werden. In Gebieten, in denen wenig Jäger unterwegs sind, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer. Die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein. Und mit dieser Studie ist bewiesen, dass die starke Vermehrung bei Wildschweinen nicht nur vom Futterangebot abhängt, sondern auch von der intensiven Bejagung.

Carsten Das klingt ja wie so eine Evolutionsstrategie, dass die Art nicht aussterben möchte. Und weil sie eben so stark bejagt wird, muss der Bestand sich so evolutionär anpassen, dass sie die Fruchtbarkeit erhöhen und und früher einsetzen.

Stefanie Genau das ist eben so, dass die Wildschweine ihren Bestand eigentlich selbst regulieren. Also bräuchten die Jäger nicht die Jagd, um sich regulieren zu können, wenn sie in intakten Familienverbänden unterwegs sind. Und dann sorgt nämlich ihr Sozialverhalten dafür, dass nur einzelne weibliche Tiere rauschig werden, also dass sie fruchtbar sind. Lediglich die älteren Bachen werden dann befruchtet. Und fehlen diese älteren Bachen, werden also geschossen, werden auch jüngere weibliche Tiere schnell trächtig. Und mit anderen Worten statt zwei alten Tieren werden fünf junge zum Muttertier von noch mehr Frischlingen.

Carsten Ja, das ist natürlich jetzt, ich sag jetzt mal, wenn man das im Hintergrund weiß und aber feststellt, dass wir hätten eigentlich immer im Laufe der Jahre mehr Tiere geschossen, dann würde jetzt ein Jäger ja argumentieren, es gibt ja so viele, also muss ich noch mehr schießen.

Stefanie Genau genommen. Das ist ja eben auch die Argumentation. Ja, aber es gibt eben auch schon einige Berufsjäger oder generell Jäger, die das kritisieren, also gibt es tatsächlich schon. Hier ist nämlich auch ein Zitat von Norbert Happ, dem bekanntesten deutschen Wildschweinkenner und selber Jäger. Und der prangert an: „Die Nachwuchsschwemme ist hausgemacht. Für die explosionsartige Vermehrung der Wildschweine seien die Jäger selbst verantwortlich. Ungeordnete Sozialverhältnisse im Schwarzwildbestand mit unkoordinierten Frischen und Rauschen und unkontrollierbarer Kindervermehrung und sind ausschließlich der Jagdausübung anzulasten.“ Und das sagte er in der Jägerzeitung ‚Wild und Hund‘ 2002. Also es ist jetzt nicht gerade vor kurzem.

Carsten Ja, das ist interessant. Ich kenne das aus dem Angelsport, dass auch da die Angler stark in die Natur eingreifen. Also Angler präsentieren sich ja auch als Naturschützer, Gewässerheger etc. Da ist ein bisschen anders gelagert. Da wüsste ich jetzt nicht, dass sich die Fische jetzt stärker vermehren, weil mehr geangelt wird. Aber die Angler sorgen für mehr Besatz. Also so ein Angelverein selber, der bringt halt einen Teil seiner ganz normalen Vereinsgelder jährlich zum Fischhändler, um halt frischen Fisch zu kaufen, der dann in die Gewässer eingesetzt wird, nur damit er anschließend wieder abgefischt werden kann. Also ich finde das ganz spannend, jetzt so eine Parallele zum Jagdsport zu haben, wo eben der Eingriff der Ausübenden dazu führt, dass sich der natürliche Bestand dann nicht mehr so sauber regulieren kann.

Stefanie Ja, das werden wir nachher auch noch mal ein bisschen noch deutlicher erkennen. Hier ist noch einmal gesagt, also noch mal zu den Wildschweinen, dass die Hormone der Leitbachen, die Empfängnisbereitschaft aller Weibchen der Gruppe bestimmen und verhindern, dass zu junge Tiere befruchtet werden. Also das ist wirklich, das ist hormonell geregelt. Das ist eigentlich, wie wir das auch schon länger wissen, wir jetzt als vegan lebende Personen, ist die Natur ganz gut, funktioniert auch ganz gut ohne uns Menschen. Also eigentlich würde alles super funktionieren, wenn jetzt nicht die Jäger eingreifen würden und die Wildschweine schießen würden. Generell schreibt der Verein ‚Natur ohne Jagd‘ auch in seinem Positionspapier, dass

„Wildtiere, die dem Jagdrecht unterliegen, allein schon durch die Verfolgung, den Jagddruck und die daraus resultierende Panik in fast permanente Stress- und Angstzustände versetzt werden und sich heute schon bedenkenswert atypisch verhalten. Diese durch die Jäger verursachten und veränderten Verhaltensmuster wiederum führen oft zu direkten Kontakt- und Berührungssituationen mit der Zivilisation und dienen in dem Moment der Jägerschaft wiederum als Grund, regulierend mit der Waffe einzugreifen. Hier besteht explizit eine Überwachungs- und Sorgfaltspflicht. Schon angesichts der weiteren Entwicklung unserer heimischen freilebenden Wildtiere. Der Anspruch der Jagd, ein notwendiges Regulativ darzustellen, ist nicht erkennbar und nicht nachgewiesen.“

Und du hast es ja gerade das Thema Hege genannt, also dass die Angler da ihre Gewässer hegen, hegen und pflegen. Und das ist ja auch, dass die Jäger die Tiere hegen, ist ein weitverbreitetes Argument für die Notwendigkeit der Jagd. Genau. Die meisten denken ja beim Hege-Begriff daran, dass jetzt Tiere gepflegt und aufgepäppelt werden und es sich um alle Tiere gekümmert wird. Aber eigentlich kümmern sich die Jäger nur um das, was sie nachher schießen wollen. Das heißt Trophäenträger wie Rehböcke oder Hirsche oder kapitale Wildschweinkeiler oder so was. Weil eben Geweihe immer noch in Trophäenschauen ausgestellt werden. Das heißt, sie Jäger kümmern sich wirklich nur um die Tiere, die für sie interessant sind und nicht um alle Tiere im Wald. Das heißt der Hege-Begriff ist da auch wieder überflüssig. Also mit Hege, also es gibt Tiere, die das Hege-Ziel nicht erreichen und die werden dann, als „Hege-Abschuss aus der Wildbahn entnommen“. Das heißt zum Hege-Abschuss führen, „wenig Geweihauslage, körperlich schwache Spießer mit nur angedeuteter Verdickung der Rosen und Knieper, schwache Stangen, geringe Aug- und Mittelsprossen“. Es geht also wirklich nur um das Geweih.

Carsten Ja, gut. Und wenn man jetzt weiß, wo das heutige Jagdgesetz herkommt, dass das aus dem Reichsjagdgesetz stammt, so Nazizeit, dann klingt das für mich, ich mags kaum aussprechen, aber schon nach Übertrag der Euthanasie auf das Tierreich. Also vielleicht tue ich denen jetzt Unrecht, aber das ist im Moment heftiger Tobak, wenn ich das so höre.

Stefanie Ja, und weiter heißt es eben auch, dass als Hege des Niederwild, das sind Hasen, Rebhühner, Fasane usw. Jäger den massenhaften Abschuss von Füchsen verstehen. Für die Jäger ist der Fuchs ein verhasster Beutekonkurrent und so schießen sie halt erst den Fuchs und dann die Hasen, Rebhühner und Fasane. Ich hatte ja zu Beginn oder mittendrin mal gesagt, dass die Jagd eben atypisches Verhalten hervorruft bei den Tieren. Und das kann man eben auch ganz gut beobachten, wenn man jetzt in der Stadt mal an einen Teich geht oder an einen See und die Enten anschaut, die rennen meist nicht vor einem weg, sondern kommen zu einem. Ich hatte das auch am Elbstrand, dass Enten sich gemütlich neben mir niedergelassen haben und darauf gewartet haben, dass ich vielleicht mal was von meinem Brot abgebe oder so. Also das heißt, da sind sie sehr zutraulich. Aber in freier Wildbahn, also jetzt außerhalb der Stadt, dort wo sie eben auch geschossen werden, sind sie immer auf der Flucht, also sehr scheu und lassen niemanden an einen ran. Und das sind ja keine anderen Tiere in dem Sinne, die Wildente oder was auch immer. Also der Hase im Stadtpark ist ja jetzt nicht unbedingt ein anderer Hase als der Hase auf dem Land. Also klar, es gibt Unterschiede.

Carsten Stadthase oder Landhase, sind halt unterschiedliche Kulturen.

Stefanie Genau. Sondern es liegt tatsächlich daran, dass sie in der Stadt nicht unbedingt erwarten, geschossen zu werden und nicht immer auf der Flucht sind. Und auf dem Land eben schon. Und das zeigt eben noch nochmal dieses atypische Verhalten, dass die eigentlich tatsächlich entspannt im Kontakt mit Menschen leben könnten, wenn da nicht immer der Jäger oder die Jägerin wäre, die ihn oder sie das Tier immer wieder auf die Flucht schickt.

Carsten Ja, wenn man jetzt noch mal so diese Zahl, die du am Anfang genannt hattest, in den Kopf ruft, 0,4 % der Bevölkerung sind nur Jäger. Was die teilweise jetzt anrichten, um diese Angst jetzt irgendwo in der Tierwelt zu verankern, das ist ja schon heftig.

Stefanie Ja, das muss man sich tatsächlich vor Augen halten, dass es 0,4 % der Bevölkerung sind, die jedes Jahr circa 5 Millionen Wildtiere erschießen und erschlagen oder in Fallen fangen. Das ist ja nicht nur erschießen, es geht ja nicht nur ums Schießen, sondern auch um Fallen. Und was ich total krass fand, war, dass eben auch gesagt wurde, dass es Fallen gibt, die explizit auch für Katzen ausgewiesen sind. Also dass auch Katzen mal in so eine Falle geraten. Es sind in diesem Material, was ich hier vorliegen habe auch sehr grausame Bilder, die ich niemandem empfehlen kann und auch jedes Mal bei mir schlucke, also schweres Schlucken verursachen. So ist es eben auch, dass Jäger auf Haustiere schießen und jedes Jahr werden in Deutschland 300.000 Hauskatzen und circa 50.000 Hunde von Jägern erschossen. Und das liegt eben unter anderem auch daran, dass es dem Jäger erlaubt ist, auf jedem Grundstück zu jagen. Also wenn du ein eigenes Grundstück hast, egal ob ein kleiner Garten oder ein größerer Garten oder mehrere Felder, dann bist du automatisch Mitglied in der Jagdgenossenschaft und Jäger können fröhlich über dein Grundstück laufen und deine Katzen totschießen oder Hunde totschießen.

Carsten Das fand ich total obskur, als ich das mitbekommen habe, dass das tatsächlich legitim ist. Also qua Recht, dass der Jäger sich da zurückziehen kann auf auf Bundesgesetze oder wie auch immer oder auf Landesgesetze. Das ist so, so haarsträubend. Kann man sich da irgendwie von von freimachen?

Stefanie Also es gibt eine Initiative, die man unter der Internetseite zwangsbejagung-ade.de findet, wo sich Grundstückseigentümer und -eigentümerinnen zusammengeschlossen haben und versuchen, dagegen vorzugehen. Weil nämlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 1999 festgestellt hat, dass „es weder mit dem Eigentumsrecht noch mit dem Diskriminierungsverbot noch mit der Vereinigungsfreiheit vereinbar ist, wenn Grundstückseigentümer dazu verpflichtet werden, einer Jagdgenossenschaft zwangsweise beizutreten und die Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, obwohl die Jagd ihrer eigenen Überzeugung widerspricht.“ Aber das Problem ist eben, dass das Bundesverfassungsgericht am 13.12.2006 entschieden hat, dass die Zwangsbejagung im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Das heißt, es muss erstmal, also man muss noch mal dagegen vorgehen.

Carsten Also quasi eine Grundgesetzänderung geben, damit das …, okay.

Stefanie Genau. Also es ist hier noch mal das Aktenzeichen, auch genannt Aktenzeichen 1BVR 2084/05. Also falls da jemand noch mal nachschauen möchte. Du musst also die Tötung deiner geliebten Katze auf deinem Grundstück gegen deinen Willen durch einen oder mehrere Jäger dulden. Du kannst sogar Leute dazu einladen, deine Katze auf deinem Grundstück totzuschießen. Das ist vom Grundgesetz her erlaubt.

Carsten Müssen die dann das oder dürfen die das Grundstück betreten oder reicht das? Oder dürfen die nur bis zum Zaun und dann ihre Flinte auf Tiere richten?

Stefanie Also die Initiative, die hier mir die Materialien geliefert hat, schreibt, dass die Jäger den Boden deines Grundstücks mit Blei kontaminieren dürfen, ohne die Altlasten hinterher wieder nach dem Verursacherprinzip beseitigen zu müssen. Oder mehrere Meter hohe Schießplattformen auf deinem Grundstück errichten und von dort aus deine Katze zu töten. Also die dürfen das. Also das sind halt auch alles Dinge, die ich vorher nicht wusste. Da habe ich vorher auch gar nicht drüber nachgedacht und wir haben wohl schon davon gehört. Von Carstens Schwägerin, die auf dem Land wohnen und ein relativ großes Grundstück haben und das Problem tatsächlich mit Jägern haben, die selber auch, also nicht die Jäger leben vegan, sondern unsere Schwägerin - ist ja unser beider Schwägerin - unsere Schwägerin lebt vegan und möchte wirklich den Tieren auf ihrem Grundstück eine Ruheinsel bieten und hat das Problem, dass die Jäger um ihr Grundstück herum laufen oder über ihr Grundstück drüberlaufen, wenn sie nicht aufpasst. Und sie hat mehrfach schon sich mit denen angelegt und ist da eben auf taube Ohren gestoßen aufgrund dieser Zwangsbejagung und hatte eben auch das Problem bzw. hat den Verdacht, dass ein Hund von den Jägern ihre Hühner gerissen hat. Also wirklich. Und das ist halt legitim. Das darf der also. Der Jäger darf seinen Hund auf das Grundstück schicken und die Hühner töten lassen, weil es einfach okay ist. Das ist Zwangsbejagung. Das ist halt so.

Carsten Und der Begriff ist dann ja wahrscheinlich auch noch sehr weit auslegbar und.

Stefanie Das ist total, ja, also, es ist ziemlich krass. Und deswegen gibt es eben diese Initiative. Zwangsbejagung-ade.de, und wenn du betroffen bist und du Grundstückseigentümer oder Grundstückseigentümerin bist und nicht zwangsweise in der Jagdgenossenschaft Mitglied sein möchtest, dann schau da auf jeden Fall auf der Seite vorbei, da findest du Unterstützung. Und Jäger schießen ja nicht nur auf Wildtiere und Haustiere, sondern tatsächlich schießen Jäger auch auf Menschen und zwar nicht nur aus Versehen. Also allein in Deutschland kommt ungefähr 600 mal pro Jahr dazu, dass der Ausgang vielleicht nicht tödlich verläuft, aber dem Opfer beispielsweise ein Bein amputiert werden musste, weil halt der Jäger irgendwie aus Versehen daneben geschossen hat. Aber es gibt eben auch Jäger, die die eigene Frau erschießen, weil sie eben die Waffe schon zur Hand haben.

Carsten Na gut, ich meine, da kriegt man Beispiele, so Waffengebrauch aus Amerika, wo in den USA dementsprechend die Todesrate an an Schußwaffen gestorbenen Personen exorbitant hoch ist, und das ist ja eigentlich fast nicht mit anderen Ländern vergleichbar ist, so in der Höhe. Ich kann mir schon vorstellen, dass wenn der Griff zur Waffe keine große Hürde darstellt, dass dann Leute, die vielleicht generell oder in einem bestimmten Moment geistig nicht mehr zurechnungsfähig sind, davon auch Gebrauch machen.

Stefanie Ja, hier steht halt Opfer wurden sowohl Jägerkollegen und Treiber, aber auch die Ehefrau und die Kinder von Jägern, der Schwager sowie Nachbarn, Spaziergänger, Bergwanderer, Mountainbiker, Pilzsammler oder spielende Kinder. Ja.

Carsten Ohne Worte

Stefanie Und der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft werden jährlich über 800 Jagdunfälle gemeldet, wobei dies sicherlich nur die Spitze des Eisbergs ist. Also es wird ja bestimmt nicht alles gemeldet und dann und vielleicht auch nicht alles gesagt. Also das ist halt ziemlich hart. Der Verein ‚Natur ohne Jagd’ hat ja auch noch so ein paar Überschriften von Pressemitteilungen aufgelistet und die sind auch sehr aussagekräftig. Also ich lese sie einmal vor: Jäger erschießt sich selbst, Bei Jagd angeschossen, Tödlicher Jagdunfall, Jäger erschießt Jäger, Jäger treiben Wild auf Autobahn, Schuss löste sich auf Treibjagd, Jäger stürzt vom Hochsitz, Aus Versehen erschossen, Jäger von Jagdkollegen angeschossen, Jäger erlegt Treiber statt Wildschwein, Jäger erschießt Freundin und sich selbst. Jäger erschießt Pony statt Wildschwein - davon hatte ich tatsächlich vorher schon mal gehört -, Spaziergänger bei Jagd angeschossen, Treiber durch Schuss schwer verletzt, Tödlicher Zwischenfall bei Treibjagd, Schuss kracht in Fensterscheibe.

Also es sind nur so ein paar Beispiele. Und solche und ähnliche Meldungen findet man fast täglich in der Tagespresse oder im Internet. Und es ist halt total krass. Wir müssen uns immer vor Augen halten: 0,4 % der Bevölkerung üben dieses Hobby oder diesen Beruf aus und der Rest 99,6 % macht das nicht. Das heißt, die Anzahl der Menschen, die so etwas verursacht und so viel Leid verursacht, auch ist so gering. Worüber ich vorher auch noch nicht nachgedacht hatte, war, dass ja bei der Jagd auch ganz viel Bleimunition eigentlich in der Umwelt verstreut wird. Und es werden tatsächlich circa 1500 Tonnen Blei jährlich, durch die verwendete Schrotmunition, in der Umwelt verteilt, also in der Natur.

Carsten Ja klar, die lassen sich ja nicht steuern. Schrotkugel fliegen, weiß ja jeder, in alle Richtungen schon fast.

Stefanie Und dann gibt es da noch eine Vielzahl von umgestürzten und nicht beseitigten Hochsitzen sowie anderer Unrat, zum Beispiel Futtertonnen, Plastikplanen, Eternitplatten, Polstermaterial usw..

Carsten Also gerade beim Thema Blei weiß ich aus beruflicher Erfahrung, da hatte ich mal bei einer Firma gearbeitet, die eben auch Bleiplatten zur Abschirmung einsetzt, das Material durfte nicht einfach so verwendet und angefasst werden, weil es eben so ja einmal als als Schwermetall gilt und eben auch gesundheitlich problematisch ist. Da musste man entsprechende Schutzausrüstung oder Schutzhandschuhe tragen, damit man dieses Material überhaupt verarbeiten durfte. So, und 1500 Tonnen jährlich dann einfach so in die Natur reinpusten, ohne dass die dann anschließend entnommen werden, also das ist schon schon heftig.

Stefanie Also diese Schrotkugeln, also das Blei verseucht ja eben auch die Umwelt. Und durch die Schrotschüsse werden eben auch Tiere zahlreich angeschossen und nicht getötet und die sterben dann teilweise auch an einer Bleivergiftung oder sie verhungern, weil sie halt nicht mehr weiterkommen oder sind halt auf irgendeine Art und Weise so verletzt, dass sie dann durch die Verletzung einfach sterben. Und so sagt eben auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz: bei Treib- und Drückjagden sind bis zu 70 % der Wildtiere nicht sofort tot. Also meistens schleppen sie sich noch irgendwo hin, weil sie nicht richtig getroffen wurden oder zum Teil lebendig vom Jagdhund zerfetzt werden. Und sowas geben eben die Jäger untereinander in Jäger Internetforen offen zu. Also Sie sprechen darüber.

Carsten Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass die sich da – Tschuldigung - irgendwie dran aufgeilen. Und man muss ja auch bedenken, eine saubere Jagd oder ein sauberer Schuss, das ist ja jetzt nicht so, dass die bei so einer Treibjagd ähnlich wie beim Schießstand sich hochkonzentriert auf eine Zielscheibe konzentrieren, sondern da wird ja schnell reagiert. Und ich glaube nicht, dass die alle so Scharfschützen sind, wie man sich das so in diesen Actionfilmen vorstellen kann, da, wo ein Schuss sofort sitzt. Gerade bei Schrotmunition kann ich es ja sowieso nicht so stark eingrenzen.

Stefanie Ja, also etliche Tiere werden tatsächlich dann verletzt oder verenden später qualvoll irgendwo im Dickicht oder es werden ihnen Gliedmaßen abgeschossen oder sie laufen nur dann ab oder verkrüppelt herum. Also mit Tierschutz oder Naturschutz hat das nichts zu tun.

Carsten Oder Hege.

Stefanie Und Hege, genau. Und auch die ganzjährige Fuchsjagd führt zwangsläufig dazu, dass in den Monaten Mai und Juni unzählige junge Füchse im Bau verhungern und verdursten, weil die säugenden Fähe erschossen wurden. Dann kommt es ja auch oft vor, wir sind jetzt gerade bei den Fakten, dass Jäger ihr Hobby in der Öffentlichkeit rechtfertigen, indem sie Schreckensszenarien von Waldschäden durch Verbiss malen.

Carsten Verbiss durch Schrotkugeln?

Stefanie Nein, durch Rehe und Hirsche.

Carsten Okay.

Stefanie Allerdings tauchen im Waldschadenbericht der Bundesregierung Rehe und Hirsche überhaupt nicht auf. Also als Ursache für Waldschäden werden stattdessen Luftverschmutzung und saure Böden durch hohe Nitratwerte, vor allem eben durch die industrielle Massentierhaltung genannt. Also ist dann die Frage: Stimmt es denn, dass Jäger den Wald von Rehen schützen müssen? Und der Zoologe Professor Dr. Reichholf weist darauf hin, dass der hohe Jagddruck Flexibilität, Mobilität und Scheuheit der Rehe erhöht. Und er sagt:

„Ein anhaltend hoher Jagddruck von rund einer Million abgeschossene Rehe pro Jahr hat den Bestand nicht auf gewünschte Höhe reguliert, sondern auf hohem Niveau hochproduktiv gehalten.“

Das heißt, je mehr Rehe geschossen werden, umso stärker vermehren sie sich. Das ist also genau wie bei den Wildschweinen.

Carsten Ja.

Stefanie Und Professor Reichholf stellt in aller Deutlichkeit fest, dass „Jagd in der Kulturlandschaft aus ökologischen Gründen nicht sein muss.“ Dann noch mal ein Zitat von ihm:

„Jagdleidenschaft (Passion) ist kein Auftrag der Gesellschaft und kann es auch nicht sein. Irgendwelche Tierarten „kurz zu halten“ bildet allenfalls eine Forderung von Land und Forstwirtschaft.“

Professor Reichholf belegt, dass der Wildschaden in der Land und Forstwirtschaft weniger groß ausfallen würde, „wenn das Wild nicht so scheu wäre und wenn mehr Raubtiere als natürliche Feinde des Schalenwildes in Wald und Flur zugelassen würden“.

Carsten Aber den Wolf schießen wir jetzt ja auch ab.

Stefanie Genau. Und das ist eben auch ein Beispiel dafür, dass die Jäger in Wirklichkeit den Rebestand hochhalten wollen, um genug zum Schießen zu haben. Denn sobald sich in einem Revier Luchse oder eben Wölfe angesiedelt haben, lanciert die Jagdlobby gleich Schlagzeilen wie „Fressen die Luchse den Harz leer“ und in der Lausitz jammern dann die Jäger: das Reh und das Schwarzwild sind stark zurückgegangen, Rotwild gibt es so gut wie keins mehr. Und das ist dann quasi die Traurigkeit der Jäger, dass sie nichts mehr zum Jagen haben, denn dadurch lassen sich Jagden nur noch schwer verpachten.

Carsten Ja gut, du kannst es ja auch nicht widerlegen. Also wenn du jetzt von so einem Jagdverein oder von einem Jäger dann solche Argumente hörst, wie willst du das in der Situation widerlegen? Du weißt es ja nicht. Er ist Experte, er steht ja im Wald.

Stefanie Er steht im Wald. (lacht)

Carsten Sieht hoffentlich den Wald vor lauter Bäumen auch noch, aber so als Unbedarfter hätte ich jetzt tatsächlich Schwierigkeiten, wenn ich jetzt solche Fakten nicht wüsste. Wie kann ich damit umgehen?

Stefanie Deswegen bin ich auch so dankbar, dass ich diesen Stand gefunden habe von dem Verein ‚Natur ohne Jagd‘ und ich dieses Material mitnehmen konnte und möchte das eben jetzt hier mit dir, liebe*r Hörer*in, teilen. Denn also tatsächlich das Argument, dass Rehe erhebliche Schäden verursachen würden, dient also nur als Vorwand für den Jäger, längere Jagdzeiten oder höhere Abschussquoten durchzusetzen. Also es ist wirklich alles hausgemacht. Und dass dieses Argument des Bekannten von unserer Hören zu Beginn, dass es okay ist Wild zu essen, weil die Jäger ja die Quote erfüllen müssen, ist also tatsächlich ein hausgemachtes Argument, weil die Jäger ja selbst ihre Quote sich hochschießen, genau erschaffen. Und wenn die Jäger überhaupt gar nicht jagen würden, dann müsste es auch keine Quote geben, sondern der Bestand würde sich einfach selbst regulieren.

Carsten Der von den Tieren und der von den Jägern oder.

Stefanie Von den Jägern würde sich auch selbst regulieren. Ganz genau.

Carsten Aber ich frage mich gerade, der Wolf macht der ja gerade in den letzten Monaten Schlagzeilen, eher negativ, negativ in der Hinsicht, dass ja immer wieder darüber gesprochen wird, dass er quasi Nutztiere reißt und Schäden verursacht und Angst und Schrecken stiftet und natürlich dann irgendwie wieder abgeschossen werden muss. Also so in der Richtung geht ja die Berichterstattung. Du hattest jetzt ja gerade schon darauf hingewiesen, dass durch diese Jagd atypisches Verhalten die Folge ist. Also das ist jetzt natürlich nur eine Vermutung von mir, aber wenn ich das jetzt so von diesen Schilderungen her auf den Wolf übertrage, könnte es ja durchaus sein, dass der Wolf ja nichts anderes hat, als jetzt tatsächlich auf die Weiden zu gehen und dort dann irgendwie Schafe zu reißen, weil er im Wald, ja, will nicht sagen: nichts vorfindet, sondern eigentlich auch geschädigt durch dieses ganze Jagdverhalten ist, der muss ja, der versucht ja auch den einfachsten Weg zu Nahrungssuche zu finden. Und da er im Wald nicht ungestört leben kann, weil ja sämtliche Tiere irgendwie aufgescheucht sind und in Furcht und Schrecken leben müssen, für den Fall, dass sie im nächsten Moment abgeknallt werden, dann kann ich schon verstehen, dass Tiere, die eigentlich ganz anders agieren, jetzt so ein Verhalten an den Tag legen.

Stefanie Ja, das Verhalten wird definitiv hausgemacht sein, weil einfach die Jagd nicht regulierend eingreift, sondern deregulierend. Ja, dadurch, dass es ja auch Flecken auf unserer Erde gibt, an denen nicht gejagt wird und die Tiere in Ruhe gelassen werden, gibt es auch Studien, wie sich denn solche Flecken entwickeln, und einer davon ist der Schweizerische Nationalpark, in dem ein Jagdverbot seit 1914 herrscht, da wird also seitdem nicht mehr gejagt. Und in der ersten Studie wurde herausgefunden, dass die Artenvielfalt zunimmt. Und das klingt ja jetzt so, als würde tatsächlich viel zu viele Hirsche dort und Hirsche und Rehe dort sein. Allerdings ist es so, dass, obwohl eben seit Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Jagdverbot im Nationalpark eine starke Zunahme der Hirschpopulation festzustellen ist, heute die Futtermenge im Nationalpark theoretisch sogar für das Fünf bis Zehnfache des heutigen Wildbestands ausreichen würde. Also es ist nicht so, dass sie den Wald kaputtmachen, sondern sich eben selbst regulieren. Und auf den Dauerkurzweiden, die durch Hirsche intensiv genutzt werden, haben die Pflanzenarten in den beobachteten 50 bis 80 Jahren stark zugenommen. Und trotz steigender Rothirschdichte, durch das Jagdverbot, wuchs eine frühere Schadensfläche zwischen 1955 und 1975 wieder vollständig zu. Also das heißt, dass die Hirsche eben nicht dem Wald schaden. Und eine zweite Studie hat herausgefunden, dass es 30 mal mehr Baum-Keimlinge auf Wildwechseln gibt.

Carsten Sehr wahrscheinlich durch Kot.

Stefanie Genau. Und die Studie hat gezeigt, dass trotz angewachsener Hirschpopulation die Anzahl der Bäume pro 100 Quadratmeter und der dem Verbiss entwachsenen über 150 Zentimeter hohen Bäume stark zugenommen hat. Die Verjüngung und die Ausbreitung des Waldes scheinen also durch die heutige Hirschdichte im Nationalpark eher gefördert als behindert zu werden. Das widerlegt also noch einmal ganz klar das Argument der Jäger, dass sie die Rehe abschießen müssen und die Hirsche, um den Wald zu schützen. Es ist eher andersrum. Also jetzt nicht, dass die Hirsche die Jäger abschießen müssen, sondern es ist so, dass die Hirsche und Rehe den Wald schützen, dass sie sich darum kümmern, also dass die Natur im Gleichgewicht ist, wenn der Mensch nicht eingreift. Und der Professor Reichholf, den wir vorher schon mal einmal gehört haben, erklärt die Auswirkungen der Jagd noch einmal so: „Werden in einem Gebiet viele Tiere getötet. Haben die Verbliebenen ein besseres Futterangebot, Tiere den Winter gestärkt überleben, pflanzen sich im Frühjahr zeitiger und zahlenmäßig stärker fort. Die Konkurrenz im Winter ist geringer, die Chancen sind im Frühjahr besser.

So Reichholf.

Durch die Jagd würden Tierarten, die bereits selten sind, noch seltener und jene, die häufig sind, noch häufiger.“

Und auch Ragnar Kinzel-Bach, ein Professor emeritus für Biologie und Ökologie an der Universität Rostock, ist überzeugt: „‘Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein.‘ Rehe, früher tagaktive Tiere, seien nur durch die Jagd zu scheuen, nachtaktiven Waldbewohnern geworden. Wenn man die Rehe nicht jagen würde, würden sie sich auch nicht so sehr im Wald aufhalten und dort alles abknabbern.“

Außerdem sei die massive Fütterung durch Jäger ein Problem. Die Jäger mästen sich in unseren Wäldern gigantische Rot- und Rehwildbestände heran, nur um sie anschließend abschießen zu können. Also im Grunde kann man das reduzieren auf weniger Jagddruck, mehr Ruhezone und das bedeutet dann für das Wild weniger Energie-Ausgabe, also muss es weniger Nahrung zu sich nehmen, weil es weniger herumwandern muss. Was es frisst, entnimmt es verstärkt der Ruhezone. Dadurch werden die angrenzenden Flächen eher entlastet als durch das Wild belastet.

Um für diesen Teil einmal zusammenzufassen: Die Jagdlobby sagt ja, Jagd sei in unserer Kulturlandschaft notwendig. Ohne Jäger würden Rehe und Hirsche den Wald auffressen und Wildschweinhorden die Felder verwüsten. Ohne Jäger würden die Wildtiere überhand nehmen. Die Jäger übernehmen die Rolle ausgerotteter, großer Raubtiere. Und nachdem Wolf und Luchs wieder zurückkehren, fordern Jäger den Abschuss, weil die Reviere leergefressen würden. Und natürlich auch, um die Bevölkerung vor diesen gefährlichen Raubtieren zu schützen. Und natürlich wäre die Bevölkerung ohne Jagd auch von Seuchen bedroht, von Fuchsbandwurm, Tollwut und, nachdem es in Deutschland keine Tollwut mehr gibt, durch Räude und Staupe. Und dann natürlich seien Jäger anerkannte Naturschützer. Und wer das nicht versteht, ist ein naturentfremdeter Städter. So wie wir.

Carsten Ja, schwer von Begriff.

Stefanie Genau. Und außerdem sei Jagd Passion und dafür sollten wir Verständnis haben. Der Mensch habe von Natur aus einen…. Also der Mensch sei von Natur aus Jäger und der Jagdtrieb sei angeboren. Der Chefredakteur einer Jägerzeitschrift forderte kürzlich sogar, die Jagd müsse wie die Falknerei zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt werden. Jagd sei ein Menschheitserbe, und Menschsein heißt Jäger sein.

Carsten Ja, das merke ich auch jeden Morgen, wenn ich auf dem Fahrrad sitze und versuche, irgendwelche Tauben zu überfahren oder irgendwelche anderen. Also ich.

Stefanie Du springst immer so in die Luft, reißt die Taube mit, dann ja.

Carsten Das ist also ein Trieb. Also ich kann es nicht anders, das ist so ein Trieb.

Stefanie Auch eine Möwe.

Carsten Ja, hier in Hamburg definitiv Möwen. Also an den Landungsbrücken ganz klar.

Stefanie Da sieht man immer Carsten in die Luft springen und dann hat er sich sein Mittagessen geholt. Nun ja.

Carsten Was mich also neben diesen ganzen Fakten, die ich ja teilweise auch das erste Mal so in dieser Tiefe gehört habe, aber am meisten überrascht hat, war das, was du mir im Vorfeld schon mal so mitgegeben hast, dass diese Ausübung des Jagdes, der Jagd, des Jagdsportes wollte ich schon sagen, aber ich nehme mal den Sportbegriff raus, aber Ausübung der Jagd eine hoch erotische Komponente ist.

Stefanie Genau, weswegen wir hier bei dieser Folge auch das explicit-Häkchen dran machen müssen, weil wir jetzt nämlich zu dem Punkt kommen warum jagen dann Jäger eigentlich wirklich? Wir haben es ja vorhin schon mal so ein bisschen angesprochen mit der Passion. Und wenn wir also jetzt sagen, es geht gar nicht um den Naturschutz und es geht überhaupt gar nicht darum, dass jetzt die Jäger uns vor irgendwelchen Krankheiten schützen wollen.

Carsten Das es quasi nur vorgeschobene Argumente sind, die ganz plausibel klingen und die wahrscheinlich dann auch so im Bewusstsein der Jägerschaft sehr präsent sind und auch gar nicht hinterfragt werden. Genau, aber da steckt mehr dahinter.

Stefanie Und genau warum machen die das denn? Und da haben wir natürlich auch dann Materialien, aus denen ich einige Sachen jetzt zitieren werde. Dazu werde ich aus der Zeitschrift ‚Freiheit für Tiere’, das ist jetzt hier die Sonderausgabe ‚Fakten gegen die Jagd‘ noch einmal zitieren. Du findest ‚Freiheit für Tiere’ auch unter freiheit-fuer-Tiere.de, und dort kannst du das Magazin sicherlich auch beziehen. Es ist sehr interessant, wenn du noch mal alles nachlesen möchtest, kannst du da auf jeden Fall nachlesen. Das habe ich jetzt bekommen von dem Verein ‚Natur ohne Jagd‘, da werde ich auch noch mal alles verlinken zu.

Also ein Jäger bekennt: „Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.“ Und der Journalist und Jäger Eckhard Fuhr versuchte sich im ZEITmagazin als Philosoph, indem er den philosophischen Grundsatz ‚Ich denke, also bin ich‘ abwandelte: „wenn es mir nur um Erholung in der Natur ginge, würde ich Golf spielen. Aber Golf ist für mich so ziemlich das unsinnigste, was es gibt. Jagen dagegen ist Sinn schlechthin, Jagen ist keine Neben-, sondern eine Hauptsache. Ich jage, also bin ich.“ Auf die Frage, warum er jage, antwortet er so: „Und natürlich, ich gebe es zu, Jagd ist aufregend. Auch nach vielen Jahren habe ich mit dem Jagdfieber zu kämpfen. Pulsfrequenz und Adrenalinspiegel steigen, wenn sich jagdbares Wild zeigt. Das Schießen verlangt Selbstbeherrschung. Wenn das tote Reh dann gefunden ist, stellt sich ein unvergleichliches Gefühl innerer Zufriedenheit ein. Doch vergleichbar ist es, nach erfolgreicher Jagd fühlt man sich wie nach gutem Sex oder nach dem Schreiben eines Textes, den man für gelungen hält.“

Eine Notwendigkeit der Jagd für die Natur, den Wald oder die Allgemeinheit ergibt sich daraus nicht gerade. Andere Menschen gehen zum Bungee Jumping, zum Beispiel um den Adrenalinspiegel zu pushen. Aber dafür muss dann niemand leiden und sterben, außer er selbst vielleicht.

Carsten Wenn ich vielleicht einen Klippensprung habe, wo ich mit dem Kopf ins Wasser komme und mir dann noch den Seelachs irgendwie durch den Jagdtrieb dann rausfischen kann, kommt das dem schon recht nahe.

Stefanie Genau. Und unter dem Titel „Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen“ spricht Prof. Dr. Gerd Roman von der Lust zum Beute machen und vom Kick. Er liegt im Akt des Erlegens und Tötens. „Denn darin, dass wir das Naturding Wild töten und dabei einen exorbitanten Lusteffekt erleben, erweist es sich empirisch, dass wir etwas ganz Besonderes in unserem Innern erfahren. Mit der Jagd ist es ähnlich wie mit der Liebe. Das erotische Erleben liegt auf dem Weg zum Höhepunkt. Das Ziel liegt nämlich nicht im schnellen Schuss, sondern im Erstreben und Erleben eines gemeinsam erreichten, anhaltenden Höhepunktes.“ Den emotionalen Höhepunkt seiner Jagd, den Kick, erlebe der Jäger immer dann, wenn er den todbringenden Schuss auslöse. In der Zeitschrift steht dann noch als Kommentar: „Nun erfolgt Sex im Allgemeinen im gegenseitigen Einverständnis der Beteiligten. Andernfalls ist es eine Vergewaltigung und damit strafbar. Der Vergleich von Jagd und Sex hinkt also ziemlich erheblich.“

Und Karin Hutter hat 1988 ein Buch herausgebracht, das nennt sich „Ein Reh hat Augen wie ein 16 jähriges Mädchen“ und schreibt darin: Der Jäger liebt die Natur wie der Vergewaltiger sein Opfer. Also, wir machen weiter. Hm.

Der Jäger und Rechtsanwalt Dr. Florian Asche räumt in seinem Buch „Jagen, Sex und Tiere essen - die Lust am Archaischen“ mit den gängigen Begründungen für die Jagd auf: Jäger als Ersatz für Großraubwild, Jäger als Bekämpfer von Wildschäden und Seuchen, Jäger als Naturschützer und Biotoppfleger, Waidgerechtigkeit. Ein Jäger, der diese Gründe für die Jagd anführe, würde lügen, so der jagenden Rechtsanwalt. Und er gibt offen zu:

„Wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht herzustellen. Zumindest ist das nicht das auslösende Motiv unserer Anstrengungen. Es ist nur eine Rechtfertigung für unsere Triebe und Wünsche, die viel tiefer gehen als die Erfordernisse der Wildschadensvermeidung und des ökologischen Gleichgewichts. Deren Anforderungen regeln höchstens, wie wir jagen, nicht, ob wir es tun.“

Weiter geht es hier in dieser Zeitschrift als Kommentar: Demnach ist die Motivation für die Jagd die Lust. Alle anderen Begründungen, mit denen Jäger ihr blutiges Hobby rechtfertigen, sind nur vorgeschoben. Asche, also der Rechtsanwalt vorhin formuliert es so:

„Wir verwechseln zu gern die erfreulichen und wichtigen Begleiterscheinungen, die unser Tun rechtfertigen sollen mit dessen wirklichen Gründen. Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet. Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.“

Weiter geht es hier mit noch mal einem Kommentar der Zeitschrift: „Der Jäger Dr. Florian Asche bekennt sich zum Archaischen. Der Jagdtrieb sei wie der Sexualtrieb in unserem Reptiliengehirn und im limbischen System angelegt. Diese Triebe auszuleben, sei wichtig für die seelische Gesundheit. Während Sex zu unserem Alltag gehöre, gehe der moderne Mensch aber ‚so verspannt mit Tod und Töten‘ um, beklagt Asche. Nun fragt sich jeder Nichtjäger zurecht, ob das hobbymäßige Töten von Tieren nicht viel eher einen negativen Einfluss auf die seelische Gesundheit hat. Oder man fragt sich, ob die seelische Gesundheit nicht etwas gestört ist, wenn man davon schwärmt, wie lustvoll es ist den Tötungstrieb auszuleben.

Der Wissenschaftsjournalist Gerhard Stark nun stellt er in seinem Buch ‚Tierliebe - eine einseitige Beziehung’ schon vor über 20 Jahren fest. Findet außerhalb der Jägerei ein Mensch einen besonderen Lustgewinn daran, ein Tier zu töten, wird er von Psychologen als seelisch schwer gestört eingestuft.“

Carsten Ich stelle mir gerade vor, wenn man diesen Moment des Tötens als Triebbefriedigung darstellt, wie das denn in diesen Massentieranlagen oder in den Schlachtereien dann vonstatten geht. Ich glaube, das lässt sich nicht wirklich übertragen.

Stefanie Also, ich habe hier noch mehr. Also 3, 4, 5 Seiten. Also der 2016 verstorbene Tiroler Landesjägermeister Stellvertreter Ernst Rudi Gier ruft die Jäger auf, sich zur Jagdleidenschaft zu bekennen: „Wir Jäger und Jägerinnen sollten uns ehrlich und aufrichtig dazu bekennen, wofür wir unser Geld ausgeben und warum wir so viel Zeit und auch Arbeit in die Jagd investieren, nämlich dass wir jagen und unsere Jagdleidenschaft ausleben können. Auch sollten wir ganz offen dazu stehen, wie wir das Jagen für uns einschätzen als Lebenseinstellung, Berufung, Leidenschaft, Trophäen, Sammelleidenschaft oder weiß sonst wie noch und uns nicht in einer unnötigen Rechtfertigung Lügen bedienen, die als unglaubwürdig erkannt werden.“

Und dann gibt es noch den Psychoanalytiker und Neurologen Dr. Paul Parin, der ist 2009 schon verstorben und in seinem Buch ‚Die Leidenschaft des Jägers‘ ergründet er die Leidenschaft, die Passion und das Jagdfieber: „Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich, Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird. Verbote gelten nicht mehr. Wenn man über Jagd schreibt, muss man über geschlechtliche Lust schreiben und über Grausamkeit und Verbrechen. Wirkliche Jagd ist ohne vorsätzliche Tötung nicht zu haben. Leidenschaftlich Jagende wollen töten. Jagd ohne Mord ist ein Begriff, der sich selber aufhebt. Und weil es sich um Leidenschaft, Gier, Wollust handelt, um ein Fieber eben, geht es in diesem Buch, um Sex and Crime, um sexuelle Lust und Verbrechen jeder Art, um Mord und Lustmord.“

Paul Parin beschreibt in seinem Buch auch noch eine Szene, weswegen wir auch das explizit-Zeichen angehakt haben, nämlich wie er den Höhepunkt beim Schuss als Orgasmus erlebte, als er als 13jähriger seinen ersten Haselhahn schoss: „Ich drücke ab. Höre keinen Knall. Spüre den Rückstoß nicht. Ich bin aufgesprungen. Blind und taub stehe ich da. Eine unerträgliche Spannung irgendwo im Unterleib. Etwas muss geschehen. Plötzlich löst sich die Spannung. In lustvollen Stößen fließt es mir in die Hose. Nein, es ist das. Der wunderbare Samenerguss. Der erste bei Bewusstsein. Ich stehe aufgerichtet, das Gewehr in der Linken, kann wieder hören und kann sehen. Dort liegt die Beute. Ein Haufen bunter Federn.“

Carsten Ich kann da jetzt nichts zu sagen. Das ist so...

Stefanie Also als ich das das erste Mal gelesen habe, hab’ ich gesagt: Hallo? Aah! Also es fehlen einem echt die Worte, oder?

Carsten Ja, es ist so ab-art-ig!

Stefanie Also das halt. Ich meine eben. Weiter steht hier, dass Paul Parin zugibt, dass die Tiere unter der Jagd leiden und er auch weiß, dass Rechtfertigungen wie ‚Überpopulation’, ‚Verbiss’, ‚Jäger als Ersatz für Raubtiere’ Jägerlatein sind. Zwar müssten laut Paul Parin „alle erdenklichen Argumente dafür herhalten, um die Jagd von jedem moralischen Makel freizusprechen. Und doch ist die Jagd der einzige normale Fall, bei dem das Töten zum Vergnügen wird.“ Das ist ein Zitat von Paul Parin. Und auch hier steht eben Irgendwie kann man sich beim Lesen solcher Abgründe der menschlichen Seele eines fassungslosen Schauderns nicht erwehren. Und der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Professor Dr. Theodor Heuss, formulierte schon vor über einem halben Jahrhundert sehr treffend: „Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit.“

Carsten Ja, wenn man das jetzt so mitbekommt, was da teilweise, die sind ja Jäger, die darüber berichten.

Stefanie Ja genau, das sind ja nicht irgendwelche Tierschützer, die das schreiben, sondern das sind Jäger, die das selber zugeben und sagen, es geht mir nur um die Lust.

Carsten Und dann kann man nicht nur, sondern dann muss man das Argument von dem Herrn Dr. Heuss so unterschreiben.

Stefanie Und es gibt noch einen Philosophen, Jose Ortega y Gasset, ich habe keine Ahnung, ob ich ihn richtig ausspreche, er ist schon 1955 gestorben. Und in seinen Meditationen über die Jagd schwärmt er über die Jagdlust: „Blut hat eine orgiastische Kraft sondergleichen, wenn es überströmt und das herrliche Fell des Tieres befleckt.“

Und dann gibt es noch ein Zitat von ihm: „Fernab davon, eine von Vernunft gelenkte Verfolgung zu sein, kann man vielmehr sagen, dass die größte Gefahr für das Fortbestehen der Jagd die Vernunft ist.“

Und die Zeitschrift fragt hier, also die ‚Freiheit für Tiere‘-Zeitschrift fragt: „Wie lange wird sich die Öffentlichkeit durch vorgeschobene Rechtfertigungen für ein blutiges Hobby noch täuschen lassen?“ Dann gibt es noch eine Dissertation zu diesem Thema ‚Töten des Wildes‘ und Jagd usw. Und da wird das Ganze wird so nach dem Motto es ist ein Trieb, ein Jagdtrieb. Und die Jäger sollten offen zu ihrem Jagdtrieb stehen. Es ist also was genetisches, was wir alle haben, angeblich. Das wird hier noch mal einmal vorgestellt und die Frage ist nur warum haben denn nur 0,4 % diesen unglaublichen Drang diesen Trieb auszuleben? Aber 99,6 % kommen ganz gut im Alltag klar, ohne den Trieb auszuleben.

Carsten Haben sie ja gar nicht. Die 99,6 % gehören ja der Gruppe an, die irgendwo verhaltensgestört sind. Die müssen ja irgendwas unterdrücken, die können ihren Trieb ja nicht frei ausleben.

Stefanie Also ergänzend dazu sagt der Psychoanalytiker Prof. Dr. Arno Grün: „Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass der Ursprung dieser Bedürfnisse nicht in einer genetischen Struktur oder Naturgebundenheit liegt, sondern in den Gefühlen der Minderwertigkeit, des Mangels an persönlichem Wert und der Unfähigkeit, Unsicherheit zu ertragen. Folglich ist das Streben, absolute Sicherheit und Unverletzbarkeit dadurch herbeizuführen, indem man Menschen, Völker, Tiere und die Natur beherrscht, zu einer fiktiven, aber auch äußerst gefährlichen Fiktion geworden.“

Also Jäger schießen Tiere tot, weil es ihnen einen Kick verschafft, weil sie eine triebgesteuerte Freude am Beute machen haben, und trotzdem rechtfertigen Kick und Freude am Beute machen eben nicht 5 Millionen totgeschossene Wildtiere oder den Abschuss von, jedes Jahr ist es ja auch, 30.000 Hunden oder über 300.000 Katzen. Und verletzte und tote Menschen aufgrund von Jagdunfällen und Straftaten mit Jägerwaffen Jahr für Jahr. Das rechtfertigt das ja alles nicht.

Carsten Ne, also man, man ist ja schon fast verleitet die Jägerschaft irgendwie aus dem Verkehr zu ziehen und irgendwie psychiatrisch behandeln zu lassen. Denn wenn man jetzt sieht, was für ein Unheil die eigentlich anrichten und was da eigentlich tatsächlich als Grund ihres Handelns im Hintergrund steht. Also es ist wirklich, eigentlich schon, fast ohne Worte.

Stefanie Und eigentlich verbietet eben das Tierschutzgesetz genau das, diese Lustötung. Also töten, einfach nur, weil es mir Spaß macht, das verbietet das Tierschutzgesetz. Aber das ja, das Bundesgesetz verankert das eben, dass es okay ist, dass die Jäger auch auf meinem Grundstück jagen und aus Spaß an der Freude meine Katze erschießen. Das ist halt, das steht alles im krassen Widerspruch und es hat sich halt so eine Mystik, so eine Romantik um das Jagen entwickelt. Und die Jagdlobby ist eben auch sehr stark.

Carsten Ja, und Sex in der Öffentlichkeit ist ja auch verpönt. Also müssen die Jäger sich dann irgendwo eine andere Möglichkeit zur Triebbefriedigung suchen?

Stefanie Ja. Soweit jetzt erst mal die Fakten. Ich denke das ist jetzt so weit, ich weiß das eine ziemlich lange Folge, sie wird ja jetzt auch noch länger dadurch, dass Carsten gleich noch das Kinderbuch vorstellt und wir dann noch Amys Beitrag einspielen. Aber ich denke, das ist dem Thema auch wirklich angemessen.

Carsten Ja, und jetzt würde ich tatsächlich den Übergang suchen in einen kinderfreundlichen Bereich, weg von diesem Explicit, den wir jetzt gerade durchleben mussten. Und zwar habe ich auch von dem Verein ‚Natur ohne Jagd’ ein kleines Büchlein oder eine Broschüre, explizit für Kinder, die von dem Autoren Rudolf Polenz erstellt wurde und eine sehr schöne Geschichte beinhaltet, die den Kindern das Naturverständnis näher bringt und eben auch das Thema Jagd thematisiert.

Das Büchlein oder die Broschüre nennt sich ‚Katerchen Moses und Füchsin Fritzi - Das Geheimnis des Waldes‘. Das Büchlein ist in Broschürenform erschienen, umfasst ungefähr 40 Seiten und ist eigentlich eine sehr nette Abendgeschichte, die man auch durchaus vor dem Schlafengehen lesen kann. Es ist wie gesagt für Kinder geschrieben und dementsprechend auch inhaltlich ungefährlich und trotzdem eine sehr, sehr schöne Thematisierung, wie die Jagd tatsächlich auf Tiere wirkt.

Und zwar ist dieses Buch geschrieben aus Sicht eines Katerchens, dem Katerchen Moses, der ja, weil er noch ein Katerchen ist, auch so ein bisschen unbedarft ist und gerne die Welt erkunden möchte und eigentlich auf einem abgesicherten Grundstück lebt, dieses Grundstück dann aber durch eine Lücke im Zaun verlässt und sich im Wald wiederfindet. Und er findet das total spannend, dass er eben in dieser Wildnis ganz viele Dinge erlebt und verläuft sich leider und findet dann nicht mehr nach Hause und möchte aber ganz gerne wieder zurück zu seinem angestammten Heim und läuft der Füchsin Fritzi dann über den Weg und lernt dann von der Füchsin Fritzi so ein bisschen was über das Leben im Wald kennen und muss dort auch eine Nacht tatsächlich im Wald nächtigen, weil es einfach zu spät geworden ist. Also die Füchsin hat ihn dann versprochen: Ich helf dir, ich bringe dich dann wieder zurück nach Hause. Da schaffen wir aber an dem Abend nicht mehr, das wird gleich dunkel und wir müssen alles vorsehen, weil der grüne Tod mit seinem Donnerstab im Wald lauert.

Und ja, man, man weiß quasi im Vorfeld schon als Erwachsener was ist denn der grüne Tod, das ist halt der Jägersmann und der Donnerstab ist halt eben das Gewehr. Und für, das ist jetzt so die Erfahrung, die ich aus dem Vorlesen bei uns gewonnen habe, dem Kind selber ist das nicht unbedingt klar. Und für das Kind ist der grüne Tod im Moment die meiste Zeit dieser Geschichte eben eine ominöse Gestalt, die immer nur als grüner Tod tituliert wird und wo die Tiere aus ihrer eigenen Sicht und Erfahrung drüber schildern, dass es halt sehr gefährlich ist, sich im Wald aufzuhalten, dass man eben auf der Hut sein muss, dass man nicht einfach so über irgendwelche Lichtungen laufen oder sich darauf aufhalten darf, sondern man muss immer irgendwo im Schutz des Dickichts unterwegs sein. Bestimmte Tages- und Nachtzeiten muss man eben auch meiden, um eben diesen grünen Tod nicht über den Weg zu laufen.

Und im Rahmen dieser Erzählung hilft halt die Füchsin Fritzi, dem Katerchen wieder nach Hause zu kommen und die durchleben dann die eine oder andere Situation, die ja das Leben in der Natur zeigt, wie es denn eigentlich gestört durch die Jäger dann stattfinden muss. Dadurch, dass die Füchsin ihre eigene Familie, also Mutter und Schwester, verloren hat, die dem grünen Tod zum Opfer gefallen sind, Fritzi dann aber trotzdem überlebt hat und ja auch einige Beispiele mit beibringen kann, dass der Tod nicht nur durch den grünen Tod kommen kann, sondern auch durch Fallen. Was du Stephanie vorhin schon gesagt hat, ist dann kommen kann. Also da gibt es auch eine Situation, wo das Katerchen Moses dann ja im spielerischen Affekt aus Versehen schon fast einer Falle zum Opfer gefallen ist.

Und ja, das Katerchen Moses lernt halt, dass die Welt dort draußen alles andere als heimisch ist. Er kannte ja vorher aber nur dieses geschützte Zuhause, Gartenbereich, wo er ja regelmäßig mit Futter und Wasser versorgt wurde und sich eigentlich völlig sorgenlos und sorgenfrei dann dann ausleben und austoben konnte. Und das Leben im Wald genau das Gegenteil ist. Durch dieses angstbesetzte ‚Ich muss halt immer auf der Hut sein‘, nicht vor anderen Tieren. Also es ist tatsächlich jetzt nicht der Fall, dass man da irgendwie als Füchsin Angst haben müsste, da kommen irgendwelche großen Raubtiere, sondern die allgegenwärtige Angst, die dann tatsächlich durch den Jägersmann, durch den grünen Tod dann verbreitet wird, der dann zum späteren Zeitpunkt der Geschichte auch tatsächlich aktiv dort mit reinkommt und auch tatsächlich als Gefahr für die Füchsin, als Gefahr für den Katerchen Moses auftritt.

Viel mehr möchte ich jetzt über den Ausgang der Geschichte nicht erzählen. Das nimmt’n Happy End. Aber noch mal zu einer Situation oder zu einer Wendung, wo man denkt okay, das könnte jetzt auch wirklich brenzlig sein, kann das ganze aber sehr kinderfreundlich und kindernett geschrieben. Also es ist eine sehr schöne Umschreibung. Es macht auch Spaß zu lesen und diese Angst und Schrecken, der dann da im Hintergrund durch den grünen Tod dann oder diese Angst und Schrecken, der da von dem grünen Tod verbreitet wird, wird auch kindgerecht behandelt. Es werden keine Schreckensszenarien, die jetzt zu Alpträumen führen würden, behandelt, sondern das ganze wird eben aus Sicht von einem kleinen Kater geschrieben und dementsprechend auch kindgerecht.

Stefanie Ja. Und ab wie viel Jahren meinst du, unser Sohn ist jetzt schon sieben, würdest du das vorlesen?

Carsten Also ich denke, sechs, sieben ist ein gutes Alter. Früher weiß ich nicht, ob da eventuell das Kind schon versteht, was dort passiert. Aber ich denke, so mit sechs Jahren ist es schon ganz gut. Ich habe jetzt leider auch keinen Hinweis darauf gefunden, was der Autor jetzt als Erstleser empfiehlt. Aber ich denke, dass man so mit Schulkindern schon ganz gut aufgestellt und man muss auch keinen direkten Bezug zu Haustieren haben. Also auch wenn das jetzt aus Sicht eines Haustiers geschildert wird, heißt es noch lange nicht, dass man dann dementsprechend zu Hause schon eine Katze oder einen Hund haben muss, sondern das ist quasi so ohne Voraussetzung schon lesbar.

Stefanie Und du hast ja jetzt die Fakten alle, die ich vorhin mal vorgestellt habe, gehört, werden die da auch schon so abgebildet? Also lernt man da auch was draus oder so wie diese Fakten sind?

Carsten Nicht so in diesem Detail, weil die Fakten sind natürlich schon ziemlich heftiger Tobak, und die jetzt quasi dem Kind jetzt an die Hand zu geben, das würde aus meiner Sicht schon tatsächlich zu diesen Albträumen führen. Es wird halt schon thematisiert, dass das Unrecht ist, was dort passiert. Also Unrecht ist jetzt meine Interpretation. Aber dieses Gefühl da, da passiert irgendetwas, was so gar nicht passieren muss, weil die Tiere ganz gut alleine klarkommen und eigentlich durch diesen Eingriff der Jägerschaft mehr Schaden als Nutzen verursacht wird. Also diese Überzeugung oder diese Erkenntnis muss man ja sagen, die wird über dieses Buch schon vermittelt und das Buch hat auch schon den den Zweck, Kindern ein, ich sag jetzt mal, gesunden Umgang mit der Natur ja darzulegen und und denen zu zeigen, dass Jagd nicht unbedingt zu einer gesunden Naturlandschaft zählt.

Ich kann da noch mal zur Einleitung des Buches so zwei, drei Sätze vorlesen, die der Autor selber voranstellt. Er schreibt ja, dass „dieses Buch einerseits ein Märchen ist, andererseits aber auch eben die tägliche Realität in der Natur aufzeigt.“ Und er schreibt unten auch nochmal, „es wird aufgezeigt, dass auch Tiere leidensfähige Wesen sind, die es vor jeglichem Missbrauch zu beschützen gilt, insbesondere vor der Jagd und den Jägern. Tiere empfinden ebenso wie der Mensch Schmerz und Angst.“ So, und das ist dem Autor wirklich sehr gut gelungen, das zu vermitteln und kindgerecht aufzubereiten, dass das Ganze auch als Abendgeschichte vor dem Zubettgehen dann noch super funktioniert.

Stefanie Deswegen auf jeden Fall von uns die Empfehlung. Lass dich vom Cover nicht abschrecken. Das ist jetzt einfach nur ein Designaspekt und der sagt überhaupt nichts über den Inhalt aus und auch gar nichts über die schönen Zeichnungen da drin. Und du sagst, es ist auf jeden Fall lesenswert.

Carsten Ja, ja, es ist auch kein Jägerbashing oder sowas, wo es wirklich drauf ankäme, jetzt in den Jäger an sich so schlecht zu machen, sondern das ist einfach nur das Naturverständnis klarstellen, dass das Tiere eben auch schutzbedürftig sind, Schmerzen empfinden, selber den Drang zum Leben haben und dass da Eingriffe, durch die die Jagd, unverhältnismäßig viele Nachteile mit sich bringt. Ich kann mich da nur wiederholen es ist sehr kindgerecht geschrieben und trifft also genau diese Zielgruppe. Und da macht tatsächlich Spaß, das durchzulesen. Ist allerdings aufgrund der Kürze auch eine Sache, da wo man vielleicht, wenn man streckenweise liest, an ein oder zwei Abenden das Buch dann auch schon durch hat.

Stefanie Wir verlinken das noch mal, wo du das alles finden kannst, wo du es bestellen kannst und. Und damit es jetzt nicht nur Fakten sind und das Kinderbuch hat auch unsere Hörerin Amy noch etwas beigesteuert, das hörst du gleich. Und zwar ist es ihre subjektive Sichtweise, wie es ist, wenn du eine Jägerin oder ein Jäger in der Familie hast und wie sie das sieht und wie sie bisher damit umgegangen ist.

Amy Hallo liebe Stefanie, hallo lieber Carsten. Ich freue mich sehr, dieses Mal direkter mit dabei zu sein. Ja, dann fange ich auch gleich schon mal an.

Also einleitend kann ich sagen, dass dieser Jägerideologie schon ziemlich starkes Dogma zugrunde liegt, so wie ich das erlebe, erlebt habe und erlebe. Also es wirkt so fast ein bisschen wie so eine festgefrorene Geisteshaltung. Und ich glaube auch, dass das halt eine Form der Sublimierung oder Kompensation von etwas ist, das irgendwann, irgendwo im Leben wahrscheinlich mal fehlte. Also das ist wahrscheinlich individuell und ich kann das natürlich nicht verallgemeinernd beurteilen.

Aus meinem familiären Umfeld, wie das Verhältnis zu Tieren so gehandhabt wurde, war das natürlich auch so ein Teil des Auslösers dessen, warum ich schon sehr früh Vegetarierin geworden bin, als Kind und dann halt eben irgendwann Veganerin und dann mal wieder zum Vegetarischen zurück usw. zwischendurch auch mich Omnivore ernährt habe, das war eine lange Zeit eine große Verunsicherung und ja, letzten Endes aber für mich einfach rausgefunden habe, dass mein ethisches Verständnis gar nicht anders sein kann als vegan. Ja.

Es gibt halt irgendwie so natürlich auch bei bei ner Jägerschaft so Glaubensgrundsätze, die so eigentlich dem Karnistischen gleichen, weil es ist es ist ja eigentlich auch nichts anderes als Karnismus. Und also da sind genauso diese Sätze eben ‚die Jagd ist notwendig, weil …‘, ‚die Jagd ist gut, weil …‘ usw. Also meistens ist es natürlich das Argument Population, Populationsregulierung und diese Glaubensgrundsätze, die bilden dann halt erst mal in der Familie natürlich auch so eine gemeinschaftliche Realität. Irgendwann wird das rausgetragen, dann bildet es eine gesellschaftliche Realität und die sind so eng verbunden irgendwie mit diesem ‚Mensch versus Tier‘, also ‚wir‘ und ‚sie‘. Und das ist ja dieser grundlegende Teil des Karnismus-Systems, weil wenn man nicht überzeugt von der Überlegenheit ist, dann funktioniert Karnismus nicht, dann würde sich das praktisch ja auf der Stelle auflösen.

In der persönlichen Beziehung, das war ja auch so deine Frage, Stefanie, da kann ich halt so sagen, dass ich schon noch so eine Linie ziehe zwischen Freundschaft und Familie. Weil ja, bei Freundschaft geht es glaube ich doch auch ein bisschen mehr um Aussuchen und entscheiden. Und es läuft auch eben auf natürlich viel freiwilligerer Basis. In die Familie wird man eben hineingeboren und dann hat dann automatisch so eine Verbindung. Höchstwahrscheinlich würde ich mich im privaten Bereich nicht dazu entscheiden, mit einem Jäger enger befreundet zu sein. Was jetzt nicht den Grundrespekt ausschließt, den ich erst mal für jeden Menschen habe. Aber ja, bei Familie ist es halt, die liebt man und egal, ob Sie sich jetzt dieser Liebe würdig erweisen oder ob Sie selbst eine besonders ausgeprägte Liebesfähigkeit haben oder ob sie sozial reflektiert sind, dieser dieser Bund ist eben da, ob man ihn haben will oder nicht.

Und natürlich ist es auch da eine Frage, wie man diese Beziehungen gestaltet und wo man die Grenzen setzt. Und natürlich gibt man so einen haltgebenden Familienbund auch nicht leichtfertig auf und Menschen, die man liebt, gibt man nicht leichtfertig auf. Und es gibt ja auch Gründe dafür, warum man sie liebt. Es ist ja auch nicht nur etwas von der Geburt Auferzwungenes oder so. Also mittlerweile kann ich sagen, bin ich mit meiner Familie eben auch gerne zusammen. Es ist auch nicht mehr so viel Familie übrig, aber es sind für mich auch eben einfach Menschen, die ich zum Teil auch eben wegen ihrer Eigenschaften liebe.

Und es ist halt eben immer wieder so ein Abwägen und immer wieder Geduld und Liebe und Nachsicht und Grenzsetzung und für sich dieses Ausloten halt einfach. Wie viel halte ich aus und. Ich spreche es von mir aus nicht so an, das Thema Jagd und wenn, dann ist es meistens direkt auch von meinem Verwandten selbst. Und also zum Beispiel beim gemeinsamen Essen, das ist ja sowieso schon immer so diese Plattform für ethische Gespräche, schon allein durch meine vegane Ernährung. Und wir kennen das ja auch von uns selbst alle, dass eigene Konflikte immer so zu Diskussionen anreizen, wenn man etwas Ungeklärtes in sich hat, wenn man ungeklärte Fragen hat und sieht, irgendjemand anderes geht da ganz anders mit um und vielleicht auch auf eine seltsame Art und Weise bestimmt, und wo kommt das her. Und so und das bietet halt dann oft auch, ähm ja, das hat halt eben Konfliktpotential.

Und dann während solcher Gespräche spulen sich dann eben auch oft diese Dogmen ab, teilweise so ein bisschen wie vom Tonband. Also warum eben Jagen gut und notwendig ist. Aber die häufigste Form in der es an mich herangetragen wird, ist eigentlich Relativierung in Form von Vergleichen. Also zum Beispiel jetzt, weiß ich nicht, wir laufen da jetzt durch diese Böschung, und wenn du jetzt aber jetzt da durch läufst, dann machst du ja auch ganz viele Insekten tot und ganz viele Mikroben tot, und du kannst ja das Leid eh nicht verhindern, also ... Wo dann halt der Satz auch abbricht, weil die Botschaft dann ist, also dass es dann halt keine offene Kommunikation mehr. Da kommt dann halt nicht die Folge. So, du kannst mich ja nicht beschuldigen, weil du eben auch. Sondern äh das soll man sich dann denken, den Teil. Und ähm ja, also das ist dann halt so dieses ‚Du kannst mich ja nicht beschuldigen, dass ich Tiere umbringe, weil du machst das ja auch‘.

Und dabei wird natürlich auch dieser Teil mit dem Leid total dissoziiert, sozusagen. Also, es besteht dann wirklich kein Unterschied mehr zwischen einer Mutterkuh, der das Kälbchen weggenommen wird und einem Salatkopf oder einem Schwein, das seine eigenen Babys erdrückt und einer Mikrobe oder so. Also diese Dimensionen, die sind dann so völlig gar nicht existent. Also es ist auch teilweise echt interessant mit was dann also was da so ausgeblendet wird und was da so gar nicht thematisiert wird.

Und es hat wirklich sehr, sehr lange gedauert, bis ich das nicht mehr persönlich genommen habe. Also es war echt ein ganz schön schwieriger Prozess, aber mittlerweile habe ich da tatsächlich auch ein anderes Licht so drauf, dass ich merke, er rechtfertigt es jetzt gerade vor sich selbst und es hat mit mir eigentlich gerade gar nichts zu tun. Er merkt nicht oder ignoriert auch, dass ich bei meiner Ethik, bei meiner ethischen Einstellung bleibe. Und was ich dabei fühle oder so, ist in dem Moment eigentlich auch irrelevant.

Auch diese Verbindung zwischen Ethik und emotionaler Reaktion, diese Verbindung wird gar nicht hergestellt. Also da findet in der Stelle kein empathischer Austausch statt. Häufig. Ich will jetzt nicht behaupten, dass es immer und überall so sein muss, aber es ist oft so. Und ansonsten reagiere ich halt eben auch da nicht so stark auf sein Interesse, auf die Praktik des Jagens. Und bekomm das dann so mehr oder weniger am Rande mal mit das so, jetzt ist er halt zur Jagd. Aber meistens ist, dass die Weiden repariert werden müssen, weil ja die Population der Wildschweine in den letzten Jahren so explosionsartig zugenommen hat, durch die starke Bejagung, was ja jetzt mittlerweile auch schon wirklich durch einige Studien belegt ist. Ich habe dazu auch neulich erst so eine Langzeitstudie entdeckt, die ist 2009 schon veröffentlicht worden. Das war so eine Wissenschaftlerin, Sabrina Savanty heißt die, ich weiß nicht, ob ich die richtig ausspreche. Und die hat das erforscht, also über Langzeit praktisch nachgewiesen, dass die Bejagung die Fruchtbarkeit stimuliert und dass halt eben ja auch alle Altersklassen geschossen werden und dadurch dann eben diese chaotischen Rangverhältnisse entstehen und auch zur Vermehrung unter den Jungtieren führen, weil halt die älteren Tiere gerade die Leitbachen, die sind dann halt nicht mehr da, um zu sagen ‚so nee, Kinderchen, das lässt alles da jetzt mal schön bleiben‘. Es ist ja auch nicht so ganz menschenunähnlich, wenn man es genauer betrachtet. Ja, aber das ist halt eben so.

Die Schwierigkeit daran ist, dass dieses ganze Jagdsystem eigentlich auf einem Märchen aufbaut, diesem Märchen vom Jäger, der die Natur und die Tiere so liebt, dass er sie durch Tötung vor sich selber schützen muss. Was natürlich wirklich ein Gute Nacht-Märchen für kleine Kinder ist. Obwohl ja eigentlich ein ziemliches Gruselmärchen. Aber das Problem ist halt eben auch, dass die das auch von der Politik mit gestützt wird, also vom gesamten Gesellschaftsapparat gestützt wird und es einfach zu wenig Gegenstimmen gibt. Es gibt sie, aber sie sind leider einfach, ja, kommen da nicht an gegen ähm weiß ich 400.000 Hobbyjäger und und politischer Stützung.

Ja, also, ich muss mir selbst, jetzt, um zurück zu diesem persönlichen Aspekt zu kommen, ich muss mir selbst immer wieder zurückrufen, da ist eben nicht nur der Jäger, da ist nicht nur das Problem, nicht nur die Kindheitsprägung oder psychische Probleme oder das. Da ist auch der Teil, der sehr menschlich ist. Und manchmal beschleicht mich so das Gefühl, ich verdränge es ehrlich gesagt ein bisschen, dass durch, nur durch diese Sublimierung manchmal erst, das überhaupt möglich ist, dass sich der der gute Mensch entwickelt oder der gute Teil der Persönlichkeit entwickelt, weil dem anderen Teil vielleicht dafür kein Platz gegeben wurde. Und dann wird es halt so ausgedrückt oder so ausgetragen. Ja, ich darf dabei meine Menschlichkeit eben nicht vergessen. Es ist nicht leicht. Gerade weil ich weiß, dass diese Seite auch nie, eigentlich gar keine Chance hat, gesehen zu werden. Das, dass es für mich nicht so ist, dass da irgendwelche Geweihe, Trophäen oder eine gute Tat an der Wand hängt, sondern dass es Köpfe sind, Köpfe von Individuen, die leben wollten und das ist für mich ziemlich schlimm ist und ich wirklich einfach keine Chance darauf habe, dass das gesehen wird.

Ja, also, es ist und bleibt schwer. Definitiv. Kann man nicht anders sagen. Es ist halt eben dann auch eine Frage der Selbstfürsorge, denke ich, zu schauen halt irgendwie, ja, womit komme ich klar und wo ist meine Grenze und wenn die Grenze erreicht ist, dann ziehe ich mich dann auch eben raus.

Ja, das war soweit glaube ich, alles, was ich dazu beitragen konnte. Ich hoffe, dass das irgendwie ein bisschen Einblick gegeben hat für Menschen, die jetzt gar keinen Kontakt dazu haben. Aber ja. Ich denke da kann man noch viel sich drüber austauschen und das ist auch gut, wenn man da die Möglichkeit hat, gemeinsam drüber zu sprechen. Ja und für diese Chance bedanke ich mich ganz doll bei euch beiden und ich bin total gespannt, wie es weitergeht und ich freue mich. Also dann bis bald. Tschüss!

Stefanie Das war jetzt Amy mit ihrer persönlichen Sichtweise und ich denke, das hat es wirklich super abgerundet. Dadurch haben wir jetzt die Jagd von allen Seiten beleuchtet und wenn du noch irgendwelche Fragen hast oder Anmerkungen, dann schreib uns gerne eine Email an, post [at] vonherzenvegan.de. Sowieso verlinken wir alles zur Jagd, all unsere Materialien in den Shownotes. Du findest da also alles wieder. Und dann möchte ich diese Folge auch nicht beenden, ohne mich bei all unseren treuen Steady Unterstützern und Unterstützerinnen zu bedanken. Ganz, ganz herzlichen Dank.

Carsten Wieder einmal ganz, ganz, ganz herzlichen Dank auch von meiner Seite. Ja, und in diesem Sinne.

Stefanie In Hamburg sagt man Tschüss.

Carsten Und bis zum nächsten Mal.

Stefanie Nun muss ich diese doch sehr lange Folge noch ergänzen durch ein Richtigstellung, denn unsere Hörerin Mareike hat ganz richtig angemerkt, dass der Part betreffend dem Erschießen von Haustieren nicht ganz so stimmt. Denn das Bundesjagdgesetz besagt, dass in befriedeten Bezirken nicht gejagt werden darf. Nach §6 Bundesjagdgesetz, und die Länder erlassen Landesjagdgesetze. Und in dem für Schleswig Holstein zum Beispiel zählen zu befriedeten Bezirken unter anderem Gebäude, eingegrenzte Hofräume und Hausgärten, öffentliche Parkanlagen, Sport und Spielplätze, Friedhöfe, Kleingartenanlagen, Tiergehege, Bundesautobahnen nach §4 Landesjagdgesetz.

Darüber hinaus dürfen nur wildernde Hunde und Katzen getötet werden, das heißt Hunde, die im Jagdbezirk außerhalb der Einwirkungen der sie führenden Personen sichtbar wild verfolgen oder reißen, und Katzen, die im Jagdbezirk weiter als 200 Meter vom nächsten Hause angetroffen werden. Ausgenommen sind außerdem als solche erkennbare Hirten-, Jagd-, Blinden-, Behinderten-, Begleitzug-, Rettungs- und Diensthunde, §21 Landesjagdgesetz.

Bei Katzen ist das Wildern nach oben genannter Definition in ländlichen Gegenden natürlich relativ schnell erfüllt, aber im Garten und über den Zaun hinweg darf ein Jäger eine Katze nicht erschießen. Auf der Seite von Zwangsbewegung-ade.de steht auch ganz klar: sind sie Eigentümer eines Grundstückes, das gegen Ihren Willen bejagt wird. Sie können davon ausgehen, dass die Jagd auf Ihrem Grund und Boden ausgeübt wird, sofern Ihre Wiese, Ihr Feld oder Waldgrundstück außerhalb der Ortschaft liegen und nicht befriedet sind. Sie sind dann zwangsweise Mitglied in einer sogenannten Jagdgenossenschaft und müssen dulden, dass bewaffnete Jäger ihr Grundstück betreten, dort Schießtürme errichten, Fallen aufstellen, Futterstellen anlegen, Gesellschaftsjagden abhalten und Wildtiere sowie Katzen und Hunde töten. Das heißt also, die Zwangsbejagung bezieht sich tatsächlich nur auf Grundstücke außerhalb der Ortschaft. Wie es genau im Einzelnen Bundesland gehandhabt ist, das müsstest du selbst einmal nachlesen.

Und dann ist es natürlich auch wieder heikel. Erkennbare Hirten-, Jagd-, Blinden-, Behinderten-, Begleit-, Such-, Rettungs- und Diensthunde, da kann natürlich immer wieder gesagt werden ‚Ja okay, habe ich nicht erkannt, habe ich aus Versehen erschossen.‘ Wenn Jäger schon Pferde oder Ponys erschießen, Menschen erschießen und dann werden sie durchaus auch bei der Unterscheidung von Hunden nicht immer so klar sein. Also das nur als Richtigstellung, da hat Mareike uns darauf aufmerksam gemacht, dass das so nicht stimmt, wie ich das geschildert habe, dass also alle Grundstücke betroffen sind, sondern es sind tatsächlich nur die Grundstücke betroffen, die außerhalb einer Ortschaft liegen und die unbefriedet sind.

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