Alles könnte anders sein - Harald Welzer

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Folge 183 - Alles könnte anders sein - Harald Welzer

In dieser Folge besprechen wir Harald Welzers Buch "Alles könnte anders sein".

Dieses Buch beschreibt nicht die Gegenwart, sondern Möglichkeiten, wie wir die Klimakrise lösen können. Es ist alles schon da, wir müssen es nur anders anordnen.

In seiner etwas flapsigen Art stellt Harald Welzer 17 Bausteine vor, aus denen wir uns eine moderne Gesellschaft bauen können, in der ein gutes Leben für alle Menschen auf dieser Erde möglich ist.

Carsten und ich haben das Buch beide gelesen und tauschen uns darüber aus, was uns gefällt, was uns fehlt und wo uns Harald Welzer nicht weit genug geht.

Vollständiges Transkript

Stefanie In dieser Folge sprechen wir über das neue Buch von Harald Welzer „Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen.“

Carsten Und im Gegensatz zu anderen Büchern ist es jetzt tatsächlich mal so, dass sowohl Stefanie als auch ich dieses Buch gelesen haben.

Stefanie Genau. Und wir wollen uns heute darüber unterhalten, wie wir das Buch denn so fanden und was uns wichtig erscheint, weiterzugeben.

Carsten Ja, und wir mussten wirklich an uns halten, dass wir uns nicht im Vorfeld schon untereinander unterhalten, um das Ganze irgendwie, ja loszulassen, sondern wir haben wirklich jetzt erst mal abgewartet, bis wir hier in diesem Podcast Gespräch sind.

Stefanie Genau. Ich dachte schon, hier in diesem Studio.

Carsten In diesem Studio. Genau.

Stefanie Genau. Also, Carsten, wie fandest du das Buch?

Carsten Gut. Toll. Ja.

Stefanie Gut. Und mit diesen Worten geben wir zurück ins Studio.

Carsten Statt ins Hauptstadtstudio.

Stefanie Genau. Ähm, ja. Also. Du fandest...

Carsten Du willst das ein bisschen differenzierter?

Stefanie Ich möchte wissen: Fandest du es wirklich rundum gut? Würdest du es uneingeschränkt empfehlen?

Carsten Prinzipiell ja. Ich würde es uneingeschränkt empfehlen. Ich muss sagen, Harald Welzer hat für mich sehr viel Inspiration. Und auch in diesem Buch - das war schon in den anderen Büchern, die wir von ihm gelesen haben, der Fall, dass ich von der Art und Weise, wie er Sachen beschreibt und wie er sie auf den Punkt bringt, schon sehr viel mitnehmen kann. Und das führt sich in diesem Buch fort. Es gibt so ein paar Einschränkungen, also mir fehlen so ein paar Sachen, die werden wir aber im Laufe des Gesprächs dann wahrscheinlich erörtern. Aber prinzipiell würde ich sagen, Personen, die eine Veränderung in der Gesellschaft haben möchten und gerade auch hinsichtlich des Klimawandels, weil darum geht es ja heutzutage immer stärker, denke ich, werden gut daran tun, dieses Buch zu lesen.

Stefanie Ja, also mir ging es teilweise nicht weit genug. Er stellt einige Sachen in Frage, aber andere nimmt er einfach so hin. Und das fand ich nicht okay. Da habe ich das Gefühl, dass er da irgendwie noch in dem System verhaftet ist und der Meinung ist, dass sich da nichts ändern muss. Und da würde ich auch gerne später noch drauf eingehen.

Carsten Ja.

Stefanie Also generell halte ich es auch für ein gutes Buch, aber mit Einschränkungen. Und ich kann es nicht uneingeschränkt empfehlen, so wie du.

Carsten Okay.

Stefanie Ich habe mir gewünscht, dass es dann doch noch ein bisschen weitergeht.

Carsten Okay, weiter in Form von konkret oder…?

Stefanie Vom Denken her. Also wirklich das System komplett in Frage zu stellen. Weil jetzt zum Beispiel - sollen wir jetzt direkt einsteigen?

Carsten Wir können direkt einsteigen.

Stefanie Zum Beispiel beim Thema Bildung fand ich, dass er da doch immer noch in diesem Bildungssystem, was derzeit en vogue ist, verhaftet ist und dass er das nicht weit genug infrage stellt. Er sagt zwar na ja, man könnte die Schüler·innen irgendwie ein bisschen lockerer unterrichten und so, aber er bleibt immer noch in diesem „Man muss sie unterrichten“ Modell drin. Und das hat mich dann doch gestört.

Carsten Na, ich glaube, das weiteste, was er so benannt oder vielleicht auch für sich gedacht hat, war dieser Montessori Ansatz. Also den hat er zumindest namentlich genannt. Und was ich gut finde ist, dass er das Thema generell anspricht. Also das trifft man ja relativ selten in dieser ganzen gesellschaftskritischen Thematik, es sei denn, man schaut jetzt sehr speziell hin. Mir persönlich ist es ja erst aufgefallen dadurch, dass wir unser eigenes Kind zur Schule bringen, aber ansonsten habe ich das so nicht wahrgenommen und deswegen fand ich das schon sehr cool, dass Harald Welzer das jetzt in seinem Buch auch mit thematisiert und sagt: Wir brauchen eigentlich eine neue Bildung.

Stefanie Ja, also das schon. Nur geht er in anderen Punkten so weit, dass er sagt, dass das alles ja, wenn man in der Historie zurückgeht, noch gar nicht so lange in unserer Gesellschaft Standard ist. Und das ist ja mit dem Bildungssystem genauso und deswegen hätte ich mir gewünscht - andere Themen stellt er in Frage, aufgrund dessen - dass er genau mit dieser Beweisführung sagt, dass es das noch erst vielleicht seit der Industrialisierung gibt, zum Beispiel. Und wir haben so und so viele 1000, 10.000, zigtausende Jahre ohne gelebt und da hat der Mensch wunderbar funktioniert. Aber seit der Industrialisierung ist es so und so und deswegen können wir das jetzt auch wieder umdenken, so diese Struktur, die führt er nicht für die Bildung an.

Carsten Ja, das stimmt. Also da reflektiert er tatsächlich nicht die Wurzeln des Bildungssystems. Was ich aber schon sehr schön fand, war, dass - er versucht das immer sehr pointiert und teilweise auch mit einer gewissen zynischen Ader dann zu formulieren - er sagte, das Bildungssystem oder die Art und Weise, wie wir Bildung heute leben und erleben, funktioniert ja schon allein deswegen nicht, das sieht man ja an den heutigen Politiker·innen, die genau dieses Bildungssystem durchlaufen haben und schon obwohl sie nach unserer Meinung ja eine gute Bildung mitgenommen haben, eigentlich nicht in der Lage sind, die heutigen Probleme zu lösen. Er spielt da ganz klar auf die Klimakrise an. Und das ist für ihn so schon ein Aspekt, wo er sagt wir müssen Bildung neu denken.

Stefanie Ja, ich würde jetzt trotzdem gerne noch mal so einen Rahmen um dieses Gespräch hier bauen, damit wir jetzt nicht über Details reden und alle sich fragen: Was, worüber reden die eigentlich?

Carsten Vor allen Dingen ist Bildung ja nur ein Baustein von dem Buch und noch nicht mal der der größte.

Stefanie Ja. Ich würde dazu vielleicht einmal ins Inhaltsverzeichnis schauen und kurz vorlesen, was da steht.

Carsten Genau. Genau.

Stefanie Also er hat es eingeteilt in das erste Kapitel „Wieder gut machen.“ Und schreibt dann dadrüber: „Es war nicht alles schlecht im Kapitalismus. Gelebte Illusionen, Gesellschaften für freie Menschen sind widersprüchlich. Die Moderne, wie wir sie kannten, die Zukunft, Produktivkräfte des guten Lebens und von Zukünftigkeit. Mythen. Quellen eines Realismus des guten Lebens und Zeit für Wirklichkeit.“ Und dann ist das zweite Kapitel „Alles könnte anders sein.“ Und da arbeitet er mit Legosteinen.

Carsten Ich finde die Parallele ganz cool. Vor allen Dingen, weil er die in zwei Arten reflektiert. Aber lies doch erst mal vor.

Stefanie Ja, ich fand das aber auch gut. Ich kenne es jetzt aktuell mit unserem Kind auch so, dass es diese vorgefertigten Kisten zu kaufen gibt. Also nicht einfach nur Steine, sondern Sets in denen die Polizeiwache drin ist oder das Flugzeug drin ist oder was auch immer, das schon vorgegeben ist, was die Kinder damit bauen. Und er meint , dass Lego früher im ursprünglichen Sinne einfach nur Steine waren, mit denen man alles bauen konnte, wo nichts vorgegeben war. Und das ist der Grundgedanke, weswegen er auf Lego kommt. Und jetzt muss ich mal wieder dahin blättern.

Und er nennt 17 Legosteine, aus denen wir uns quasi jetzt unsere neue Gesellschaft zusammenpuzzeln können.

  • Das erste Lego ist die Wirtschaft.
  • Das Zweite Autonomie. Selbst sein können und wollen
  • Das Dritte Fähigkeiten, persönliche Möglichkeiten und Bedürfnisse.
  • Das vierte: Warum eigentlich immer arbeiten?
  • Das fünfte. Nachhaltigkeit ist von gestern. Wirtschaften in der Zeit ist von morgen.
  • Sechstens Gerechtigkeit, woran alle Menschen glauben möchten.
  • Der siebte Legostein ist Gemeinwohl
  • Der achte Solidarität
  • Der neunte Mobilität
  • Der zehnte Boden. Pässe. Grenzen. Antimodernes aus der Moderne.
  • Der elfte. Beziehungen. Kommunikation. Liebe. Die menschliche Welt ist zwischenmenschlich.
  • Der zwölfte Legostein: Freundlichkeit
  • Der dreizehnte ist Zeit
  • Der vierzehnte Institutionen
  • Der fünfzehnte Infrastrukturen
  • Der sechzehnte Legostein lautet Verschiedenheit und Erfahrung
  • und der siebzehnte Legostein Sinn.

Und dann kommt er zum Dritten Kapitel „Der Neue Realismus.“ Da geht es um „Sinn - realistisch, Migration - realistisch, Solidarität - realistisch, Wirtschaft - realistisch, Stadt - realistisch, die analoge Stadt, Arbeit - realistisch, das bedingungslose Grundeinkommen, Zeit - realistisch, Digitalisierung - realistisch, Bildung - realistisch und wieder gut machen - realistisch und Zukunftsbilder - realistisch.“ Und dann hat er noch seine elf Merksätze zum Neuen Realismus. Die können wir nachher vielleicht zum Schluss vorlesen.

Carsten Ja, genau. Jetzt würde ich aber ganz gern noch was anführen, weil du gerade aus dem dritten Teil immer dieses realistisch benannt hast. Er spricht deswegen explizit von Realismus oder von einer realistischen Thematik, weil er das aktuelle Wirtschafts- und Gesellschaftssystem als Illusion betrachtet. Wir glauben, dass das, was wir heute kennen, zum einen alternativlos ist, was eine Illusion ist. Zum Zweiten das Beste ist, was es gibt, was auch eine Illusion ist. Und zum Dritten, dass es funktioniert, was auch eine Illusion ist, weil allein dadurch, dass wir unsere eigene Lebensgrundlage verbrauchen, zerstören wir uns oder unsere Lebensgrundlage selbst und werden damit einfach nicht weiter vorankommen. Vielleicht noch ein paar Generationen und ein paar privilegierte Schichten, aber insgesamt, als Gesellschaft werden wir es nicht schaffen mit der Art und Weise, wie wir heute wirtschaften und leben wirklich zukunftsweisend nach vorne zu kommen. Und das bezeichnet er klassisch als Illusion. Und dem entgegen spricht er von Realismus und versucht mit realistischen Annahmen das Ganze auf eine Ebene zu führen, wo man sagt okay, das ist jetzt auch tatsächlich zukunftsweisend, nachhaltig, wie auch immer, also hat Bestand und läuft nicht gegen die Wand wie das, was wir jetzt gerade machen.

Stefanie Das sind seine Vorstellungen von der Zukunft, er schreibt auch immer „Ich stelle mir vor, Stadt realistisch, wie das aussehen könnte.“ Das heißt, es ist jetzt nicht unbedingt alles belegt, sondern es ist seine Idee, sein Vorschlag.

Carsten Ja, richtig, genau.

Stefanie Und was ich noch hinzufügen wollte: Harald Welzer sagt auch, dass alles schon da ist und wir es nur anders zusammensetzen müssen. Und das ist eigentlich auch das, was wir jetzt auch schon in den letzten Jahren einfach gemerkt haben. Wir müssen nichts Neues erfinden, damit wir überleben oder unsere Lebensgrundlage retten können, sondern es ist alles schon da. Wir müssen es einfach nur anders zusammensetzen. Und deswegen hat Harald Welzer einfach dieses Bild von den Legosteinen genommen, was ja auch ganz sinnig ist, dass du dann die Legosteine nimmst und sie anders zusammensetzt und etwas anderes daraus baust und wir jetzt, wie gesagt, nichts Neues hinzupacken müssen. Das finde ich noch wichtig zu sagen, das ist alles schon da, wir müssen es nur anders zusammenbauen.

Carsten Genau. Und vielleicht in dem Zusammenhang, er spricht auch von einem Experiment und was er darunter versteht und was sich dahinter verbirgt, das ergibt sich dann aus dem Buch. Und ich glaube, diesen Abschnitt, den lesen wir jetzt einmal kurz vor.

Stefanie Diesem Abschnitt geht ein Exkurs über Entscheidungsträger voran. Und wenn er jetzt über „solche Leute“ spricht, dann meint er damit die Entscheidungsträger: „Unter Federführung solcher Leute findet gegenwärtig ein globales Experiment statt. Da wird in allen Daseinsbereichen ausprobiert, ob man klar definierte Grenzen der Nutzung naturaler Gegebenheiten überschreiten kann, ob man, einfacher gesagt, in einer endlichen Welt unendlich wachsen kann. Das ist der weltweite Versuchsaufbau. Und obwohl diese Grenzen mit zunehmender Übernutzung immer deutlicher zutage treten, entscheiden sich täglich weltweit mehr Menschen dafür, an diesem Experiment teilzunehmen, obwohl sein Ergebnis, nämlich Kollaps, klar absehbar ist, gibt es keine Mehrheit, die für einen Abbruch stimmen würde. Alle Vernunft und alles Wissen sprechen für einen Abbruch und für das Experimentieren mit Alternativen. Aber nirgendwo findet sich eine Mehrheit, die von ihrer Vernunft und ihrem Wissen Gebrauch machen würde. Ganz im Gegenteil. Diejenigen, die andere Formen des Wirtschaftens und Lebens ausprobieren, müssen sich ständig dafür rechtfertigen, da das alles ja nie funktionieren könne. Seltsam. Das Experiment mit dem absehbaren negativen Ergebnis steht nie unter Rechtfertigungsdruck. Aber die, die andere Wege ausprobieren, müssen sich ständig dafür rechtfertigen. Warum? Weil sie als lebendige Beispiele dafür, dass die Sache mit der Alternativlosigkeit nicht stimmt, kleine, aber lästige Systemstörungen darstellen.“

Carsten Ja, und er spricht im weiteren Verlauf davon, dass es viele kleine Experimente geben muss, die in der Lage sind, die Zukunft anders zu gestalten. Und diese kleinen Experimente können durchaus scheitern, aber sie können auch gelingen. Und dieses ganz große Experiment ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und deswegen animiert er dazu, kleinere Experimente zu starten. Und das sind diese Lego Bausteine. Er will damit auch skizzieren, dass es nicht die eine Lösung gibt, sondern dass man sich an diese Lösung herantasten muss und dass es da dementsprechend auch die Wahrscheinlichkeit gibt, dass man mit dem Lösungsversuch auch scheitern kann. Was aber nicht davon abhalten soll, weiter an Lösungen zu arbeiten.

Stefanie Ich finde es auch ganz lustig, dass er die gegenwärtige Situation, also die Realität, Gegenwart, wie auch immer man es nennen soll, als Experiment bezeichnet, weil es das Ganze dann nicht als Tatsache hinstellt, sondern einfach nur als eine Möglichkeit von vielen. Also es ist nicht alternativlos, es ist ein Experiment und zieht das Ganze natürlich auch irgendwie ein bisschen ins Lächerliche. Und ich finde auch, sein ganzes Buch ist so ein bisschen flapsig geschrieben. Also es ist definitiv keine harte wissenschaftliche Veröffentlichung, sondern so geschrieben, als würde er sich nett mit einem Freund oder einer Freundin unterhalten, oder?

Carsten Ja, ja klar, gerade wo er sich über bestimmte Sachen echauffiert. Also das sind so seine typischen Beispiele mit SUVs, der Stadtgeländewagen, Thema Kabul. Da, wo er immer darauf hinweist, dass hier diese Geländewagen ja nie im Leben Gelände sehen werden und die aber so gepanzert sind, als ob man in Kabul einmarschieren wollen würde. Das kennt man aus anderen Büchern oder Äußerungen von ihm. Das findet man auch hier wieder. Und das sind so Bonmots oder Spitzen, die er wieder mit reinbringt, die, wenn man ihn mag, eigentlich dazu führen, dass man immer mal wieder so ein kleines Grinsen auf die Lippen bekommt. Also mir gefällt es, sagen wir mal so, weil er Sachen wirklich teilweise überspitzt darstellt und dann auch durchaus meinen Humor trifft. Sonst einige Sachen, die ich da aus diesem Buch mit rausgenommen habe, die mir eigentlich auch von der Darstellung her wirklich gut gefallen sind so Zitate wie „Die Verbesserung der Welt kann man nicht delegieren, die muss man selbst machen. Im Unterschied zum Kauf einer Ware bekommt man für Weltverbesserungsversuche keine Quittung. Man kann sie nicht zurückgeben, wenn sie nicht funktioniert haben.“ Oder auch sehr schön: „Mehrheiten gehen immer mit dem Wind, sie schließen sich an, wenn das Richtige überzeugend vorgeführt werden kann. Um das Richtige überzeugend vorführen zu können, muss man es überzeugend vorführen können.“

Stefanie Und das, was Carsten gerade zitiert hat, das nennt Harald Welzer die vier Gesetze der modularen Revolution. Und mit modularer Revolution meint er was?

Carsten Ja, er spricht inhaltlich von Revolution, aber er meint damit nicht die große ganze Revolution, sondern viele kleinere Revolutionen, die man aber so kombinieren kann. Und da sind wir wieder bei den Lego Bausteinen, dass sie modular wirken und jeder für sich in ihrem eigenem Aspekt eine kleine Revolution auslösen und im Endeffekt dann das große Ganze anders gestalten.

Stefanie Ja, und ich finde es wie gesagt eigentlich ganz gut, was er alles da anführt. Wir haben das ja jetzt auch eingangs vorgelesen, was das für Lego Bausteine sind. Nur wie gesagt finde ich, dass er bei manchen Lego Bausteinen, wie bei der Bildung, einfach nicht weit genug geht und da immer noch im alten System verhaftet ist. Es gibt also noch Platz für mehr und er spricht ja auch von Heterotopien. Viele Orte, viele Geschichten, sagt er dazu. Er meint damit, dass es nicht nur eine Utopie gibt, sondern viele, viele, ganz viele verschiedene. Und dass wir Geschichten erzählen. Und sobald wir Geschichten erzählen, ist das in den Köpfen der Menschen und kann es Wirklichkeit werden. Es muss nicht, aber es kann. Das heißt, dass es wichtig ist, dass wir Geschichten erzählen.

Carsten Und da kommt wieder so ein Aspekt, dass er Begriffe verwendet, die für mich sehr hilfreich sind, weil sie mir helfen, Sachen in Worte zu fassen, die ich vorher vielleicht nur sehr umständlich beschreiben konnte. Und ein Begriff ist dieser „Wunschhorizont“, den er dort nennt. Das finde ich wirklich einen ganz fabelhaften Begriff, weil er einfach klarstellt: Wir müssen eigentlich mehr träumen. Das ist auch ein Appell, den er da in diesem Buch aufführt, auch mit Untersuchungen, wo er feststellt, dass junge Leute einfach nicht mehr in der Lage sind zu träumen oder sich selber nicht mehr erlauben zu träumen.

Stefanie Sich das Träumen verbieten?

Carsten Genau, weil sie so konkret in ihrer Lebenssituation verhaftet sind, dass sie sich einfach schon gar nichts mehr anderes vorstellen können. Die nehmen das Schicksal als gegeben hin und hinterfragen es so nicht oder sehen den Aufwand, das zu ändern als so enorm groß oder fühlen sich vielleicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und da spricht er sich ganz klar dafür aus, dass wir mehr träumen müssen. Mehr Zeit zum Träumen. Das ist auch ein Faktor, den er dort anspricht. Weniger arbeiten, mehr Zeit für sich, um überhaupt erst mal gedanklich oder zeitlich die Freiheit zu haben, zu träumen und diese Wunschhorizonte neu aufzubauen. Das meint er auch ganz am Anfang des Buches, dass unserer Gesellschaft eigentlich das Ziel fehlt. Er spielt da auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse an, wie die Hippiebewegung, wie die ökologische Bewegung, wie die Antiatombewegung etc., die alle irgendwo einen Zielwunsch hatten. Die wollten irgendwo hin, die wollten die Gesellschaft irgendwo hinbringen und unserer Gesellschaft fehlt einfach dieses - wir sind so eingelullt, in dem „ist alles ganz gut“ und wir wollen das Bestehende einfach nur ein bisschen besser machen. Noch digitaler, noch bequemer, noch billiger, noch keine Ahnung was, aber so dieses Konkrete überwinden und diesen Wunsch zu haben. Nein, ich möchte eigentlich die Gesellschaft irgendwo hinführen, wo sie heute noch nicht ist. Das fehlt unserer Gesellschaft und dementsprechend haben wir es mit einer ganz großen Antriebslosigkeit zu tun und das zu überwinden, dafür braucht es einfach Zeit und Raum für Träume, um neue Wunschhorizonte auszuarbeiten, sich zu überlegen.

Stefanie Und in seinem Buch stellt Harald Welzer ganz viele Heterotopien und Träume von ihm vor. Und auch einige, die es schon gibt. Also wie natürlich die Transition Bewegungen überall auf der Welt mittlerweile. Und er schreibt auch, dass einen Gemeinschaftsgarten anzulegen oder bei einem Gemeinschaftsgarten mitzuhelfen viel mehr bewirkt bei den Menschen, als wenn sie jetzt irgendwelche Theorien lesen, zum Beispiel. Dieses Machen, das Dabeisein und vor allem bei dem Gemeinschaftsgarten ist es so offen und da gibt es wenig Barrieren, um da mitzumachen. Du kannst eigentlich einfach hingehen und mitmachen. Das hilft mehr Heterotopien zu bilden und zu träumen, als solche theoretischen Konstrukte zu lesen.

Carsten Ja, und er führt auch zum Beispiel Gemeinwohlökonomie an, aber auch das bedingungslose Grundeinkommen, das sind für ihn auch Bausteine oder Legobausteine, wie er sie benannt hat, die wichtig sind, als wichtige Bestandteile der neuen Gesellschaft, wo auch freie Menschen daraus resultieren. Und mit freien Menschen meint er Personen, die mehr Freizeit haben, mehr Sozial-Engagement leben können und nicht in dieser getakteten Arbeitsgesellschaft unterwegs sind und versuchen das, was sie dann als freie Zeit heute zur Verfügung haben, durch Konsumgelegenheiten irgendwo wettzumachen bzw. zu kompensieren. Und ja, er greift da aus meiner Sicht schon sehr wichtige Bestandteile an und da kommt jetzt auch so eine Kritik hoch.

In einigen Bereichen geht er nicht konkret genug für mich rein, das, was mir am am schwierigsten fällt, ist das Thema, wie er über Wirtschaft spricht. Schwierig in der Hinsicht, dass es mir nicht konkret genug ist. Also da fehlt mir noch so ein bisschen der Adaptionspunkt, um zu sagen: Ja, genau, jetzt kann ich damit in die Praxis gehen. Also da ist er selber noch sehr stark theoretisch unterwegs aus meiner Sicht. Er spricht zwar davon, dass wir das Wirtschaften anders aufbauen müssen, dass heute Wirtschaft der Zweck ist. Unsere ganze Gesellschaft ist auf diesen Zweck des Wirtschaftens ausgerichtet. Von der Bildung über die Institutionen, die Infrastrukturen sind alle Mittel, um nachher den Zweck des Wirtschaftens zu erfüllen. Und er sagt, das muss umgedreht werden, dass Wirtschaften gar nicht der Zweck, sondern das Mittel ist. Wir müssen die Wirtschaft dahin bringen, dass wir mit diesem Mittel Wirtschaft unsere Gesellschaft aufbauen können. Und diesen Umschwung, also gerade in der Praxis, da finde ich keinen Anknüpfungspunkt.

Das klingt in der Theorie total gut. Würde ich sofort unterschreiben, würde ich auch sagen: Wow, bin ich sofort dabei. Und dann stehe ich quasi vor meinem Arbeitsplatz, vor meiner Chefin, vor meinem Chef und überlege mir, wie bringe ich denn das jetzt irgendwie in die Praxis? Und da hätte ich mir von ihm schon, ich sage jetzt mal, einen handfesteren Baustein gewünscht und nicht einfach nur dieses Überzeugen. Ja, genauso muss es sein. Und dann stehst du im luftleeren Raum und denkst so, jetzt bin ich zwar der Einzelne und er spiegelt ja auch immer wieder, dass Einzelne diese Veränderung bewirken können. Aber was kann ich jetzt konkret machen? Ich bin in diesem Arbeitsgeflecht, ich habe einen Arbeitsvertrag. Ich kann mich jetzt nicht aufgrund von einer ideologischen Thematik aus meiner Arbeit herausziehen. Ich bin im Moment abhängig von meiner Erwerbsarbeit und ich kann das als Einzelner jetzt auch nicht verändern. Also da hätte er tatsächlich im Buch aus meiner Sicht viel praktischere und pragmatischere Antworten geben können.

Stefanie Na, so ein Buch kann ja durchaus dann auch nicht alles abbilden. Vielleicht ist Harald Welzer nicht tief genug in der Wirtschaft drin, dass er da jetzt konkretere Beispiele nennen könnte. Vielleicht bist du, Carsten, jetzt auch die eine Person, die diesen inneren Auftrag hat, um das zu ändern?

Carsten Ja, diesen inneren Auftrag verspüre ich ja auch schon, auch schon vor diesem Buch, das war mir schon klar. Aber tatsächlich finden wir momentan so der Dreh und Angelpunkt, um zu sagen was kann ich als Einzelperson dort machen. Da würde ich sagen, das muss an die Politik delegiert werden. Aber da hat Harald Welzer ja auch schon gesagt, die sind aufgrund ihrer Bildungsstruktur ja nicht in der Lage, die Probleme zu lösen. Ja, das ist eine Pattsituation.

Stefanie Vielleicht musst du dann irgendwie in den Betriebsrat, wenn ihr einen habt.

Carsten Nee, haben wir nicht.

Stefanie Dann musst du jetzt einen Betriebsrat gründen und dann mit dem Betriebsrat das ausdiskutieren, wie ihr da hinkommt zu diesem Modell.

Carsten Genau. Revolution. Ich meine hin zu einer Gemeinwohlökonomie oder einer Gemeinwohlbilanz. Das ist natürlich dann schon ein realistisches Beispiel.

Stefanie Ja, und vielleicht geht das ja dann als ein erster Schritt.

Carsten Okay, gut, das führt jetzt natürlich relativ weit, weil ich dann denke, das muss schon eine gewisse idealistische Komponente haben und die findest du nicht in jeder Geschäftsführung. Und naja, es ist ein schwieriges Thema. Ich denke, vielleicht ist Harald Welzer mit seinem Buch da auch tatsächlich gar nicht derjenige, der da jetzt für mich persönlich diese Lösung oder Lösungsstrategie an die Hand geben kann, sondern er kann das Problem benennen. Er kann auch eine Perspektive zeigen und den Weg dorthin. Der muss sich irgendwie anders ergeben. Ich bin da ja relativ offen und ich werde ja auch noch weitere Bücher lesen. Vielleicht kriege ich da so Anhaltspunkte, dass ich das zusammenbauen kann.

Stefanie Vielleicht hört das jetzt auch jemand und hilft dir dann.

Carsten Ja, das finde ich cool. Also ja klar, ich bin da ganz.

Stefanie Irgendjemand wird es schon hören. Haha, voll lustig.

(beide lachen)

Ich hab doch gesagt, vielleicht hört das jemand. Also ich denke, es hört schon jemand zu. Nicht lustig. Wir sind heute so lustig hier.

Carsten Okay, lenken wir mal auf ein anderes Thema. Also wirklich Wirtschaft. Da kann ich mich ja jetzt stundenlang drüber unterhalten. Ich will aber wieder zurück auf das Buch kommen. Und was ich bei Harald Welzer jetzt ziemlich gut fand, war, dass er das Thema Anthropozän oder die Art und Weise, wie wir mit diesem Menschheitsproblem umgehen, dass er das auch tatsächlich kritisiert, also auf einer sehr für ihn typische harsche Art und Weise. Und er hält das Anthropozän für eine große Erzählung, und von der müssen wir weg, seiner Meinung nach.

Und er schreibt dann auch: „Mich regt das auf. Denn erstens gibt es den Menschen als überzeitliche Wesenheit nicht, sondern nur Menschen im Plural, in höchst konkreten geschichtlichen und kulturellen Kontexten. Und wer die heutigen Probleme vor allem angerichtet hat, das waren die kapitalistisch geprägten Gesellschaften, die sich einen Dreck um die Grenzen des Wachstums geschert haben und das bis heute tun.“

Also ich mag diese klare Ausdrucksweise. Bringt das also wirklich auf den Punkt. Und dann einen Absatz muss ich nochmal ein bisschen weiter zitieren. Das schreibt er dann auch noch: „Hören wir doch bitte auf, so zu tun, als habe man es mit einem ‚Menschheitsproblem‘ zu tun. ‚The wealthy few stress the planet‘ hat Kate Raworth ganz richtig festgestellt. Also sollten die auch in die Pflicht genommen werden, damit endlich aufzuhören.“

Also nochmal auf Deutsch, das, was Kate Raworth gesagt hat, heißt einfach nur, dass einige Wohlhabende den Planeten zerstören. Ja, er hat recht. Also es ist tatsächlich kein Menschheitsproblem, sondern es ist ein Problem der bessergestellten Gesellschaften. Und er sagt das dann in einer Art und Weise auch relativ zynisch, dass dieser Untergang, der jetzt quasi bevorsteht, wenn wir diesen Weg weitergehen, dieser Untergang ist nicht sozialistisch. Und damit meint er einfach, dass die Schwächsten, die Ärmsten als erstes untergehen werden und einige Privilegierte sich noch bis zum - Keine Ahnung - Exitus hinweg retten können und in der Lage sind, technologisch, finanziell oder vielleicht auch genetisch und medizinisch diese Überlebenschance weiter zu erhöhen. Aber das finde ich dann auch sehr wichtig, mal zu sagen, weil bei diesem ganzen Untergangsszenario man ja immer den Eindruck hat, alles passiert zeitgleich und wir werden alle in Mitleidenschaft gezogen.

Nein, es ist tatsächlich so, dass diejenigen, die das Problem verursacht haben und weiterhin verursachen, dass die als letzte davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Und Harald Welzer hat dieses Buch geschrieben, weil er weg will von diesem Ganzen „alles ist schlecht und alles ist blöd und wir kriegen das sowieso nicht hin und alles ist schwierig.“ Also er möchte im Grunde genommen einfach sagen: Kommt, wir packen das an, wir kriegen das auch alles hin. Das ist ja nicht so, dass wir keine Lösungen haben, sondern wir müssen jetzt langsam mal in die Pötte kommen. Und wir sollten den Fokus auf das legen, was auch tatsächlich funktioniert. Und dementsprechend ist das ja eigentlich eher ein positives Buch. Das sieht man ja auch im Vorfeld schon, wenn man diesen Einband sieht. Schöne Wolken und alles toll. Also es soll eigentlich eher ein hoffnungsvolles Buch sein. Und es heißt ja auch, „Alles könnte anders sein.“

Stefanie Ich bin gerade etwas irritiert, dass dieses nichtssagende Bild dir Hoffnung gibt. (lacht)

Carsten Ja, das ist so eine Himmelsperspektive. Also das ist ja schon fast ein religiöser Kontext.

Stefanie (lacht) Was Du alles aus so einem Wolkenbild liest...

Carsten Hört die Engelein singen oder so...

Stefanie Ja gut, also zurück zum Thema. Also es ist positiv und wir möchten jetzt noch einen Absatz vorlesen.

Carsten Genau ein Appell, der relativ weit am Ende des Buches kommt und den ich einfach richtig gut finde, um das ganze Thema mal abzurunden.

Stefanie „Also“ - schreibt er – „Also: Wir nehmen jetzt den Untergangspropheten mal ihre Uhr weg, die seit 40 Jahren eh auf ‚5 vor 12‘ stehengeblieben ist, wählen das Motto: ‚Wenn es einfach wäre, könnten es ja auch andere machen‘ und gehen einfach mal davon aus, dass man das meiste wiedergutmachen kann, was aus Gedankenlosigkeit, Ignoranz, falscher Prioritätensetzung oder einfach Unwissen angerichtet wurde. Es bleibt uns übrigens auch gar nichts anderes übrig. So einfach ist das. Für die Lamentierökos kann man Nölreservate einrichten. Da kann man hingehen, wenn man zu viel gute Laune beim Aufräumen bekommen hat und mal wieder schlecht drauf sein möchte.“

Carsten So, jetzt habe ich aber trotzdem mal die Frage: Du hast gesagt eingeschränkt empfehlenswert. Was fehlt dir konkret an diesem Buch und wem würdest du es jetzt nicht empfehlen?

Stefanie Also ich denke, es sollte schon jede·r gelesen haben, aber mit dieser Einschränkung, dass es mir in verschiedenen Punkten nicht weit genug geht. Also als ich es gelesen habe und er sich immer wieder darauf berufen hat, dass wir das in einem größeren historischen Kontext sehen sollen, dass dieser kapitalistische Menschheitsbereich relativ klein ist im Vergleich zur kompletten Menschheitsgeschichte, hat mich das auch ganz stark wieder an meine Forschung zu den Milchgeschichten, zur Kuhmilch erinnert, weil ich da auch für mich so einen Zeitstrahl gebastelt habe, um zu gucken, wie groß ist denn jetzt da dieser Zeitraum, in dem wir sagen, dass wir schon immer Milch getrunken haben und der ist ja nun mal tatsächlich sehr winzig im Vergleich zu dem Zeitraum, in dem es die Kuhmilch schon so gibt und in dem wir als Menschen existieren usw. und so fort. Und da geht er mir, wie gesagt, in einigen Punkten einfach nicht weit genug.

Du hast es mit der Wirtschaft genannt, dass er da nicht konkret genug wird und mir ist es vor allem bei der Bildung aufgefallen und ich meine auch bei anderen Punkten. Aber es ist jetzt schon fast ein Monat her, dass ich das Buch gelesen habe. Deswegen sind mir einige Dinge schon wieder entfallen, was vielleicht auch nicht schlecht ist, weil ich jetzt noch das Wesentliche im Kopf habe. Also wo ich denke, wir müssen wirklich noch mal neu denken. Und er sagt auch überhaupt gar nichts über unser Verhältnis zu Tieren zum Beispiel. Ich hatte das Gefühl, dass er so in diese Richtung geht „Wir jagen uns jetzt wieder unser Fleisch.“ Und er hat zwar irgendwas von vegetarisch zwischendurch mal geschrieben, aber es war nichts wirklich konkretes, was dieses Thema Ernährung angeht. Ich hab das Gefühl, dass es da in Richtung wenig und wenn dann Bio geht.

Carsten Also ja, es ist sehr bemerkenswert, dass ein Buch, was ja konkret als Gegenstand hat, wie überwinde ich die Klimakrisegar nicht auf diesen ökologischen Aspekt der Nahrungsmittelproduktion eingeht und das eigentlich schon fast verschweigt. Und ein bisschen irritierend in zweierlei Hinsicht fand ich, dass er, ich glaube mindestens zwei Mal ein Zitat von Karl Marx genannt hatte, wo es auch wirklich darum ging, was passiert eigentlich, wenn wir nur noch so 15 bis 20 Stunden pro Woche arbeiten, weil wir durch die Digitalisierung eine hoch produktive Wirtschaft haben? Da hatte Karl Marx damals schon gesagt - ich weiß gar nicht mehr, ob ich das jetzt so sinngemäß wieder zusammenbringe - aber irgendwie hat er seinen Tag eingeteilt, dass er dann mittags angeln geht, nachmittags jagen geht, also Freizeitbeschäftigung mit einbringt. Aber die war schon auf diesen Aspekt der Tierausnutzung ausgelegt. Und das hatte mich erst mal insofern irritiert, dass dieser Tierausnutzungscharakter zitiert und gar nicht hinterfragt wird.

Und da komme ich jetzt mal von so einer noch höher gelegenen Betrachtungsebene. Man merkt beim Lesen, dass Harald Welzer sehr stark von Karl Marx beeinflusst ist. Ich will jetzt nicht sagen, dass er irgendwann mal im Rahmen seiner Biografie eine marxistische Position hatte, aber man merkt schon, dass er sehr stark von den Ansichten von Karl Marx beeinflusst ist. Was ich gar nicht schlecht finde, weil die Position teile ich. Harald Welzer ist dann inhaltlich auch durchaus ein paar Schritte weitergegangen. Er bleibt dort nicht stehen. Aber wenn ich über Marxismus und Karl Marx spreche, dann bin ich in dem Bereich Herrschaftsstrukturen, Machtstrukturen. Und da fehlte mir tatsächlich dann der Dreh und Angelpunkt zu sagen, das wird ja gar nicht hinterfragt. Also er thematisiert es auch gar nicht im Buch und das muss ja noch nicht mal mit Machtstrukturen innerhalb der Menschen und Zivilgesellschaft sein, sondern auch speziesübergreifend. Das, was ja im Grunde genommen wichtig ist, um nachher auch den Bereich einer wertschätzenden Gesellschaft auf allen Ebenen zu haben. Also nicht nur ausschließlich innerhalb von menschlichen Tieren, sondern eigentlich universell. Und dieser Aspekt, da denke ich, müsste Harald Welzer tatsächlich persönlich nochmal einen Schritt weitergehen. Also da ist er stehengeblieben, das überwindet er so nicht.

Stefanie Genau. Und mit diesem Hintergrund, dass er in bestimmten Aspekten nicht weit genug geht oder gar nicht über sie spricht oder sie unhinterfragt lässt, ist es für mich nur eingeschränkt empfehlenswert. Und das bitte ich Dich, liebe zukünftige Leserin, lieber zukünftiger Leser, dann zu bedenken, wenn du dieses Buch in die Hand nimmst, dass es kein eins zu eins Modell ist, was du abpausen kannst und damit dann die Welt retten. Das sind alles Vorschläge und wie gesagt, in einigen Aspekten für mich noch nicht weit genug durchdacht und der vegane Aspekt fehlt vollkommen. Das ist auch was, was mich an der Transition Bewegung stört. Da geht es viel um Ernährung und viel um Gemeinschaft. Aber es wird überhaupt nicht hinterfragt, was denn mit den Tieren passiert und wie wir uns anders ernähren können. Wobei ja der ökologische Aspekt, der Nachhaltigkeitsaspekt einer veganen Ernährung ja schon wissenschaftlich bewiesen ist. Also das ist völlig unstrittig. Muss man jetzt ja gar nicht mehr hier alles ausbreiten, das kennst du ja alles schon, nur das fehlt einfach und das stört mich.

Carsten Und da diese Folge jetzt ja eigentlich relativ kurz vor Weihnachten kommt, ist das aus meiner Sicht doch noch ein relativ gutes Weihnachtsgeschenk, auch wenn wir es mit Einschränkung empfehlen. Und du hast jetzt auch so ein bisschen die Kritik von uns mitbekommen. Ich persönlich muss aber sagen, ich fand das Buch insgesamt sehr inspirierend, also generell solche Bücher zu lesen. Und gerade Harald Welzer mit seiner Art und Weise der Darstellung ist für mich insofern inspirierend, dass ich ganz viel davon mitnehme und mich sehr intensiv mit solchen Themen dann anschließend auch auseinandersetze.

Stefanie Du möchtest unsere Hörer·innen dazu animieren, ein Buch zu verschenken.

Carsten Kauf es!

Stefanie Du möchtest sie animieren, etwas zu kaufen und nicht auszuleihen. Das geht ja gar nicht!

Carsten Kauf es!

Stefanie Das geht ja gar nicht!

Carsten Nein, wenn du die Chance hast, es auszuleihen, natürlich, klar...

Stefanie Aber das kannst du dann nicht verschenken, aber was Du verschenken kannst ist zum Beispiel eine Mitgliedschaft in deiner Bücherei oder Bücherhalle oder wie auch immer sie bei dir heißt. Das geht nämlich. Bei uns geht das. Da kann man so eine Jahresmitgliedschaft verschenken. Ja, es ist ziemlich cool. Und dann kannst du gleich noch dazuschreiben Eh, leih dir dieses Buch aus.

Carsten Genau das finde ich eine richtig coole Geschenkidee.

Stefanie Ja, viel cooler als kaufen, kaufen, kaufen. Und Spoiler Spoiler Spoiler Nächste Woche wird es noch eine Folge geben. Die letzte für dieses Jahr von uns. Das heißt, wir verabschieden uns noch nicht komplett für dieses Jahr. Aber wir wünschen dir schon einmal frohe Weihnachten und ein entspanntes Weihnachtsfest.

Carsten Frohe Weihnachten!

Stefanie Denn die Folge kommt natürlich am Mittwoch und das ist ja der erste Weihnachtsfeiertag. Und wer weiß, wann du sie hörst. Aber ich möchte diese Folge natürlich auch nicht beenden, ohne mich bei unseren tollen Steadyunterstützer·innen zu bedanken.

Carsten Vielen herzlichen Dank.

Stefanie Und natürlich all den von Herzen Vegan Letterleser·innen, bei allen Clanmitgliedern und bei allen Menschen, die mir E-Mails schreiben und iTunes-bewertungen erstellen. Also das ist alles total klasse. Vielen, vielen, vielen Dank. Und wenn du uns noch ein ganz tolles Weihnachtsgeschenk machen möchtest, dann freuen wir uns ganz riesig, wenn du uns über Steady finanziell unterstützt. Das kannst du mit einem monatlichen Beitrag machen. Bei 3 € im Monat geht es schon los. Das ist dann auch jederzeit monatlich kündbar oder auch Jahresbeiträge habe ich jetzt auch eingestellt. Da kannst du dich dann für ein Jahr festlegen und es ist dann auch dieses Pendant zu 3 € Monat. Sind dann 36 € im Jahr oder gestaffelt fünf und 10 €. Also wenn du das möchtest, wenn du uns eine große Freude machen und etwas zurückgeben möchtest für all die vielen kostenlosen Dinge, die über Von Herzen Vegan rausgehen, dann freuen wir uns sehr, wenn du uns da finanziell unterstützt.

Carsten Und in diesem Sinne.

Stefanie In der Metropolregion Hamburg sagt man Tschüss.

Carsten Und aufs nächste Mal

Stefanie Denn Man tau, nee.

Links zur Folge

Buch "Alles könnte anders sein" von Harald Welzer
bei buch7.de kaufen

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