Ist eine vegane Welt realistisch?
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Inspiriert durch Andrea, die im Von Herzen Vegan Clan von einem 21 Jahre zurückliegenden Erlebnis in Georgien erzählte, gehen wir in dieser Folge der Frage nach: "Gibt es Situationen/ Lebensumstände, die Tierhaltung/-nutzung rechtfertigen?"
Oder anders gefragt: Dürfen wir eine vegane Welt fordern? Haben wir das Recht dazu anderen Menschen zu sagen, wie sie zu leben haben?
Zu Beginn meines veganen Lebens hätte ich noch geantwortet, dass Tiere auch Rechte haben und es nicht in Ordnung ist sie zu nutzen - egal unter welchen Umständen.
Mittlerweile denke ich anders: ich denke, dass wir im globalen Norden, in den reichen Staaten, wo es uns leicht fällt vegan zu leben, auch vegan leben sollten. Unsere Lebensweise verursacht schließlich die wirtschaftlich schlechtere Lage in Ländern wie Georgien und ich bin der Meinung, dass wenn wir vegan leben und auch in anderen Bereichen auf Nachhaltigkeit setzen, sich das auf die momentan benachteiligten Länder so positiv auswirkt, dass ein gutes Leben für alle möglich ist. Und das sollte dann wiederum vegan sein.
Eine vegane Welt ist also meiner Meinung nach nur möglich, wenn global soziale Gerechtigkeit herrscht.
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Vollständiges Transkript
Stefanie Diese Folge ist inspiriert durch Clanmitglied Andrea. Also herzlichen Dank Andrea, dass du - wahrscheinlich unbeabsichtigt - uns inspiriert hast. Jedenfalls hat Andrea eine Frage aufgeworfen, der wir jetzt in dieser Folge nachgehen wollen, nämlich der Frage nach der veganen Welt. Und ich möchte dazu Andreas Kommentar bzw auch ihre Frage einmal vorlesen. Ich fasse den Anfang jetzt einmal kurz zusammen. Und zwar hat Andrea geschrieben, dass sie vor längerer Zeit in Georgien war und sie dort das Land und vor allem die Menschen kennen und lieben gelernt hat. Und sie hat, seit sie vegan lebt, öfter mal an Georgien gedacht, vor allem was die Tierhaltung dort anbelangt. Und so schreibt sie;
“Als ich dort war, lag Georgien wirtschaftlich in Schutt und Asche. Kaum jemand wurde für seine Arbeit bezahlt, auch nicht Lehrer·innen, Ärzt·innen usw. Die Menschen lebten von ihrem Garten. Wenn sie in der Stadt wohnten, dann wurden sie von Verwandten, die auf dem Land lebten, versorgt und von ihrer Kuh. Fast jede Familie besaß eine Kuh, um Milch vor allem zu Joghurt und Käseherstellung zu gewinnen. Die Kuh war jeder Familie im wahrsten Sinne des Wortes heilig. Lebensmittel kaufen konnten die meisten Menschen nur in sehr begrenztem Umfang, zum Beispiel Brot. Ansonsten ging das Geld, das man zum Beispiel von Verwandten aus dem Ausland bekam, für andere Dinge wie Kleidung, Benzin, Strom, Wasser usw drauf.
Die Kühe wurden tagsüber auf Allmende Weiden grasen gelassen, meist begleitet durch Hirten, also auf den Wiesen, Weiden, Wäldern rund um die Dörfer. Diese Wirtschaftsform hat sich quasi von allein entwickelt als Antwort auf die katastrophale Versorgungssituation. Ob dies heute noch so praktiziert wird, weiß ich nicht. Hier komme ich so ein bisschen in einen Gewissenskonflikt mit meiner Forderung nach einer veganen Welt. Ich lebe in einer super organisierten Welt. Ich kann alles kaufen, was ich zum Leben brauche, sei es vegan oder nicht. Aber stellt euch vor, ihr habt nur euren Garten und sollt damit euer Kleinkind ernähren. Aufwendiger Ackerbau ist euch nicht möglich. Es mangelt an Geld für Geräte und ihr habt ja schließlich noch einen Job, zum Beispiel als Ärzt·innen oder Lehrer·innen, den ihr nicht aufgeben wollt, weil ihr euch gesellschaftlich verantwortlich fühlt. Eine Kuh auf der Dorfweide oder das Huhn im Garten scheinen da eine gute Lösung zu sein. Zumindest war es das für viele Menschen, die ich dort kennengelernt habe. Wie seht ihr das? Gibt es Situationen, Lebensumstände, die Tierhaltung oder Nutzung rechtfertigen?“
Als ich diesen Kommentar von Andrea gelesen habe, habe ich natürlich über diese Frage nachgedacht und ich habe mir diese Frage auch schon öfter gestellt. Und zu Beginn meines veganen Lebens hätte ich die noch ganz anders beantwortet, als ich das jetzt tun werde. Und ich habe Carsten gebeten, dass wir eine Folge dazu aufnehmen, weil ich einfach denke, dass diese Frage wichtig ist und wir im Laufe unseres veganen Lebens sie uns wohl auch immer wieder stellen. Und wir laden dich ganz herzlich ein, mitzudiskutieren. Gerne im von Herzen Vegan Clan. Du kannst aber auch gerne deine Meinung per Email schicken an post@vonherzenvegan.de. Wir nehmen diese Folge relativ zeitnah nach dem Kommentar auf. Es kann sein, dass sich daraus eine Diskussion ergeben hat. Bis jetzt war das noch nicht so. Falls du also schon mitdiskutiert hast, herzlichen Dank. Diese Diskussionsbeiträge fließen jetzt logischerweise nicht mit ein, weil wir nicht in die Zukunft blicken können usw und so fort.
Carsten Du hast keine Glaskugel.
Stefanie Na ja, doch, habe ich.
Carsten Schon, aber da steht nichts drin.
Stefanie Genau, die funktioniert irgendwie nicht in diesem Bereich. Ja, genau. Zu Beginn meines veganen Lebens hätte ich anders geantwortet, nämlich, dass es keinesfalls okay ist, Tiere zu nutzen. Überhaupt gar nicht und es keine Umstände der Welt rechtfertigen können, Tiere zu nutzen, nicht vegan zu leben. Und mittlerweile habe ich meine Meinung geändert. Nicht komplett natürlich. Also ich sage jetzt nicht das Gegenteil, sondern meine Meinung ist etwas differenzierter geworden. Einfach durch das Wissen, was Carsten und ich uns jetzt im Laufe der Jahre angeeignet haben. Vor allem im Bereich herrschaftskritisches Denken und so was alles, dass Carsten mir durch seine linke Literatur nähergebracht hat.
Carsten Progressiv denken.
Stefanie Genau. Meine Meinung ist jetzt, dass Menschen in Ländern, in denen es einfach nicht möglich ist, vegan zu leben, deswegen nicht vegan leben können, weil wir in den Ländern durch unser Konsumverhalten, durch unseren großen riesigen ökologischen Fußabdruck und das Nicht-vegan-Leben dafür verantwortlich sind, dass sie nicht vegan leben können. Also dass sie darauf angewiesen sind auf diese Strukturen, die dazu führen, dass sie Tiere nutzen müssen, also dass sie gar keine andere Wahl haben, als Tiere zu nutzen. Und ich denke, dass wir erst mal vor unserer eigenen Haustür kehren sollten, bevor wir anfangen, in Ländern Menschen vorzuschreiben, vegan zu leben, in denen das infrastrukturell gar nicht möglich ist.
Carsten Ja, ich schließe mich da an, ich bin genau dieser Meinung. Wenn diese Frage „Ist hier Nutzung erlaubt? Ja / nein.“ so, ich sag jetzt mal, binär gefragt wird, würde ich ganz klar sagen: kategorisch Nein, das ist nicht zulässig. Aber und da kommt jetzt dieses große Aber: Ich muss natürlich immer die Lebenswirklichkeit im Hinterkopf behalten und muss dazu auch sagen, dass das, was dort eingangs geschildert wurde, diese Lebensumstände in Georgien, die sind jetzt etwas mehr als 20 Jahre alt. Wir wissen also nicht, ob das heute noch zutrifft. Aber unabhängig davon ist es natürlich ein schönes Beispiel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass vergleichbare Umstände vielleicht nicht in Georgien heute, sondern auf dem afrikanischen Kontinent oder mindestens bei manchen indigenen Völkern noch zu finden sind.
Und ich muss natürlich tatsächlich überlegen, wem kann ich jetzt mit einer Forderung „Leb bitte vegan“ gegenübertreten. Das ist aus meiner Sicht nicht immer zulässig, auch vom moralischen Standpunkt her. Unabhängig davon, dass wir jetzt auch über Tierethik und moralisches Verhalten gegenüber der Tiere sprechen, sondern ich muss natürlich tatsächlich gucken, ist das auch wirklich realistisch umsetzbar, wenn ich mir zum Beispiel so Inuit, wie ich sie mir jetzt so vorstelle, vorstelle, dann fällt es mir wirklich schwer, als privilegierter, weißer, männlicher Europäer einem Inuit gegenüber zu treten und zu sagen: Du müsstest jetzt eigentlich aus ökologischen, aus ethischen, aus gesundheitlichen Gründen vegan leben.
Stefanie Und das ist genau das, was ich meine. Wir sollten erstmal bei uns anfangen und das würde schon so viel bewirken, wenn wir erst mal in den reichen Ländern, in denen es möglich ist - es ist uns ja möglich, vegan zu leben, wir tun es nur aus Bequemlichkeit nicht. Und es geht ja auch nicht nur ums vegan leben, sondern vor allem auch um Nachhaltigkeit, wovon vegan leben ein Teil ist, was dann dazu führen kann, dass ein gutes Leben für alle möglich ist. Und ich bin der Meinung, es ist erst eine vegane Welt möglich, wenn ein gutes Leben für alle möglich ist.
Carsten Gutes Leben tatsächlich in Hinsicht auf gutes Leben und nicht besseres Leben. Wir leben jetzt hier in unserer Gesellschaftsform einfach immer ein besseres Leben. Wir wollen es ja immer besser haben. Die Kinder sollen es besser haben, wir wollen größere Autos haben, größere Häuser etc. bessere Jobs, mehr Geld. Darum geht es gar nicht.
Stefanie Nein, wir müssen das ausgleichen. Genau. Es gibt einfach so viele Menschen, die es viel schlechter haben als wir. Und deswegen müssen wir unseren Lebensstandard runterschrauben, damit der andere Lebensstandard angehoben werden kann und wir uns dann in einer Mitte treffen können, in der wir nicht unsere Lebensgrundlage zerstören, sondern alle global betrachtet gemeinschaftlich ein gutes Leben führen können. Also es geht wirklich nicht um ein gutes Leben nur für reiche Menschen. Ich zähle uns zu reichen Menschen, weil wir in reichen Ländern leben. Das variiert natürlich, das ist mir ganz klar. Auch ich kenne HartzIV Empfänger·innen und auch ich kenne Obdachlose usw und so fort. Das ist mir alles ganz klar. Ich rede jetzt von uns als Gesellschaft und im Vergleich zu anderen Gesellschaften, die es nicht so gut haben.
Carsten Kollektiv betrachtet. Und ich kann natürlich jetzt schlecht hingehen und einer indigenen Gemeinschaft gegenüber diese Forderung äußern: Lebe vegan. Was ich machen kann, ist, ich kann diese Forderung durchaus einem Mitmenschen hier im deutschsprachigen Raum gegenüber äußern und ich bin mir ziemlich sicher, dass egal auf was für eine Einkommensstufe er jetzt gerade unterwegs ist, er wird die Möglichkeiten haben, vegan zu leben, weil er.
Stefanie Oder sie.
Carsten Oder sie ja genau, der Mensch, die Menschen, das ist auf alle Fälle etwas. Diese Forderung halte ich in diesem Kontext hier in diesen Industrieländern für durchaus berechtigt. Aber ich muss immer im Hinterkopf behalten, dass die anderen Menschen auf dieser Welt durchaus andere Lebensrealitäten haben, die durchaus härter sind. Als krasses Beispiel: Ich brauche einem Menschen, der gerade in einem ausgebombten Kriegsgebiet versucht sein Überleben abzusichern, nicht mit dieser Forderung gegenübertreten. Und das ist es tatsächlich, dass wir versuchen, das gute Leben für alle sicherzustellen, es zu ermöglichen, vielleicht auch als Inspirationsquelle. Also unser Wohlstandsmodell dient ja nach wie vor mit seiner perfiden Sogwirkung als Nordstern, dem alle irgendwie entgegen drängen.
Alle wollen genau den gleichen Reichtum, den gleichen Wohlstand wie wir. Wenn wir die Art und Weise, wie wir unseren Wohlstand leben, anders definieren. In einer vegan lebende Wohlstandsdefinition, dann hat das natürlich einen Inspirations- und Leitcharakter. Wobei Leitcharakter Entschuldigung, den Begriff muss ich schon wieder zurückziehen. Das ist natürlich sehr heikel. Also wir dürfen natürlich nicht so arrogant sein und versuchen unser Wohlstandsdenken auf andere einfach zu übertragen. Nichtsdestotrotz passiert das ja automatisch, dass Menschen, die weniger haben, versuchen zu gucken, was haben die Menschen, die mehr haben. Und das möchte ich auch haben. Und in dem Sinne habe ich natürlich diesen Übertragungscharakter.
Stefanie Deswegen ich komme da immer wieder darauf zurück. Es ist so wichtig, dieses gute Leben für alle. Wir haben - ein kleiner Schwenk, ein kleiner Einschub - damals vor längerer Zeit, 2017 haben wir uns das erste Mal für die Wandelwoche engagiert und da ging es auch immer um ein gutes Leben für alle und da habe ich am Anfang das alles noch nicht so verstanden, was da wirklich hinter steckt, hinter dem guten Leben für alle. Und wir stellen auch noch ein Buch vor, das das Buen Vivir beschreibt. Aber wenn du uns schon länger zuhörst, dann wird dir das gute Leben für alle ja schon mal begegnet sein.
Und auch die Idee dahinter, nämlich dass es global betrachtet wichtig ist und dass es tatsächlich nicht um Wirtschaftswachstum, weiter, weiter, und wir wollen unser jetziges momentanes Modell in die Welt hinausbringen geht, sondern wirklich ein globales Leben, was für den Planeten gut ist. Und das weißt du genau wie wir, dass unser jetziger Fußabdruck, was ja im Durchschnitt momentan zwölf Tonnen CO2 pro Mensch pro Jahr in Deutschland sind und klimaverträglich – ich hätte jetzt schon fast sozialverträglich gesagt, eigentlich ist es auch sozialverträglich - sind zwei Tonnen. Also wir müssen zehn Tonnen abspecken und das können wir nicht verlangen und das weißt du, wie gesagt, genau wie wir, wenn du dich schon länger mit Nachhaltigkeit beschäftigst.
Es ist wichtig, dass wir unseren CO2 Abdruck, unseren Fußabdruck verringern, damit andere Menschen ihren quasi erhöhen können, weil sie nämlich ihren Fußabdruck ja so gering halten, nicht weil sie das wollen oder weil sie so besonders nachhaltig leben, sondern weil sie keine Möglichkeit dazu haben. Und wenn jetzt Menschen infrastrukturell dazu gezwungen sind, Tiere zu nutzen, dann bringt ja diese Tiernutzung auch noch mal einen gewissen CO2 Ausstoß. Und wenn sie infrastrukturell die Möglichkeit haben, die Tiere nicht mehr zu nutzen, könnten sie diesen CO2 Ausstoß dann gegen sinnvollere Dinge, die sie benötigen, die sie brauchen, dann eintauschen und dann ein viel besseres Leben auch führen in Harmonie mit dem Gedanken einer veganen Welt.
Carsten Ja, und so lapidar das klingt, das Wissen wie lebe ich denn vegan, auch das muss erst mal vorhanden sein. Also ich kann mir schon vorstellen, dass es in großen Teilen, wo diese Nutzung von Tieren noch als völlig legitim, als lebensnotwendig noch vorherrscht, dass das Wissen tatsächlich fehlt: Wie kann ich mich denn abseits dieser Tiernutzung überhaupt so ernähren, dass ich davon auch ein gutes Leben bestreiten kann? Also ein gesundheitlich gutes Leben? Das ist ja wahrscheinlich auch nie irgendwie ein Gedanke gewesen in diesen Strukturen, wo die Menschen leben, sondern denen geht es wahrscheinlich im Großteil erstmal darum, das eigene Überleben zu sichern.
Ich muss tatsächlich erstmal eine gewisse Stufe an Wohlstand, an Absicherung, an sozialer und an finanzieller Absicherung erreicht haben., dass ich mir dann darüber Gedanken machen kann, wie kann ich das anders gestalten. Und es ist vom historischen Kontext leider so, dass wir über Jahrtausende hinweg immer irgendwo Tiernutzung betrieben haben und das hat sich so verfestigt, dass alles, was irgendwo rechts und links als Alternative existiert, nicht unbedingt überall präsent ist. Wir als vegan lebende Menschen wissen das jetzt, dass es doch relativ einfach ist. Aber man merkt das ja schon durchaus an Diskussionen mit eigenen Bekannten, Verwandten etc. Selbst da bei Menschen, die es eigentlich von der Infrastruktur her problemlos leisten könnten, fehlt häufig auch das Wissen und das wird natürlich dann, gerade wenn man jetzt in die Welt hinaus guckt, immer wieder der Fall sein.
Stefanie Genau, um das noch mal zusammenzufassen: Ich denke, dieser Gedanke einer veganen Welt ist definitiv etwas, was ein Ziel sein sollte. Aber kein Ziel, was von jetzt auf gleich erreicht wird in einem Schritt, sondern was ein Prozess ist. Also eine vegane Welt ist ein Prozess, ein Weg, der erreicht wird, in dem wir den ersten Schritt gehen und dann andere anstiften und möglichst erstmal in den Ländern die Bewohner·innen dazu bringen, dass sie vegan leben, so dass das dann eine Auswirkung, eine globale Auswirkung hat und den Menschen, die das momentan einfach nicht können - nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil sie es nicht können - dann auch ermöglichen, diesen Schritt zu tun, aber ohne es ihnen irgendwie aufzuzwingen, sondern einfach nur diese Möglichkeit darzulegen, in dem wir es ihnen vorleben.
Carsten Und im Rahmen dieses Prozesses ist es natürlich auch so, dass es keine scharfe Linie gibt, wo ich sage, ab diesem Punkt kann ich jetzt von jemand anderen verlangen, dass er vegan lebt, sondern das müssen wir als Gesellschaft, als vielleicht auch treibende Kräfte in einer Gesellschaft immer wieder ausfechten und auch reflektieren und durchaus überlegen: Wem gegenüber kann ich jetzt diese Forderung schon aussprechen? Von wem kann ich das jetzt tatsächlich einfordern? Wer ist dazu in der Lage? Und da gibt es keine einfachen Antworten zu.
Stefanie Da müssen wir Gespräche führen, da müssen wir erstmal hier in den reichen Ländern beginnen und dann mit denen, die das vielleicht nicht wollen. Das kann ja auch sein, dass es Menschen gibt, die das, wenn du von Inuit oder indigenen Völkern sprichst, die das traditionell verwurzelt haben, dass es da dann vielleicht Kommunikationsbedarf gibt, dass wir zusammenkommen und sprechen darüber: Was bedeutet denn Tierethik überhaupt? Was bedeutet das überhaupt, wenn Tiere Rechte haben? Es ist ja sehr kolonialistisch von uns, wenn wir uns von außen aufdrängen und anderen Völkern sagen wollen, wie die zu leben haben.
Carsten Genau. Genau. Das ist ein sehr schwieriger Aspekt. Und den gibt es ja im Rahmen des guten Lebens als Thema per se nur hinsichtlich dessen, dass wir ihn aufarbeiten müssen, weil wir unsere kolonialen Strukturen damals geschaffen haben, aber bisher eigentlich immer weiter ausnutzen. Also wir profitieren immer noch von dieser kolonialen Struktur und das ist natürlich ein sehr schwieriges Terrain. Letztendlich ist es aber auch so: Ich bin persönlich der Meinung, dass wir hier in Europa oder in den reichen Industrienationen problemlos ein veganes Leben führen können. Und deswegen würde ich das schon als Forderung ansehen. Da sehe ich auch keinen Grund, warum man das hier nicht leisten kann. Und alles andere - ich will nicht sagen, dass das dann Kür ist - aber das ist dann tatsächlich erstmal ein Prozess.
Da würde ich erstmal versuchen, bei den Leuten, die das jetzt eigentlich schon stemmen können, das erstmal einzufordern und als Gesellschaft einzufordern und dann überträgt sich das vielleicht schon automatisch in andere Gesellschaften. Und ja, wenn es dann tatsächlich eines Tages irgendwann noch mal Widerstände gibt, die es zu überwinden gibt, da muss man mal schauen, gehe ich da im Dialog mit rein oder wie auch immer. Ja, also ich glaube mal, da bin ich Realist, wenn ich sage, ich werde in meinem noch verbleibenden Lebenshorizont jetzt keine völlig vegane Welt irgendwie vorfinden. Aber ich hoffe, dass wir schon mal einen gewaltigen Schritt in diese Richtung gehen können.
Stefanie Ja, wo du das gerade noch mal mit dem guten Leben für alle gesagt hast, was ja auch in dem Buen Vivir Buch vorkommt, dass jedes Volk, jede Gesellschaft für sich herausfinden muss, was ein gutes Leben für sie oder ihn bedeutet. Also ich sage jetzt mal sie als Gesellschaft und das ist aber schon wichtig ist, dass es Menschenrechte gibt und insofern auch Tierrechte oder Naturrechte.
Carsten Und das ist auch verankert in diesem Buen Vivir Gedanken. So viel kann ich ja schon mal vorgreifen, auch wenn wir das Thema mit dem Buch vielleicht später noch mal irgendwann besprechen werden. Aber es geht da tatsächlich darum, der Natur einen Wert an sich zuzuordnen. Das impliziert natürlich auch, dass Tiere ein Recht haben und das ist ein grundsätzlich komplett anderes Rechtsverständnis als das, was wir heute hier in den für uns gefühlten und arrogant titulierten „entwickelten Ländern“ so interpretieren und denken. Insofern muss ich mir, wenn ich das Gute Leben oder eigentlich sind es ja muss man Plural die guten Leben als Grundlage nehme und sage sobald das realisiert ist, muss ich mir eigentlich relativ wenig Gedanken darüber machen, dass die Tiere nicht als Rechtsbesitzer gesehen werden, sondern das ist dann automatisch schon so.
Stefanie Uns interessiert jetzt natürlich auch deine Meinung dazu. Wie gesagt, du kannst gerne im Clan mitdiskutieren oder schreib eine Email an post@vonherzenvegan.de. Den Link zum Clan findest du immer hier unter der Folge oder in den Shownotes. Was denkst du: gibt es Umstände, unter denen es in Ordnung ist, Tiere zu nutzen oder sie zu essen? Und was denkst du über eine vegane Welt? Also schreib uns per Email oder diskutiere im Clan. Wir freuen uns darüber.
Carsten Genau, ein schwieriges Thema. Wir könnten noch stundenlang darüber referieren, aber wir überlassen jetzt dir erstmal das Wort gesprochen oder abgetippt und möchten uns natürlich auch in dieser Folge für all die fabelhaften Menschen dort draußen bedanken, die uns über Steady unterstützen. Ein ganz großes Dankeschön!
Stefanie Ganz herzlichen Dank! Deine finanzielle Unterstützung hilft es mir hier meine laufenden Kosten zu decken und wir haben schon fast den Betrag erreicht, den ich brauche, um wirklich alle laufenden Kosten zu decken. Wenn du das Gefühl hast, du möchtest etwas zurückgeben und du unterstützt mich noch nicht über Steady und dir gefällt dieser Podcast und auch die anderen beiden Podcasts und der von Herzen Vegan Clan, der kostenlose E Mail Kurs und alles was ich sonst noch so kostenlos mache, dann freue ich mich sehr darüber, wenn du dich entscheidest ein Steady Mitglied zu werden oder gerne auch eine Einmalzahlung per PayPal. Den Link dazu findest du auch hier unter der Folge oder in den Shownotes.
Carsten Ja, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu sagen in diesem Sinne.
Stefanie In der Metropolregion Hamburg sagt man Tschüss.
Carsten Und bis zum nächsten Mal.
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