Mit Suffizienz zu mehr Nachhaltigkeit

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Folge 220 - Mit Suffizienz zu mehr Nachhaltigkeit

Wir starten das Jahr 2021 mit einem wichtigen Thema und einem Kernelement, um „ein gutes Leben für Alle“ zu erreichen: Suffizienz.

Carsten ist in der Vergangenheit bereits mehrmals über diesen doch sehr sperrigen Begriff gestolpert und erläutert in dieser Folge, was es damit auf sich hat.

Dabei wird klar, warum Suffizienz wirklich ein Schlüsselelement für gesellschaftlichen und ökologischen Wandel darstellt und welche Konsequenzen sich daraus für unser persönliches Leben ergeben.

Links zur Folge

Buch "All you need is less" von Manfred Folkers und Niko Paech
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Vollständiges Transkript (Korrektur gelesen von Rupert)

Stefanie So, bevor wir jetzt überhaupt starten, erst mal frohes neues Jahr!

Carsten Frohes neues Jahr!

Stefanie Wir hoffen, du bist gut reingekommen dieses Jahr. Bei uns war es irgendwie, ich dachte, es ist Böllerverbot, keine Ahnung, man darf keine Böller kaufen. Und gefühlt, wirklich gefühlt war es mehr als letztes Jahr.

Carsten Das war Protestböllern, was hier stattfand.

Stefanie Verrückt. Also, wir haben gerade jetzt, bevor wir jetzt hier diese Folge aufnehmen, unsere letzte Folge für unseren neuen Podcast aufgenommen, und der, wo es um Konsum geht, und haben gerade darüber gesprochen, dass wir unmündig waren. Und ja, so fühlt sich das auch an, wie unmündige Kinder, die hier Protestböllern. Verrückt.

Carsten Ja, genau, Hauptsache sowas lassen wir uns nicht verbieten irgendwie. So eine Haltung scheint da gewesen zu sein

Stefanie So als wenn es irgendwie so ein Menschenrecht auf Böllern gäbe. Also so und so sinnlos. Es tut mir leid, wenn du, vielleicht Böllerst du gerne und du liebst Feuerwerk und alles. Ich mag den Krach nicht. Also für mich ist das irgendwie nichts. Und wenn ich jetzt das aus Nachhaltigkeitsaspekten betrachte, ist es auch nicht prall, wenn wir dann so Feinstaub und so. Ja, ich finde es auch ganz schön, wenn da so ein leuchtendes Feuerwerk ist und so, aber dieser Krach ist nix für mich. Aber irgendwie sorry, aber. Ja, also beim Böllern kommen wir dann nicht zusammen, wenn du es gut findest. Tut mir leid.

Carsten Aber das Böllern ist ja heute gar nicht unser Thema. Es wird trotzdem.

Stefanie Wir böllern in die Folge rein (lachen).

Carsten Wir böllern in die Folge rein, genau.

Stefanie Nein, Carsten hat mich mit einem Begriff überrascht, da, ich weiß nicht, ob ich das schon mal als… Natürlich, irgendwie kam mir der Begriff schon so bekannt vor. Also es ist nicht so, dass ich gedacht habe „Hä? Hürxel Pürxel? was ist das denn oder so?“ Also es war nicht so ein Begriff, den ich noch nie gehört hatte, aber ich habe bisher noch nichts damit verbinden können. Und ich habe, damit ich hier weiterhin auch glaubhaft nichts damit verbinden kann, tatsächlich nichts darüber gelesen bisher, damit Carsten mir das alles erklärt. Carsten, was ist Suffizienz?

Carsten Suffizienz ist der Schlüssel zum Erfolg. Nein, nein.

Stefanie Carsten hat jetzt seine neue Coachingausbildung.

Carsten Die neue Coachingausbildung. Genau. Nennt mich Mr. Wikipedia. Nein, ich habe nicht bei Wikipedia gespeakt. Der Begriff Suffizienz ist tatsächlich ziemlich

Stefanie Gespeakt?

Carsten Gespeakt.

Stefanie Gespickt

Carsten Gespickt.



Stefanie Speakt ist

Carsten Also Hochdeutsch. Ich dachte nämlich der spitze Stein.

Stefanie Ach so! Und ich dachte so wie Speaker.

Carsten Ach so, nein, nein, nein, nein. Der spitze Stein hier.

Stefanie Ja, ja, ich hab's verstanden.

Carsten Im Nordischen

Stefanie Dann sag mal, was ist denn Suffizienz? Suffizienz?

Carsten Ja, wie gesagt, das ist ein sehr sperriger Begriff. Und im Grunde genommen verbirgt sich dahinter eigentlich nur eine Verhaltensweise. Mit einfach nur ist es aber auch nicht unbedingt getan. Also es ist tatsächlich so das Schlüsselelement, um das zu erreichen, was wir mit unserem Podcast hier die ganzen letzten Jahre schon aufgegriffen haben. Dieses weiter wie bisher geht es nicht. Das lässt sich mit dem Begriff Suffizienz sehr, sehr gut zusammenfassen.

Stefanie Habe ich immer noch nicht verstanden

Carsten Warum nicht?

Stefanie Sorry, musst du noch besser erklären.

Carsten Ach Mann

Stefanie Es war irgendwie wie so eine Worthülle, was du da gerade gemacht hast. Ja bitte.

Carsten Ich weiß. Gut, also. Vielleicht erkläre ich mal, was Suffizienz nicht ist. Also wenn wir jetzt so in der Medienlandschaft mal schauen und stellen irgendwie Begriffe wie Green New Deal in den Raum oder Kapitalismuskritik, es muss ein neues Wirtschaftssystem geben, dann haben wir immer irgendwo den Bedarf, dass Veränderungen auf einer übergeordneten Ebene stattfinden. Und Suffizienz bringt das ganze Thema der Verantwortung auf die persönliche Ebene zurück. Also ich habe mich da so ein bisschen leiten lassen von den Begrifflichkeiten, die Niko Paech verwendet. Der spricht jetzt bei Personen, die jetzt hinsichtlich von, ja Green New Deal ist so ein Synonym um mit Technologien die ökologischen Probleme, die wir jetzt bisher in der Vergangenheit erzeugt haben, in Zukunft dann irgendwie zu lösen. Die Personen, die so denken, bezeichnet er als Technikklempner. Und Personen, die sagen: Ja, das System ist schuld, wir haben ein wachstumsbasiertes System, das ist Kapitalismus und wir müssen die Systemfrage stellen und erstmal muss das System und bla bla bla. Die nennt er Systemklempner. Also das sind alles schöne Schrauben. Es funktioniert auch auf der einen oder anderen Ebene, mal mehr, mal weniger gut, um damit Lösungsansätze zu bekommen. Aber letztendlich entfernt es die Verantwortungsebene von uns persönlich. Und Suffizienz ist etwas, es gibt zu diesem Begriff „Eine Kultur des Genug“. Suffizienz ist etwas, was das Gegenteil von Konsum ist. Also wo ich jetzt zum Beispiel beim Green New Deal einen ökologisch-nachhaltigen, vielleicht auch ethisch und moralisch optimierten Konsum pflegen kann, also ich nutze halt Techniken, aber bleib letztlich auf einem hohen Wohlstandsniveau, hohes Technikniveau, da geht es bei Suffizienz darum, einfach zu sagen „Nein, ich brauche das nicht“. Also ein plastisches Beispiel ist: Wir Menschen neigen ja, ich sag jetzt mal nicht wir persönlich beide, aber so als Gesellschaft häufig dazu, bestimmte schädliche Verhaltensweisen nur dann zu unterlassen oder zu minimieren, wenn wir ein besseres Äquivalent haben. Etwas, wo wir sagen: Okay, das erfüllt eigentlich dieses Grundbedürfnis, aber ökologisch besser. Und sobald dieses Äquivalent oder diese Alternative zur Verfügung steht, dann lasse ich von meinem schädlichen Verhalten ab. Aber erst dann.

Stefanie Okay, also vielleicht wie das Elektroauto.

Carsten Genau richtig. Das ist das plastischste Beispiel.

Stefanie So dass ich sage, ich tausche eins zu eins. Also ich verändere nicht mein Verhalten, mein Mobilitätsverhalten, sondern ich kaufe mir jetzt einfach nur das nachhaltigere Auto.

Carsten Genau. Und das hat natürlich, da haben wir ja auch schon drüber gesprochen, aber ich versuche es noch mal so ganz grob zusammenzufassen, das löst ja nicht das Problem. Ich fahre an der Stelle ökologischer. Jetzt kann man sich drüber streiten, wo kommt jetzt der Strom her etc., da will ich gar nicht genau darauf hinaus. Es geht einfach nur darum: Ich habe das Mobilitätsproblem an sich noch nicht gelöst, und den Ressourcenbedarf damit immer noch nicht gelöst. Ich addiere im schlimmsten Fall sogar die Probleme. Also ich habe ein extrem schädliches Verhalten, wenn ich vorher Benziner und Dieselfahrzeuge habe und pack obendrauf noch mal die Elektrofahrzeuge, dann wird es ja im Endeffekt nicht besser. Für mich als Einzelkonsument, der jetzt innerhalb dieser Schiene wechselt Ja, aber als Gesamtvolumen der gesellschaftlichen Anstrengungen wird es ja eigentlich eher noch schlimmer. Und Suffizienz ist eigentlich so die Haltungsweise zu sagen Nein, ich verzichte dann komplett aufs Auto, weil ich entweder mein Mobilitätsverhalten minimiere. Ich fahr halt weniger häufig in Urlaub, ich fahr halt keine Ahnung mehr mit Fahrrad oder wie auch immer.

Stefanie Ich wohne halt so zentralisierter, dass ich halt alles zu Fuß erledigen kann, zum Beispiel. So, dann, ich habe jetzt gerade gedacht, ist es auch so, wie wenn ich eine Sucht gegen die andere ersetze, dass ich sage ich hör jetzt auf zu rauchen, dafür esse ich aber mehr oder halt so, weil ich ändere ja das Kernproblem nicht, also ich ersetze dann halt nur das, aber ich habe halt, das scheint dann gesünder zu sein zum Beispiel. Aber es ist halt letztlich immer noch ein Suchtverhalten.

Carsten Ja, genau so ein Reboundeffekt. Aber ich bleib halt in einer Konsumschiene drin. Ich höre halt nicht auf zu konsumieren, ich konsumiere halt nur anders. Ja, und je nachdem, was für eine Kaufkraft ich habe und was für ökologische Alternativen mir zur Verfügung stehen, glaube ich ja auch optimaler zu konsumieren, also optimaler im ökologischen Sinn.

Stefanie Also geht es eigentlich bei Suffizienz darum, weniger zu machen?

Carsten Genau.

Stefanie Dass nicht nur Grün, das gleiche in grün, sondern zwar schon grün, aber auch wenig.

Carsten Genau, also auch in verschiedenen Abstufungen. Also es fängt an bei Selbstbegrenzung, das was ich gerade schon sagte, ich fahr halt weniger Auto. Ähm bzw. ich versuche im Grunde genommen gar nicht mehr, Selbstbegrenzung habe ich gerade falsch definiert. Also Selbstbegrenzung wäre, ich versuche mal mein Verhalten auf dem Niveau zu halten, wo ich heute bin. Also ich kaufe mir kein zweites Auto oder vielleicht kein drittes. Ich fahre jetzt pro Jahr nicht mehr Kilometer, sondern versuche so auf dem Niveau zu bleiben, was ich heute habe, oder mir ein anderes Niveau selbst zu definieren und zu sagen, das ist jetzt für mich so die Oberlinie. Reduktion ist eine andere Möglichkeit der Suffizienz. Zu sagen: Ich versuche halt deutlich weniger zu fahren, nicht mehr so häufig in Urlaub zu fahren oder solche Beispiele. Und die, ich sag jetzt mal maximale Ausprägung von Suffizienz ist halt die vollständige Entsagung. Zu sagen, ich verzichte jetzt komplett. Also ich brauche es einfach nicht, weil ich die Möglichkeit habe, mein Mobilitätsbedürfnis auf andere Art und Weise zu decken. Entweder wohne ich halt, was du gerade schon sagtest, zentral, kann alles fußläufig erreichen, oder ich nehme halt in Kauf, dass ich auch etwas längere Strecken, vielleicht mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln dann zurücklege. Aber das ist tatsächlich so ein suffizienter Ansatz, nicht darauf zu warten, dass sich irgendwie die Infrastruktur, das System verändert oder jetzt irgendwelche neuen Technologien entwickelt werden, die mein schädliches Verhalten in irgendeiner Art und Weise kompensieren können, sondern dass ich selber meine Verantwortung als Konsument, als Bürger, wir haben ja auch schon die Differenz zwischen Konsum, Konsument und Bürger mal definiert oder besprochen, ich werde halt meiner Verantwortung gerecht.

Stefanie Wie bist du denn eigentlich auf das Thema Suffizienz gekommen?

Carsten Ja, warum gerade jetzt nochmal? Also irgendwie ist mir letztes Jahr ein Buch in die Hand gefallen, das war ein Gespräch mit Niko Paech und Manfred Folkers. Letzterer sagte mir bis dato nichts, aber die beiden standen für dieses Buch im Dialog und haben aber auch im Buch jeder für sich dann nochmal einen Essay eingesetzt. Der Manfred Folkers ist Buddhist und hat aus der buddhistischen Sichtweise geschrieben, was für Veränderungen persönlich und auch auf der Gemeinschaftsebene notwendig sind, um eben diesem „Weiter wie bisher geht's nicht“ zu begegnen. Und Niko Paech eben aus ökonomischer Sicht. Niko Paech ist ja auch bekannt aus diesem Bereich der Postwachstumsökonomie, und das hat das ganze Thema noch mal in den Vordergrund gestellt, weil Suffizienz dort gerade bei Niko Paech sehr stark im Vordergrund steht. Und ich bin in der Vergangenheit schon mal über diesen Begriff gestolpert, weil ich mich mit dem Degrowth-Thema beschäftigt habe. Und im Rahmen der Degrowth-Thematik gab es da auch schon mal, ich glaube ein Handbuch oder so was. Da habe ich auch so ein paar Kapitel mal, für.

Stefanie Ein paar? Du hast die meisten Kapitel in diesem Handbuch eingesprochen (lacht)

Carsten Ich habe ein paar Kapitel eingesprochen. Das Ganze ist frei zugänglich, und die Kapitel selber, das ist eigentlich nichts anderes als so ein Lexikon für Begriffe, die im Kontext.

Stefanie Und da war auch Suffizienz dabei?

Carsten Suffizienz war auch dabei, genau.

Stefanie Hast du das auch eingesprochen?

Carsten Ich bin mir nicht sicher, ich weiß es gar nicht mehr, was ich alles eingesprochen habe. Ich hab's zumindest gelesen. Ich habe das Buch zweimal gelesen, das zweite Mal eben um das Vorsprechen und das Einsprechen dann so ein bisschen vorzubereiten. Aber im Rahmen dessen ist mir der Begriff schon mal über den Weg gelaufen. Er klang aber damals zu sperrig. So, und vielleicht war ich auch noch nicht so bereit. Mich so intensiv mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen. Aber jetzt durch dieses Buch von Niko Paech und Manfred Folkers, was auch den Titel trägt „All you need is less“.

Stefanie Genau, das ist, da muss ich ja dazu sagen, ich habe da ganz kurz reingelesen in das Buch, und der Titel ist inspiriert von dem Beatlessong „All You Need is Love“. Also musst du halt All You Need is Less (beide singen) machen (beide lachen), das ist genau der Soundtrack dieses Buches.

Carsten Ja, genau. Ja, und das hat mich durchaus inspiriert, weil da wirklich griffig formuliert wurde. Was hat es mit Suffizienz auf sich? Und auch die Relevanz. Und da ist mir so, ganz, ganz viele Sätze, ich habe ganz viel notiert, aber ich habe mich ganz bewusst entschieden, das Buch jetzt nicht ausführlich zu rezensieren. Ich will es jetzt einfach nur nennen als.

Stefanie Kannst es denn empfehlen?

Carsten Ich kann es unbedingt empfehlen.

Stefanie Das gibt es übrigens auch als eBook. Ich hatte mir das als eBook ausgeliehen, aber dann habe ich es doch nicht gelesen. Und aufgrund des Lockdowns mussten wir die Bücher nicht fristgerecht zurückgeben. Deswegen haben wir das Buch ja auch noch liegen und ich wollte es eigentlich die ganze Zeit lesen.

Carsten Also es ist spannend, weil eben der Beginn mit einem Gespräch startet, da wo die beiden Autoren oder Essayisten dann im Dialog stehen, und dann geht es drüber in die einzelnen Essays. Zuerst das buddhistische, was ich sehr inspirierend fand, weil es eben auch buddhistisch war. Ich bin eigentlich was, was diese Postwachstumsthematik betrifft ja, sehr, ich sag jetzt mal so von der wissenschaftlichen Literatur.

Stefanie Nüchtern

Carsten Nüchtern, faktenbasiert. Und hier geht es dann sehr auf die, ich sage jetzt mal auf die Gefühlsebene, also ich kann.

Stefanie Schrecklich.

Carsten Schrecklich.

Stefanie Gefühle (lacht).

Carsten Habe ich ja gar nicht. Und später im zweiten Teil kommt Niko Paech dann mit seinem Essay, der, ja man merkt, dass er für dieses Thema brennt. Also da kommt so eine richtige, will ich nicht sagen Wut raus, aber er echauffiert sich.

Stefanie Du hast auch gesagt, dass er so frustriert klingt.

Carsten Ähm, ja, ich weiß nicht, ob frustriert. Also mit Sicherheit spricht ein ganz gehöriges Maß Frustration aus ihm heraus, das lese ich zumindest so aus seiner Wortwahl. Aber ob er tatsächlich persönlich frustriert ist, das wage ich jetzt nicht zu beantworten. Das kann natürlich ganz anders aussehen. Aber er versucht natürlich noch mal so ein bisschen aufzurütteln. Also im Grunde genommen ist sein Essay nichts Anderes als „Ich konfrontiere irgendwelche Menschen, packt die an die Schultern und rüttelt die jetzt wach. So nach dem Motto: Wenn du es jetzt noch nicht verstanden hast, dann weiß ich auch noch nicht“. Und das führt aber dazu, dass ganz viele Sätze und Äußerungen und auch Begrifflichkeiten wirklich Punktlandungen sind. Also die machen einfach Spaß zu lesen. Und ein Satz, der da noch in Erinnerung geblieben ist, war, dass die Suffizienz, die er dort beschreibt bzw. als er über Suffizienz schreibt, die verneint nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch den Sinn einer schleichenden Explosion von Mobilitätskonsum und Bequemlichkeitsansprüchen. Also genau dieses „alles immer“, was Harald Welzer ja schon einmal beschrieben hat, das wird durch die suffiziente Lebenshaltung eigentlich negiert. Also man, jemand, der Suffizienz lebt, der sagt: Du hast eigentlich kein Recht auf diese Bequemlichkeitsansprüche.

Stefanie Ja, Privilegien. Also sind wir wieder bei Privilegien. Ja, also das ist es ja auch tatsächlich. Aber es ist ja, es wirkt ja tatsächlich so in unserer Gesellschaft, als hätten wir ein Anrecht darauf, dass wir es bequem haben und dass es uns gut geht. So, das begegnet mir ja auch in meinen Kursen, meinen Teilnehmer:innen, dass sie dann sagen: Ah ja, aber ich will darauf nicht verzichten. Oder dass sie davon berichten, dass meistens ältere Familienmitglieder sagen „Ja, aber ich habe mir das doch so erarbeitet, ich habe das doch verdient“.

Carsten Also ja, das. Das ist etwas, wo suffiziente Lebenshaltung auch ganz klar als Widerpart oder als Gegensichtweise sich positioniert und nicht nur an die eigene Verantwortung appelliert, auch die eigene ökologische Verantwortung oder auch ethische Verantwortung, wenn man es jetzt in dem veganen Kontext hinsichtlich der Mensch-Tier-Beziehung sieht, sondern auch ganz klar die Legitimität der bisherigen Ansprüche und Anspruchsweisen einfach in Frage stellt und sagt: Wir haben keine Legitimität mehr, dieses Konsumverhalten, dieses Mobil- und Bequemlichkeitsverhalten auszuleben, weil genau das Argument „Das haben wir uns doch verdient, das haben wir uns erarbeitet“. Nein, haben wir nicht! Das haben wir einfach nur dadurch erreicht, oder es resultiert daraus, dass wir, ähm, ja, ich zitiere jetzt nochmal Niko Paech. Er schreibt: „Das resultiert aus einer räumlichen, physischen und zeitlichen Entgrenzung unserer Ansprüche.“

Stefanie Was heißt es genau?

Carsten Wir leben auf Kosten anderer! Andere sorgen für unseren Wohlstand.

Stefanie Es lag mir die ganze Zeit auf der Zunge. Aber ich wollte deinen Monolog nicht unterbrechen, damit er eloquent daher fließt.

Carsten Ist er es denn?

Stefanie Fast (lacht)

Carsten Ich lass das jetzt mal so stehen.

Stefanie Ja, natürlich. Wir haben uns auch so besonders lieb. Ja, also. Ja. Genau. Wir leben auf Kosten anderer. Ja.

Carsten Ja. Fühlt sich gut an. Ja. Ja. Zumindest für uns. Die davon als Privileg.

Stefanie Ja, die davon.

Carsten Nutzen ziehen können. Genau.

Stefanie Genau. Ja. Wie geht's denn noch weiter? Du hast da noch ein paar Punkte auf deinem Zettel. Sehe ich hier. Und ich schiele da so rüber. Aber ich kann's nicht lesen.

Carsten Ja, es geht, wir sind jetzt eigentlich schon bei der Notwendigkeit. Warum ist suffizientes Verhalten, suffiziente Lebensweise eigentlich notwendig? Das, was ich gerade schon sagte, ist eigentlich nicht mehr legitim, so zu leben wie vorher auch. Ja, weil wir es uns nicht selber erarbeitet haben. Wir tragen eine ökologische Verantwortung, ob wir es wollen oder nicht. Wir können uns dieser Verantwortung stellen oder wir können sie auch weiterhin ignorieren.

Stefanie Dann fliegt es uns aber um die Ohren.

Carsten Es fliegt uns um die Ohren, und wir können diese Verantwortung auch nicht abgeben. Also dieses Denken: Ja, aber der Händler, der Produzent, die Politik, das System, keine Ahnung was. Ja, überall steckt Verantwortung drin. Aber wir selber tragen, ich sag jetzt mal, zumindest für unsere eigenen Entscheidungen die Hauptverantwortung. Die nimmt uns keiner ab. Also, es zwingt uns keiner. Es steht ja keiner mit der Peitsche da, oder hält uns die Pistole vors Gesicht und zwingt uns jetzt zu einer bestimmten Konsumentscheidung. Also da tragen wir die Verantwortung. Und dann ist es ja noch wichtig, dass wir, das merken wir ja jetzt im oder in den Gesprächen und Berichterstattungen über die Klimakrise, die Klimakatastrophe, die jetzt so langsam einschleicht, dass wir ökologische Krisen haben. Wir werden wirtschaftliche Krisen weiterhin erleben, und wir werden ja auch soziale Krisen in Kauf nehmen müssen und dass, die können wir nicht auflösen, wenn wir jetzt weiterhin versuchen, irgendwie über Green New Deals, über Technologien etc. das schädliche Verhalten ökologisch optimaler zu gestalten. Und wir werden es auch nicht schaffen, indem wir jetzt versuchen, irgendwie den Kapitalismus abzuschaffen. Weil den Kapitalismus an sich, also wenn man über den Begriff Kapitalismus spricht, dann verschiebt man auch wieder die Antwort, die Verantwortung auf das System, auf die Politik, auf die Wirtschaftsakteure. Der Kapitalismus funktioniert ja nur, weil wir die Nachfrage sind.

Stefanie Ja.

Carsten Wir kaufen das, was dieses System herstellt. Wenn wir das nicht mehr machen, dann hat's der Kapitalismus schwer. Also wir können uns aus diesem Kapitalismus nicht rausziehen. Und die einzige Möglichkeit, da so eine Art Resilienz herzustellen, um diese sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Krisen irgendwie abzuschwächen oder in Zukunft vielleicht gänzlich zu vermeiden, besteht einfach nur darin, suffizienter zu leben, also zu verzichten, zu sagen: Ich brauche das alles nicht mehr, ich reduziere mein Wohlstandsniveau auf ein Niveau, mit dem ich genug habe. Die Kultur des Genug. Mir geht's damit auch gut. Ich muss jetzt nicht leiden, aber ich verursache nicht in dem Übermaß Schäden, dass ich auf Kosten anderer lebe. Und natürlich muss man jetzt auch noch mal die Sinnhaftigkeit des vorherigen oder des normalen Handelns irgendwie benennen. Ähm, ja, in dem Moment, wo ich quasi Mitglied, wollte ich gerade schon sagen, also Bestandteil dieser Konsumgesellschaft bin, definiere ich die Sinnhaftigkeit meines Lebens ja über den Konsum, über Spaß, über keine Ahnung, Shoppingerlebnisse, über was auch immer. Aber ich verliere natürlich Selbstwirksamkeit. Ich werde vielleicht irgendwie ein toller Bediener von Bedienoberflächen, die alle irgendwie gleich aussehen. Ähm, ich meine, denken wir mal so diese Smart Home-Thematik weiter. Irgendwann verlieren wir auch die Kompetenzen, selber eine Jalousie runter zu lassen, weil das alles irgendwie zeitgesteuert durch Computer geht. Und das einzige, was ich machen muss, ist nur irgendwie ein grünes oder ein gelbes Icon anzuklicken. Wir reduzieren unsere eigene Sinnhaftigkeit und unsere eigene Selbstwirksamkeit darauf, nur noch Bedienelemente zu betätigen. Aber die Kompetenz, wirklich etwas Notwendiges herzustellen, selber Brot zu backen, selber seine Lebensmittel herzustellen bzw. zu kochen, zu nähen etc. Also diese handwerklichen Fähigkeiten, mit denen ich wirklich was Sinnvolles anstelle, die gehen verloren, die delegieren wir ja quasi. Und dementsprechend ist ja diese Tendenz, immer mehr in diese Konsumgesellschaft hinzugehen, auch mit einem Verlust an Sinnhaftigkeit verloren.

Stefanie Das ist ja auch sehr schön, was dann immer in den Urban Gardening-Bewegungen gezeigt wird, also in den verschiedensten Dokumentationen, die ich darüber jetzt schon gelesen, gesehen, gehört habe oder wo ich selber mit dabei war. Deswegen zieht es ja auch so, weil ich da selbst was mit meinen Händen machen kann, weil ich da selber mithelfen kann. Und ich kann selber sehen, dass das, was ich tue, etwas bewirkt, und das gibt mir dann wieder einen Sinn. Was Rob Hopkins sagt, dass ich meine in dem Voices of Transition, dass er noch nie jemanden getroffen hat, der da irgendwie bei Urban Gardening mitmacht, bei solchen Aktionen, und sich danach schlechter fühlt, weil das einfach was ist, du machst was und du hast sofort eine Reaktion auf das, was du machst, und du bist in Gemeinschaft und an der frischen Luft und es ist einfach ein unglaubliches Gefühl. Während das, was du beschreibst mit Bedienoberflächen und so sicherlich sehr bequem ist, aber eben kein Gefühl, dass ich irgendwas Bedeutsames geschafft habe, auslöst.

Carsten Ja, im Zweifelsfall hast du im Grunde genommen nur noch gesagt „Alexa, schick mir bitte irgendwie den nächsten Obstkorb“. Ja, ich weiß nicht, ob das dann eine tolle Qualifikation ist, die man da irgendwie aufbauen muss. Aber ja, genau das sind ja die Richtungen, in die diese Konsumwelt tendiert.

Stefanie Lassen wir mal die ganzen Abhängigkeiten außen vor, und die Datenschutzproblematik, und was da alles draus entstehen könnte.

Carsten Aber das, da ist doch die Verantwortung bei anderen. Dafür haben wir ja Datenschutzbeauftragte.

Stefanie (lacht) Jetzt hör mal auf. Ganz genau. Okay, also Suffizienz.

Carsten Genau. Also das, was du gerade mit den Urban Gardening-Themen, oder auch eingebettet der Transition Towns, das ist ja nichts Anderes als gelebte Suffizienz, weg von den bisherigen Verhaltensmustern, wie schädlich sie auch immer irgendwie waren, hin zu einer Lebensgestaltung, die mit weniger zufrieden ist, die aber mehr Sinnhaftigkeit mit sich bringt. Und da, wo ich auch tatsächlich mich selbst mit stärker verwirklichen kann, also diese Selbstwirksamkeit stärker in den Vordergrund rutscht. So, und ich fand einfach den, vielleicht den Begriff Suffizienz nach wie vor sperrig, ich kann ihn jetzt aber zumindest für mich, und ich hoffe jetzt auch für dich, liebe Hörerin, lieber Hörer, ein bisschen besser mit Leben füllen. Und ich finde ihn als, er ist eigentlich die Alternative, es ist das, wo wir hin müssen. Und deswegen war es mir auch wichtig. Und das finde auch schön, dass das jetzt die erste Folge in diesem neuen Jahr ist. Das ist ja vielleicht auch ein schöner Vorsatz für das kommende Jahr, stärker in diese Thematik hineinzuleben.

Stefanie Wenn du nicht alleine diesen Vorsatz umsetzen möchtest, suffizienter zu leben, dann bist du natürlich auch immer herzlich willkommen im Clan plus, dem neuen Teil des von Herzen veganen Clans. Kostenpflichtig mit 10 € im Monat, in dem wir gemeinsam uns auf den Weg machen, noch nachhaltiger zu leben. Denn bei den Kursen und den ganzen Erfahrungen, die ich im letzten Jahr mit meinen Teilnehmerinnen gemacht habe, kam immer dieser Wunsch nach Begleitung auf. Und auch dieser Wunsch, dann im Alltag immer mal wieder daran erinnert zu werden, wie ich noch nachhaltiger leben kann. Denn im Alltag geht es doch so schnell unter. Dann mach ich mal so einen Wochenendkurs oder einfach nur einen Tag oder vielleicht auch eine Woche. Aber dann, wenn der Alltag kommt, dann ist es wieder weg. Oder ich schaue mir eine Dokumentation an, und das ist alles sehr gut, also es macht alles Sinn. Ja, auf jeden Fall. Aber letztlich geht es dann doch wieder irgendwann unter. Dann falle ich wieder in diesen Trott. Und deswegen gibt es den Plan plus, damit wir gemeinsam uns auf den Weg machen können in ein noch nachhaltigeres Leben. Und wir starten jetzt im Januar damit, dass wir unseren ökologischen Fußabdruck berechnen und auch das System Ökologischer Fußabdruck noch mal ein bisschen kritisch beleuchten und da ein bisschen Hintergrundwissen auf zubauen. Du kannst jederzeit dazukommen. Ich habe die zwölf Jahresthemen auf der Infoseite, die du hier unter der Folge verlinkt findest, dort noch mal aufgelistet. Und diese Inhalte, die stehen dir die ganze Mitgliedschaft über zur Verfügung. Das heißt, auch, wenn du später dazu kommst, wirst du auf die alten Inhalte zugreifen können, so dass es kein Problem ist, wenn du dir überlegst, erst Ende Januar dazu zu kommen oder im Februar oder wann auch immer im Jahr. Und ich freue mich sehr, dich als neues Clan plus Mitglied begrüßen zu dürfen.

Carsten Ja, das ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, um uns bei allen Menschen zu bedanken, die uns bisher finanziell und als Hörerinnen und Hörer die Stange gehalten haben. Vielen, vielen Dank für Eure Unterstützung.

Stefanie Ein herzliches Dankeschön natürlich auch von meiner Seite. Und es bleibt mir eigentlich ja nichts Anderes mehr zu sagen als: In diesem Sinne.

Carsten Und eine der noch verbleibenden Folgen, wo wir sagen müssen: In der Metropolregion Hamburg sagt man

Stefanie Tschüss, ne (lacht)

Carsten Tschüss, ne. Tschüss und auf Wiederhören.

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