Folge 289 - Zeitgerechtigkeit als Schlüssel zum guten Leben für alle

Ein Beitrag

Folge 289 - Zeitgerechtigkeit als Schlüssel zum guten Leben für alle

Wir haben keine Zeit. Schon wieder. Wir hätten so viele Themen, die wir gerne in diesem Podcast besprechen würden, aber uns fehlt schlicht die Zeit dazu.

Dass das kein individuelles Zeitmanagement-Problem ist, ist mir spätestens nach der Lektüre des Buchs "Alle_Zeit" von Teresa Bücker klar geworden.

Zeit ist, wie die meisten Ressourcen auf diesem Planeten und in unserem Leben, ungleich und ungerecht verteilt.

Wir alle haben eigentlich gleich viel Zeit zur Verfügung. Doch wir können nicht frei darüber verfügen. Das System, in dem wir leben, lässt das nicht zu.

Links zur Folge

Buch „Alle_Zeit - Eine Frage von Macht und Freiheit“ von Teresa Bücker
https://www.ullstein.de/werke/alle-zeit/hardcover/9783550201721

Mein Newsletter
https://steadyhq.com/de/stefanie-rueckert/newsletter/sign_up

Vollständiges Transkript der Folge

Stefanie Heute möchten wir über das Thema Zeit sprechen. Das passt aus vielerlei Gründen sehr gut. Denn Carsten und ich haben zu wenig Zeit momentan, um Podcastfolgen aufzunehmen. Und gleichzeitig habe ich ein Buch gelesen. Das nennt sich „Alle_Zeit“ von Teresa Bücker. Mit dem Untertitel „Eine Frage von Macht und Freiheit“ und ich möchte in dieser Folge über dieses Buch sprechen, aber auch über unsere rein subjektiven Empfindungen zum Thema Zeit. Und das Buch möchte ich auch nur relativ kurz anteasern und dir jetzt schon mal als Leseempfehlung mitgeben. Dieses Buch hat mich mal wieder sehr radikalisiert und Carsten hat es noch nicht gelesen. Er muss das aber noch lesen.

Carsten Na ja, ich bin trotzdem radikalisiert. Allerdings auch ohne Buch bzw durch meine Alltagserfahrung.

Stefanie Inwiefern? Erzähl doch gleich mal.

Carsten Was du schon sagtest. Uns fehlt einfach die Zeit. Also es ist ja jetzt nicht so, dass wir keine Folgen aufnehmen, weil wir keine Themen haben. Die Themen stapeln sich ja, aber uns fehlt die Zeit zum Aufnehmen um Folgen auszuarbeiten. Und es ist ja nicht so, dass unsere Tage kürzer geworden sind. Aber die Zeit wird ja, wie bei vielen anderen Menschen ja auch, gefüllt mit irgendwelchen Dingen, die sich dann um die Erwerbsarbeit zum Beispiel drehen. Und das ist etwas, was zumindest bei mir nach wie vor immer noch so im Fokus steht, dass ich unglaublich viel Zeit und noch viel, viel mehr Energie aufbringen muss, um meiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Und da ja nicht nur irgendwie morgens um, keine Ahnung, kurz vor sieben das Haus verlasse und abends um 18:00 Uhr nach Hause komme, sondern dann ja auch entsprechend k.o. bin. Also die Arbeit schlaucht mich ja auch, sei es durch Stress, sei es dadurch, weil ich mich im Moment mit meiner Arbeit immer weniger identifiziere. Also sie ist für mich wenig sinnstiftend geworden oder zunehmend weniger sinnstiftend.

Es entzieht mir Energie, sodass ich dann abends total k.o. nach Hause komme, was dann aber auch etwas ist, wo ich sagen muss, das ist noch so die Nachwirkung von der Erwerbsarbeit. Das heißt also auch da geht die Zeit drauf. Nur weil ich dann quasi „Freizeit“ habe, heißt das noch lange nicht, dass ich diese Zeit nach eigenem Gusto frei gestalten kann. Wenn mir die Energie fehlt, dann ist das natürlich was anderes, als wenn ich jetzt sage: Hey, ich habe jetzt noch keine Ahnung, 4,5,6 Stunden Zeit am Tag, jetzt setze ich mich mal in der Sonne und tu mal gar nichts oder so! Also es ist tatsächlich erst mal so zum Energie nachtanken, damit ich am nächsten Tag wieder einsatzbereit bin.

Stefanie Ja, damit sind wir schon mitten drin im Thema und mitten drin im Buch auch. Also genau das, was du gesagt hast, beschreibt Teresa Bücker in ihrem Buch auch unter anderem. Und die Lösung für das Ganze ist eigentlich nichts Neues, da geh ich nachher noch mal drauf ein. Aber letztlich dieses Gefühl, was du gerade beschrieben hast und auch die Definition von Zeit, also auch die Definition von Freizeit, das ist etwas, über das wir auf jeden Fall nachdenken sollten. Und darüber schreibt Teresa Bücker in diesem Buch unter anderem. Ich würde jetzt vielleicht einfach mal kurz vorlesen, was hinten auf dem Buch draufsteht, denn das ist eine super Zusammenfassung des Buchs. Ich hatte das gar nicht gelesen am Anfang, was da steht, sondern erst danach und habe dann gedacht: Hey, da steht ja alles so, aber natürlich steht im Buch noch viel mehr. Aber letztlich ist das so die Essenz auch. Also:

“Soziale Gerechtigkeit bedeutet gerechte Verteilung von Zeit. ‚Zeit ist ein Geschenk, aber auch Verantwortung. Alle Menschen sollten frei über ihre Zeit verfügen können. Diese Utopie können wir jetzt gestalten.‘ Zeit ist die zentrale Ressource unserer Gesellschaft, doch sie steht nicht allen gleichermaßen zur Verfügung. Teresa Bücker, eine der bedeutendsten Publizist·innen in Deutschland, macht klar: Wir brauchen jetzt eine radikal neue Zeitkultur. Sie ist der Schlüssel für Geschlechter- und Generationengerechtigkeit, für eine nachhaltige Ökonomie und eine lebenswerte Zukunft.“

Carsten Ja, das ist interessant, dass das jetzt hier auch in diesem Buch thematisiert wird. Denn wenn sie davon schreibt oder auf diesem Klappentext steht „Nachhaltige Ökonomie und eine lebenswerte Zukunft sind abhängig davon, wie wie wir mit Zeit umgehen.“ Das habe ich ja tatsächlich in dem Öko Dorf Sieben Linden auch wirklich erfahren. In der einen Woche, wo ich von meiner Ausbildung dort war, dass diese Menschen sich ganz bewusst darauf konzentrieren, ihre Erwerbsarbeit so teilzeitmäßig zu betrachten, also nicht als 40 Stunden Woche, sondern die arbeiten wenn überhaupt, dann 20 Stunden die Woche, um überhaupt irgendwie extern Geld zu verdienen. Und die restliche Zeit wird für andere Tätigkeiten aufgebracht. Gemeinschaftsbildung etc. pp. Und das ist natürlich ein Modell, wo tatsächlich vor Ort auch gezeigt werden kann, dass sich daraus diese lebenswerte Zukunft gestalten lässt. Und das wäre nicht möglich, wenn die Personen, die jetzt zum Beispiel konkret in diesem Ökodorf Sieben Linden arbeiten oder leben, 40 Stunden die Woche arbeiten würden in einem externen Job, dann wäre diese Utopie, die dort ja tatsächlich real gelebt wird, gar nicht machbar.

Stefanie Das möchte ich jetzt noch mal mit einigen Perspektiven aus dem Buch von Teresa Bücker ergänzen, dieses Bild, was du jetzt gezeichnet hast. Denn da ist es ja genauso, wie du eingangs sagtest: Es gibt die Zeit für Erwerbsarbeit und dann gibt es Zeit für Gemeinschaft und dann wird vielleicht noch geschlafen, aber da fehlt ja irgendwie was. Also wo bleibt dann diese Zeit für mich? Und ist dann Carearbeit jetzt auch schon in dieser Gemeinschaftsarbeit mit drin oder ist sie in der Erwerbsarbeit mit drin? Wird sie überhaupt mitgerechnet? Also wenn ich jetzt denke, dass mein 24 Stunden Tag dann irgendwie aufgeteilt wird in acht Stunden Schlaf und dann noch mal acht Stunden Arbeit und acht Stunden Freizeit, das war ja dieses Modell, was früher propagiert wurde und was heute immer noch so propagiert wird. Und dann sind wir wieder bei dem Punkt zu definieren: Was ist denn jetzt Freizeit?

Also jetzt bei dem Modell, was du in Sieben Linden aufgezeichnet hast, wäre es ja so, dass diese acht Stunden Erwerbsarbeit in vier Stunden Erwerbsarbeit und vier Stunden Gemeinschaftsarbeit pro Tag aufgeteilt werden würden. So rein rechnerisch, natürlich funktioniert das nicht so hundertProzentig, aber rein rechnerisch einfach. Und dann hätte ich noch diese acht Stunden Freizeit. Aber und das fand ich sehr interessant in dem Buch von Teresa Bücker was mache ich denn alles noch? Also Sachen wie Essen, Kochen, Carearbeit und Reproduktionsarbeit generell, aber auch duschen, mich irgendwie herrichten und generell alles, was ich brauche, um am Leben zu bleiben. Den eigenen Körper zu pflegen, das sind ja alles keine Freizeittätigkeiten, sondern das ist dann etwas, was ich nicht der Freizeit, also der freien Zeit zurechnen kann, sondern das sind alles vorbereitende Tätigkeiten für die Erwerbsarbeit und auch vorbereitende Tätigkeiten für die Gemeinschaftsarbeit. Dass ich überhaupt irgendwie das alles leisten kann.

Ich fand das dann ganz interessant, dass sie da im Buch auch geschrieben hatte, dass es bei uns gesellschaftlich nicht anerkannt ist, wenn ich nackt und ungepflegt, irgendwie ungeduscht usw dann zur Arbeit gehe. Also es geht nicht, das kann ich nicht machen. Deswegen muss ich ja diese Zeit investieren um mich herzurichten, um dann einem gewissen Standard, einer gewissen „Norm“ zu entsprechen. Und das ist dann auch noch geschlechterbedingt unterschiedlich, was so von einem verlangt wird, wie ich auszusehen habe. Und da rede ich jetzt gar nicht so davon, dass ich unbedingt einer bestimmten körperlichen Fülle entsprechen muss oder auch nicht Fülle, sondern , dass ich als Frau in dieser Gesellschaft, wenn ich als Frau gesehen werde, dann auf bestimmte Art und Weise frisiert und geschminkt, in manchen Jobs zur Arbeit kommen muss und das wirklich erforderlich ist. Das also nur als ein Beispiel von vielen, was ja auch alles Zeit kostet. Das kommt alles dazu.

Das heißt, wenn Carsten sagt, er geht morgens zur Arbeit, kommt abends wieder: davor hast du dich ja auch fertig gemacht, hast möglicherweise geduscht, hast gefrühstückt und das sind ja alles keine Freizeitaktivitäten, würden aber in diesem Modell acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden schlafen dann ja auch dazugerechnet.

Carsten Ja und wenn du das jetzt so aufteilst, diese acht Stunden und acht Stunden und acht Stunden, dann ist es ja so, dass im Alltag eine Pause dazwischen liegt. Das heißt, du machst ja nicht acht Stunden Arbeit am Stück, sondern du arbeitest ja, ich sage jetzt mal so rechnerisch deine vier Stunden. Dann legst du eine halbe Stunde, eine Stunde Pause ein, um dann anschließend die restlichen vier Arbeitsstunden hinter dich zu bringen. Und diese eine Stunde - ich bleibe jetzt mal rechnerisch bei einer Stunde Mittagspause - die ist ja Freizeit. Ja, aber de facto ist sie nicht Freizeit. Sie dient dem Wiedererlangen deines Energieniveaus, um die restlichen vier Stunden Arbeitszeit hinter dich bringen zu können. Und da gibt es ja durchaus auch radikale Ansätze, die wir, glaube ich, auch schon in einer der vorherigen Folgen schon mal besprochen hatten, dass diese Mittagspause eigentlich de facto auch als bezahlte Arbeitszeit gelten müsste, weil sie ja gar nicht ausschließlich dazu dient, dass du jetzt irgendwie deine Freizeit da verbringst, sondern primär dient diese Arbeits- oder diese Mittagspause eher der Wiederherstellung deiner Arbeitskraft. Sie dient also im Grunde genommen deiner·m Arbeitgeber·in, dem Unternehmen, für das du tätig bist und weniger dir selbst.

Stefanie Außerdem ist es so, dass du in deiner Mittagspause etwas isst. So und das dient ja auch wieder der Wiederherstellung und das ist jetzt auch keine freie, unbestimmte Zeit. Und dieses freie, unbestimmte Zeit ist tatsächlich der Punkt, der uns am meisten fehlt. Und gerade wenn wir Vollzeit erwerbstätig sind, ist freie, unbestimmte Zeit rar, quasi fast gar nicht vorhanden. Vor allem, wenn dazu dann noch Carearbeiten kommen und du in einer Kleinfamilie lebst.

Und da kommt jetzt ein Modell ins Spiel, was Teresa Bücker hier in ihrem Buch auch vorstellt von der Soziologin Frigga Haug. Und zwar die „Vier in einem Perspektive“, die wie folgt aussieht, nämlich dass diese acht Stunden und acht Stunden und acht Stunden, die wir vorher hatten, anders aufgeteilt werden, nämlich in vier Stunden Erwerbsarbeit, vier Stunden Gemeinschaftsarbeit, vier Stunden Care Arbeit und vier Stunden freie, unbestimmte Zeit. Und dann noch die acht Stunden Schlaf. Denn zu wenig Schlaf macht uns auch krank, ist auch nicht gut.

Und wir müssen auch politisch und gesellschaftlich sehen, dass die Care Arbeit die ganze Zeit als minderwertige, nicht bezahlte Arbeit so nebenher läuft und immer nur auf diese Erwerbsarbeit fokussiert wird. Aber durch dieses vier mal vier Stunden sozusagen Modell würde das alles ganz anders gewichtet werden. Da würde die Carearbeit gleichwertig neben der Erwerbsarbeit stehen und auch gleichwertig neben der Gemeinschaftsarbeit und der freien, unbestimmten Zeit. Und um nochmal zu verdeutlichen, warum diese freie, unbestimmte Zeit so wichtig ist, möchte ich den Klappentext des Buchs vorlesen:

“Der Zugriff auf Zeit ist eine Frage von Macht und Freiheit. Wer wird für seine Arbeit bezahlt und wer nicht? Wer hat Zeit für seine Interessen einzutreten? Heute wird die meiste Zeit der Erwerbsarbeit zugestanden. Nur ökonomisch Verwertbares gilt als wertvoll für soziale Beziehungen. Sorgearbeit und Erholung bleibt zu wenig Platz. Zeit ist höchst ungerecht verteilt. Der materielle Wohlstand hat sich nicht in Zeitwohlstand übersetzt. Zeitarmut treibt uns in Vereinzelung und Erschöpfung, zerstört Familien und Freundschaften. Sie macht politisches Engagement zu einer Klassenfrage. Ein gutes Leben für alle kann nur gelingen, wenn wir verstehen, wie drängend Zeitgerechtigkeit ist und endlich die Debatte darüber beginnen, wie wir Zeit neu verteilen. Wir müssen den Glaubenssatz überwinden, dass Zeit Geld sei, und wir müssen uns der Zeit derer annehmen, deren Bedürfnisse bislang wenig zählen. Teresa Bücker macht konkrete Vorschläge, wie eine moderne Zeitkultur aussehen kann, die für mehr Gleichberechtigung und Lebensqualität sorgt.“

Gerade dieser Punkt, dass politisches Engagement zur Klassenfrage wird und auch generell viel zu wenig Zeit bleibt für Beziehungen und diese freie, unbestimmte Zeit, in der wir machen können, was wir wollen, quasi einfach mal absichtslos vor uns hin leben, sind Dinge, die mir in letzter Zeit immer stärker auffallen. Ich habe das jetzt im letzten Bildungsurlaub gemerkt, dass wir auch darüber diskutiert haben, dass einfach keine Zeit mehr übrig bleibt, um sich zu engagieren. Und das ist ja auch wieder der Punkt hier bei uns, Carsten und bei mir, dass wir einfach merken durch die Erwerbsarbeit und auch die Carearbeit, die beide anfallen und getan werden müssen, bleibt keine Zeit mehr damit wir hier im Podcast Folgen veröffentlichen können und uns die Zeit nehmen können, politisch aktiv zu sein. Denn hier die Podcastfolgen zu veröffentlichen ist auch eine Art politisches Engagement. Und die Carearbeit und die Erwerbsarbeit ziehen so viel Kraft auch und so viel Energie, dass dann da keine Möglichkeit mehr bleibt, dass wir uns engagieren können. Wie gesagt, Themen haben wir genug und wir würden das auch gerne machen. Wir würden gerne die meiste Zeit, die uns zur Verfügung steht, in politisches Engagement reinstecken. Nur fehlt uns die Kraft und fehlt uns die Zeit.

Carsten Und das mit der Kraft ist ganz spannend, weil auch da die Erfahrungen aus meinem Permakulturkurs gezeigt haben, dass, wenn ich mich mit sinnstiftend und sinnfüllenden Aufgaben und Themen beschäftige, ich ein ganz anderes Energieniveau habe. Wir haben da an den Tagen teilweise 12,13,14,15 Stunden aufeinander gehockt, haben zwar zwischendurch Pause gemacht, aber häufig waren die Pausen dann auch so gestaltet, dass wir die Themen in den Pausen weiter diskutiert hatten. Also wir waren eigentlich komplett rund um die Uhr im Thema drin. Und ich für meinen Teil habe auch tatsächlich ein Schlafdefizit angehäuft, weil wir einfach zu spät ins Bett gegangen sind, ich auch wieder zu früh wach geworden bin, aber trotzdem am nächsten Tag voller Energie und voller Elan da war. Und das hat mich total fasziniert. Das hat mich zwar am Ende dieser Ausbildungsstrecke dann doch schon ein bisschen geschlaucht. Also quasi der Tag danach, wo ich wieder nach Hause gekommen bin, habe ich gemerkt: Hey, ich habe tatsächlich ein Schlafdefizit, ich muss jetzt mal ein bisschen Schlaf nachholen. Aber innerhalb dieser ganzen Kurswochen war einfach das Energieniveau völlig auf einem Niveau, wo ich auch gedacht habe: Oh, das kenne ich so gar nicht in dieser Güte.

Und das ist sehr schnell verflogen, als ich wieder in den ganz normalen Arbeitsalltag reingekommen bin. Da hat es keine 2 bis 3 Tage gedauert. Da war ich dann abends total wieder erschöpft und das hat mir einfach gezeigt, dass das unabhängig davon, wie wir unsere Zeitgestaltung aufbauen, auch eine wichtige Komponente ist. Mit was für Themen verbringen wir eigentlich den Tag? Und wenn ich jetzt schon acht Stunden am Tag mit einer Tätigkeit zu tun habe, die letztendlich nur mein Einkommen sichert oder das Einkommen der Familie dann noch sicherstellt, mich aber inhaltlich gar nicht wirklich erfüllt, dann ist das etwas, was unglaublich viel Energie kostet. Wenn ich das jetzt reduzieren würde auf diese vier Stunden und hätte den restlichen Tag die Möglichkeit, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die vielleicht auch Kraft kosten, die für mich aber sinnstiftender sind, dann habe ich auch viel mehr Möglichkeiten, Themen und Dinge anzubringen, die ich sag jetzt mal auch Energie kosten. Aber wo ich die Energie aufbringe, weil es mir Spaß macht, weil es Spaß bereitet, weil ich einfach merke okay, da geht's voran. Also die Dynamik und die Energie ist dann eine ganz andere, wenn ich mich mit Themen auseinandersetze, wo ich sage, da stehe ich auch hinter, da habe ich Herzblut und das erfüllt mich auch.

Stefanie Ja, definitiv. Denn das, was Teresa Bücker in ihrem Buch auch schreibt, ist, dass es gar nicht darum geht, wenn es jetzt um Gleichberechtigung der Geschlechter auch geht, Frauen in die Vollzeit Erwerbsarbeit zu bringen, sondern dass wir mehrere Schritte zurücktreten und gucken, wie wir denn überhaupt unsere Zeit gestalten. Wie nach diesem vier mal vier Stunden Modell, was ich jetzt vorhin schon vorgestellt hatte, dass wir alle eigentlich in die Teilzeit gehen und nicht versuchen alle in die Vollzeit zu gehen, so dass dann der Erwerbsarbeit dann auch ihre Macht quasi genommen wird und wir dann diese gleichwertig neben den anderen Zeiten stehen haben. Und auch den anderen Arbeiten, sage ich jetzt mal und da sind wir noch bei anderen wichtigen Punkten tatsächlich.

Also das Buch ist wirklich sehr, sehr empfehlenswert. Ich sage es noch mal: Lies dieses Buch. Mir hat es sehr viel gebracht, denn wie viel ist deine Zeit wert? Es wird nur Erwerbsarbeit wertgeschätzt. Und dann gibt es da natürlich auch noch eine Hierarchie und dann sind wir wieder bei Hierarchien und überlegen okay, dass bestimmte Erwerbsarbeit mehr wert ist als andere Erwerbsarbeit. Und da ist dann zum Beispiel der Punkt, dass ich sage okay, die Zeit, die ich mit meiner Erwerbsarbeit verbringe, ist mehr wert als die Zeit, die zum Beispiel eine Person damit verbringt, meine Wohnung zu putzen. Denn nur so kann ich sie ja bezahlen, indem ich mehr verdiene als diese Person. Das sind auch noch Punkte, die wir da bedenken sollten, was dann ja auch zu der Frage führt: wer putzt die Wohnung dieser Person, die meine Wohnung putzt? Wer passt auf die Kinder dieser Person auf, die auf meine Kinder aufpasst? Irgendwo ist immer ein Ende erreicht, wo dann unbezahlte Arbeit entsteht.

Und da sind wir wieder bei dem Punkt Zeitgerechtigkeit. Ein gutes Leben für alle ist nur möglich, wenn die Zeit gerecht verteilt ist. Also wenn da am Ende der Kette Personen stehen, die wieder ungerecht behandelt werden, ist das ja kein gutes Leben für alle. Also funktioniert das nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Das ist natürlich klar, dann sind wir wieder bei dem System, was das Problem ist, dass wir wieder systemkritisch denken. Und letztlich liegt die Lösung nicht darin, dass wir in dieser Vereinzelung bleiben, in der wir jetzt leben, in diesen Kleinfamilien, sondern dass wir in die Gemeinschaft gehen. Und ja, da lande ich in letzter Zeit immer wieder, egal von wo ich komme, welche Probleme ich mir angucke. Immer wieder lande ich bei der Lösung: Wir müssen Gemeinschaften bilden und gemeinschaftlich handeln und unsere Gesellschaft ganz anders strukturieren, dass wir in Gemeinschaften leben können.

Und das schreibt auch Teresa Bücker in ihrem Buch als Lösung. Sie schreibt es natürlich um einiges ausführlicher, als ich das jetzt hier sage. Deswegen: lies dieses Buch. Wobei ich sagen kann, dass die Lösung hier in dem Buch jetzt nicht so ausführlich dargestellt wird, wie es hätte sein können. Ich würde sagen, dass wir die Lösung aber auch schon kennen, wenn wir zum Beispiel von Robin Wall Kimmerer Bücher gelesen haben oder von Sherri Mitchell. Denn diese Lösungen, die da vorgestellt werden, was indigene Menschen schon alles wissen und schon leben in diesen Gemeinschaften, das ist eigentlich die Lösung. Die gibt es schon, die gibt es seit Jahrtausenden schon auf diesem Planeten, diese Lösung, nur haben wir uns in dem System in dem wir leben, davon ganz weit entfernt und sind in diese Vereinzelung, Individualisierung, Machthierarchien usw in dieses ganze kapitalistische Konstrukt reingelaufen. Herrschaft usw. Genau, ich radikalisiere mich ja auch immer mehr.

Na ja, jedenfalls dieses Experiment, was wir hier gestartet haben, in unserer westlichen Zivilisation ist fehlgeschlagen. Es gibt jede Menge Lösungen auf unserem Planeten, die seit Jahrtausenden schon ausprobiert werden und die gut funktionieren und wo wir einfach nur unseren Blick drauf werfen sollten, unseren Fokus verändern. Und wenn wir da schauen und sehen: Hey, guck mal so kann das funktionieren mit Gemeinschaften, so könnten wir leben, dann wär das die Lösung.

Und bis Carsten und ich das auch geschafft haben, so in Gemeinschaft zu leben und auch wirklich mehr Zeit zur Verfügung haben für politische Interessen, freie, unbestimmte Zeit und so, ist es jetzt leider so, dass wir wirklich kaum Zeit zur Verfügung haben, hier Podcastfolgen aufzunehmen. Und deswegen wissen wir noch nicht so genau, was die Zukunft bringt. Also wir wollen uns so in diese Richtung bewegen, dass wir mehr in Gemeinschaft leben können. Nur ist es immer schwierig innerhalb dieses Systems was anderes zu machen. Also wir versuchen ja immer wieder auszubrechen und neue Dinge zu machen und so, ja, also der Wunsch und der Wille ist da. Wir scheitern nur immer mal wieder am System und na ja, so lange das so ist, wissen wir noch nicht so genau, wie das jetzt mit dem Podcast hier weitergeht. Also wir wollen ihn nicht aufgeben. Es ist nur so, dass es wahrscheinlich noch unregelmäßiger wird mit den Folgen.

Gleichzeitig bin ich aber dabei wieder eine neue Online Community aufzubauen. Also da wird was kommen. Es gab so ein paar technische Hürden, die ich jetzt aber genommen habe und jetzt geht es darum, das erst noch soweit schön vorzubereiten und so. Ich weiß noch nicht - wie gesagt, Zeit ist das große Thema - wie schnell das vorangehen wird. Wenn du den Newsletter abonniert hast und oder Steady Unterstützer·in bist, werde ich dich automatisch auf diesem Weg informieren, wenn ich soweit bin. Und ansonsten werden wir sicherlich irgendwann auch eine Podcastfolge machen, wo wir dann sagen: Hey, es gibt jetzt diese Community. Ich bin da schon einige Schritte weitergekommen. Es wird sie auf jeden Fall geben und sie wird noch viel datenschutzfreundlicher sein als die vorherige Community, weil sie selbst gehostet ist usw und so fort. Aber jedenfalls: da kommt noch was und da wird es dann auch wieder mehr Gemeinschaft geben und so, aber das jetzt nur so am Rande. Erst mal so als Aussicht, damit du Bescheid weißt, warum es jetzt hier so ist, dass wir nicht mehr so regelmäßig Podcastfolgen veröffentlichen.

Carsten In diesem Sinne.

Stefanie In Hamburg sagt man Tschüss.

Carsten Und auf Wiederhören.

Zurück

Hinweis zum Von Herzen Vegan Clan

Im November 2021 ist der Von Herzen Vegan Clan ein Teil meiner damals neuen Community, des Experimentariums geworden.

Das Experimentarium gibt es seit Dezember 2022 nicht mehr.

Ich bin gerade dabei eine neue Online-Community aufzubauen. Wenn Du interessiert bist, schau doch mal vorbei:

>> Hier gehts zur neuen Community

Mehr als Vegan Podcast

Du möchtest etwas zurückgeben?

Der Mehr als Vegan Podcast soll barrierefreier werden und dafür brauchen wir Deine Unterstützung.

Wir suchen ständig Menschen, die bereit sind Transkripte der Podcastfolgen Korrektur zu lesen.

Die Hälfte der Podcastfolgen sind schon geschafft, für die andere Hälfte brauchen wir Dich!

Schreib uns gern, wenn Du Dich angesprochen fühlst.