Folge 299 - Verkehrswende von unten: Amsel44 in Wolfsburg. Im Gespräch mit Tobi Rosswog

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Folge 299 - Verkehrswende von unten: Amsel44 in Wolfsburg. Im Gespräch mit Tobi Rosswog

In Wolfsburg gibt es ein Projekthaus, das sich für eine klimagerechte Verkehrswende engagiert: die Amsel44. Sie ist keine feste Gruppe, sondern eine offene Plattform, auf der sich Menschen mit verschiedenen Ideen und Talenten austauschen und gemeinsam Aktionen organisieren.

In diesem Podcast Interview lernst du Tobi Rosswog kennen, einen der Mitbegründer·innen der Amsel44. Er berichtet dir, wie die Amsel44 funktioniert, welche Erfolge sie schon erzielt hat und welche Herausforderungen sie noch meistern muss. Er spricht auch über die gesellschaftlichen Dimensionen der Verkehrswende und wie er sich eine zukunftsfähige und solidarische Welt vorstellt. Er lädt dich ein, dich selbst einzubringen und mitzuwirken.

Links zur Folge

Amsel 44 - Freiraum für Projekte, Kampagnen & Aktionen
https://amsel44.de/

Verkehrswendestadt Wolfsburg
https://verkehrswendestadt.de/

Tobi Rosswog
https://www.tobi-rosswog.de/

Buch "After work" als Ebook und Hörbuch kostenlos herunterladen
https://after-work-buch.de/

Buch"VW steht fürs Verkehrswende"
https://www.graswurzel.net/gwr/produkt/vw-steht-fuer-verkehrswende/

Stiftung "Freiraum"
https://www.projektwerkstatt.de/index.php?domain_id=22

Vergesellschaftungskonferenz 15.- 17.3.2024 in Berlin
https://vergesellschaftungskonferenz.de/

Artikel "Baut mehr Straßenbahnen", auf den sich Tobi im Gespräch bezieht
https://blog.verkehrswendestadt.de/baut-mehr-strassenbahnen/

Deutsche Wohnen Enteignen
https://dwenteignen.de/

RWE & Co enteignen
https://rwe-enteignen.de/

Aktion "Wir fahren zusammen" von verdi und FFF
https://www.wir-fahren-zusammen.de/

Geschenk-Mitgliedschaften bei Steady
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Vollständiges Transkript der Folge

Carsten Ja. Hallo, Tobi. Vielen Dank, dass du heute Zeit hast. Ich freue mich riesig, dich im Gespräch zu haben. Ich hatte dich im Vortext für diese Folge schon mal so ganz leicht angeteasert, aber noch nicht allzu viel verraten. Deswegen wäre es ganz toll, wenn du dich als Person einmal vorstellst. Vielleicht das "Amsel 44" Thema oder diesen Begriff einmal kurz vorstellst und euch und euren Aktivismus auch noch mal so ein bisschen erzählst. Und was mir natürlich so auf der auf dem Herzen liegt, vielleicht kannst du es in dem Atemzug auch noch mal kurz beantworten, wann VW denn jetzt tatsächlich endlich die Straßenbahn bauen wird?

Tobi Ja, großartig. Ich danke Dir herzlich für die Einladung, Carsten und euch allen, die ihr jetzt zuhört. Ich freue mich sehr. Wunderschönen guten Tag von meiner Seite. Ich sitze mit euch gerade auch in der "Amsel 44", ein Projekthaus mitten in der Höhle des Löwen in Wolfsburg, der Stammsitz von VW, was heute noch für Volkswagen steht, aber bald für Verkehrswende stehen darf, weil keine weiteren Autos, die kein Mensch braucht, produziert werden, sondern Busse, Bahnen, Lastenräder und so weiter und so fort.

Kurz zu meiner Person. Ich heiße Tobi und bin als freier Dozent mit 150 Vorträgen im Jahr unterwegs an Universitäten, Kongressen und Konferenzen, an Schulen, wo auch immer ich eingeladen werde, freie Wirtschaft auch unter anderem bei VW, Daimler und Co. Also es macht schon Spaß, da ein paar Impulse zu geben, die mal irritieren, mal mehr inspirieren und mal gucken, was heute im Laufe des Podcasts so rüberkommt. Dann bin ich auch ab und zu schreibend unterwegs.

2018 war so mein Erstlingswerk „After Work - Radikale Ideen für eine Gesellschaft jenseits der Arbeit“, wo ich vom Oekom Verlag - die haben ihren Sitz in München, der größte Nachhaltigkeitsverlag im deutschsprachigen Raum - eingeladen worden bin, um da mal ein paar Gedanken zu einer anderen Wirtschaft jenseits kapitalistischer Lohnarbeit, Eigentumsverhältnisse usw und so fort ein bisschen was zu Papier zu bringen. Das gibt es alles immer im Commens - Sinne frei verfügbar. Also wenn ich das hier nenne, mache ich das nicht zur Eigenwerbung, damit Menschen das kaufen und ich reich werde, sondern das Buch ist auch als PDF einfach frei verfügbar.

Und genauso geht das bis heute weiter. Ab und zu ein paar Büchlein, ein paar Broschüren und das aktuelle jetzt mit dem Titel „VW steht für Verkehrswende“, wo wir anhand des Klimacamps, das wir hier stattfinden haben lassen - also ein VerkehrswendeCamp mitten in Wolfsburg mit über 80 Beiträgen aus Wissenschaft, aus Politik, aus der Fabrik, im Grunde vom Band und Büro, aus Gewerkschaftskreisen usw und so fort, verschiedene Workshops hatten und 25 Autor·innen netterweise in 3500 Zeichen jeweils kurz und knapp zusammenfassen, was so ihre Kernpunkte sind. Das ist die aktuelle Broschüre, die verlegt wurde, im Verlag Graswurzelrevolution, aber auch frei verfügbar ist, im Internet als PDF.

Und jetzt als letzter Punkt, der mich, glaube ich, ganz gut vorstellt: Nicht nur schnacken und nicht nur schreiben, sondern ab und zu auch ein bisschen aktiv sein. So aktivistisch. Deswegen sind wir vor anderthalb Jahren, also im August 22, nach Wolfsburg gekommen sind, um zu sagen: Hey, hier ist der weltweit größte Automobilkonzern. Das wechselt ab und zu mal mit Toyota. Aktuell sind die auf Platz zwei mit VW auf jeden Fall Europas größte Industrieunternehmung. Und hier klar zu machen, dass wir die soziale und ökologische Frage nicht nur zusammendenken, sondern sie auch versuchen, handelnd Schritt für Schritt in der sozial ökologischen Transformation anzugehen. Und so sind wir jetzt seit einem guten Jahr hier dabei.

Wir machen verschiedene kreative, subversive Aktionen, die immer strategisch eingebettet sind und inhaltlich kommuniziert werden. Das geht relativ häufig hier auch von der „Amsel 44“ aus, weil es ein offenes Projekthaus ist – wirklich, der Schlüssel steckt immer draußen - und zugänglich für alle. Ich sitze mit euch gerade im Kampagnenbüro, wo ich mit euch diese Aufnahme machen kann. Also konkret schon die Idee, hier mit einer Aktionswerkstatt usw und so fort Strukturen zu schaffen, von dem aus Aktionen, Kampagnen und Projekte möglich sind, wenn Menschen sich organisieren können und da ist einiges passiert. Um nur so eine ganz spektakuläre Großaktion zu nennen - und dann höre ich auf mit meinen einführenden Worten - ist vielleicht ganz interessant, dass wir Anfang des Jahres, am 7. März 2023 einen Autozug zum Halten gebracht haben.

Also der ist dann noch auf werksinterner Schiene über den Mittellandkanal, in Schrittgeschwindigkeit fährt er da die Autos weg, dieser Zug. Und da haben wir den Zug zum Halten gebracht und gesagt: Lieber Zugfahrer, du bist wunderbar, jetzt machst du mal ein bisschen Pause. Wir haben hier Schoki und Tee und was du noch brauchst für dich. Anderthalb Stunden ist es aber mal ein bisschen Ruhe, weil wir wollen auf das 1,5 Grad Ziel hinweisen. Und, letzter Punkt: Jetzt bitte nicht mehr nach vorne nach hinten fahren, haben wir zu ihm gesagt, weil sich aktuell zehn Aktivist·innen auf diesem Zug befinden und die haben ein riesengroßes Transparent entfaltet. 25 Meter lang, 4 Meter hoch und darauf abgebildet eine Straßenbahn.

Und parallel ging dann die Pressemitteilung raus: „Die erste Straßenbahn verlässt das Werk.“ Und das hat natürlich bundesweit ziemlich für Furore gesorgt, ein großes Presseecho mit sich gebracht. Also hier Schritt für Schritt dafür zu sorgen, dass das Undenkbare denkbar wird, ist gerade unser Ziel. Ob dann die erste Straßenbahn nächstes Jahr oder übernächstes Jahr vom Band läuft, ist dabei im Grunde nicht ganz so das Entscheidende.

Carsten Ja, das ist total cool. Du hast gerade gesagt, ihr wollt das Undenkbare denkbar machen. Habt ihr denn jetzt im Zuge dieser Aktion und der weiteren Aktionen, die ihr schon durchgeführt habt, genau das festgestellt, dass ihr langsam so diesen Vorstellungsrahmen aufweicht und erweitert?

Tobi Unbedingt. Da bin ich ganz dankbar. Wir mussten zu Beginn sozusagen eine Art von Abwehrkampf führen, weil VW neben der größten Fabrik dieser Welt hier in Wolfsburg noch mal nördlich davon weitere 130 Hektar Ackerfläche versiegeln wollte, um da ein Tesla Konkurrenzprodukt namens Trinity zu bauen. Also eine Autofabrik noch mal und da hatten wir dann ein Protestcamp. Da könnte jetzt noch viel erzählt werden, aber kurz und knapp hatten wir dieses Protestcamp und immer klar gemacht: Wir sind aber gar nicht nur irgendwie gegen die Scheinlösung eAutos, die am Ende nicht hilfreich sind, weil sie weiterhin motorisierter Individualverkehr sind, sondern wir wollen hier auch die Utopie, also die Konversion und Vergesellschaftung von Volkswagen, konkret also den Umbau, dass hier keine weiteren Autos gebaut werden, sondern Straßenbahnen und dann das immer wieder flankiert mit verschiedenen Aktionen.

Und so fing es schon Anfang des Jahres mit einem großartigen Artikel am 16.1. an - ich weiß es noch ganz genau - in einer Samstagsausgabe der lokalen Presse hier, der Wolfsburger Nachrichten, auf Seite 3 ein großer Kommentar von einer Journalistin, die unter dem Titel „Baut mehr Straßenbahnen“ und im Untertitel ein Loblied auf alle Aktivist·innen sang, so ihren eigenen Reflexionsprozess beschrieb. So nach dem Motto: „Vor ein paar Monaten kamen da irgendwelche Spinner·innen, die haben gesagt, wir sollen Straßenbahnen bauen statt Autos. Was für ein Quatsch, dachte ich erst. Und je öfter ich das aber höre und ich höre das gerade mindestens einmal in der Woche, weil großartiger Weise diese Aktivist·innen irgendwelche Aktionen machen, die in der Presse erscheinen, desto mehr merke ich: warum eigentlich nicht?“

Und spannend, letzter kleiner Punkt: Sie sollte eigentlich diesen Wochenendkommentar auf Seite 3 der Samstagsausgabe schreiben, zum Unwort des Jahres 2022, also „Klimaterrorist·innen“ und schreibt dann okay, kurz möchte ich mit dem auch noch widmen, aber nur eine Frage stellen und sagt dann: Was ist, wenn diese Klimaterrorist·innen gar nicht die Aktivist·innen sind, sondern Konzerne wie VW, die wider besseren Wissens weiter an einem Produkt festhalten, was nicht gebraucht wird, was nicht irgendwie ökologisch oder sozial verträglich ist?

Also von daher, diesen automobilen Konsens durften wir tatsächlich Schritt für Schritt ein bisschen aufbrechen. Und das ist natürlich eine große Freude dadurch, dass es einfach durchschnittlich wöchentlich in der Zeitung ist - in der Volkswagenrubrik übrigens auch. Also die Tagespresse hier hat nicht nur eine Wolfsburg Rubrik, nicht nur eine Sportrubrik, nicht nur eine Politik und was auch immer noch Wirtschaftsrubrik, sondern auch eine Volkswagenrubrik. Und da sind wir immer öfter drin und kriegen da nicht nur Kritik, sondern auch Utopie mit rein. Also von daher. Schritt für Schritt konnten wir dieses Undenkbare denkbar werden lassen.

Carsten Ja, das ist ein cooler Erfolg. Also echt Wahnsinn. Da würde ich ganz gerne im Laufe des Gesprächs noch mal so ein bisschen weiter darauf eingehen, auf euren Aktivismus. Aber ich will noch mal ganz kurz zurückkommen auf den Begriff „Amsel 44“. Du hast vorhin gesagt, das ist ein Projekthaus draußen steckt der Schlüssel für jede·n zugänglich. Kannst du einmal kurz den Begriff "Amsel 44" erklären? Warum dieser Begriff?

Tobi Ja, der ist natürlich relativ unromantisch. Und zwar liegt es einfach daran, dass dieses Haus, in dem ich mich gerade mit euch befinde und noch einigen anderen Menschen im Amselweg 44 ist. Also es ist am Ende dann doch nur sozusagen ganz unspektakulär und unkreativ der Amselweg 44, abgekürzt als "Amsel 44", was mittlerweile aber ein Begriff ist. Also immer wieder wird dann von den "Amsel 44" Aktivist·innen erzählt, also einfach eine Bezeichnung dieses Ortes und der dann aber als Struktur wirklich innehat, dass es offen ist für alle, um sich zu organisieren, die Aktionswerkstatt zu nutzen im Keller oder die Versammlungsmöglichkeiten oder auch die bis zu 15 Schlafplätze, die es gibt in drei Zimmern. Oder dieses Kampagnenbüro mit drei Druckern, mit Tonstudio, mit usw. und so fort.

Carsten Wie seid ihr jetzt konkret an dieses Haus gekommen? Stand das die ganze Zeit leer? Hat da jetzt jemand gesagt: Hey, ich stifte das jetzt quasi genau für solche Zwecke oder Erbschaft? Ich meine, so ein Haus fällt ja jetzt nicht einfach vom Himmel.

Tobi Ganz genau. Erst mal braucht es die Idee und die Idee ist tatsächlich im Mai entstanden. Noch viel konkreter. Wir waren alle Jahre mal mit einer spektakulären Aktion hier in Wolfsburg. Und dann kam tatsächlich während einer Fahrradtour, die ich gemacht habe, durch Deutschland, Österreich und die Schweiz 30 Tage, 30 Vorträge, 3000 Kilometer, aber auch drei Zugjoker, war ich unterwegs und hatte dann irgendwann eine 150 Kilometer Etappe vor mir von Vortrag zu Vortrag. Das war die Strecke von Freiburg nach Karlsruhe. Und dann war so ein bisschen so die Frage: Was kommt als nächstes? Was Großes vielleicht? Und dann dachte ich, na ja, wenn wir zu dem Thema Verkehrswende vielleicht noch mal einen ganz sinnvollen Ort kreieren dürfen, dann doch mitten in Wolfsburg.

Und die Idee ist immer mehr entstanden und immer mehr Leute haben gesagt: Das finden wir klasse, toll, warum nicht? Und tatsächlich haben wir uns dann mit einer Stiftung, die extra dafür ist, dass solche Projekthäuser organisiert werden können, als rechtliches Subjekt, was dann auch im Grundbuch steht, entschlossen: okay, wir kaufen eine Immobilie in Wolfsburg. Und dass es dann hier die "Amsel 44" wurde, im Amselweg 44, ist einfach, weil sie zentral ist, 1,7 Kilometer vom Hauptbahnhof und Fabriksgelände entfernt und die anderen Häuser tatsächlich viel zu weit weg waren. Oder auch tatsächlich am Ende nicht realisierbar finanziell. Genau. Und so ist es die „Amsel 44“ geworden. Wir haben ganz unspektakulär zehn Häuser besichtigt und dann entschieden okay, wir nehmen das jetzt hier, weil das am ehesten das, was wir brauchen, funktional sinnvoll möglich macht, um hier dann eine 2-jährige Kampagne zu fahren.

Carsten Also ganz unspektakulär finde ich persönlich das jetzt gar nicht, weil wenn du jetzt gerade sagst, dass ihr im Hintergrund eine Stiftung habt, die in der Lage ist, ein Haus zu erwerben, dann ist das für mich schon ein Punkt, wo ich sage: Wow! Kannst kannst du das auch noch mal ganz kurz ausführen? Was ist das für eine Stiftung, wo kommt die her? Wie kann man sich da jetzt einbringen? Also wo kommt das Geld her?

Tobi Ja, kurz und knapp: die Stiftung ist die „Stiftung Freiräume“, die genau dafür nämlich gegründet wurde, um solche politischen Aktionswerkstätten zu schaffen. Das hat angefangen, wenn du so möchtest, schon vor 30 Jahren in unterschiedlichen Zusammenhängen. Die Stiftung selber ist aber so rund 10 Jahre erst alt, weil sie nochmal als Instrument geschaffen wurde, um als Eigentümerin solcher Häuser einen offenen Charakter zu ermöglichen, damit nicht Tobi Rosswog da im Grundbuch steht oder Carsten oder wer auch immer sozusagen. Und dann heißt es ja, deine Nase gefällt mir jetzt, du darfst dir das Haus - ich habe ja immer noch sozusagen das Wohnrecht über dieses ganze Immobiliending - sondern ganz bewusst ist es eine Stiftung, die hat dann eine ganz einfache Vereinbarung mit verschiedensten Subjekten, die hier das nutzen. Dass das Gebäude dafür da ist hier in Wolfsburg die Verkehrswende voranzubringen.

Und das Geld ist tatsächlich auch ganz offen hier. Eine ViertelMillion steckt jetzt hier drin, die ist nicht von Elon Musk oder von irgendeinem VW Konkurrenten gespendet worden, sondern tatsächlich einfach der Punkt, dass es immer mal wieder in den letzten Jahren Menschen gab, die gesagt haben: Hey, ich finde das klasse und ich möchte mein Geld nicht Greenpeace geben, nicht dem Nabu geben, nicht dem BUND geben, ich finde klasse was ihr macht, mitten rein zu gehen, sozusagen in die verschiedensten Auseinandersetzungen - Hambi zum Beispiel, Dani usw und so fort. sind ja auch so Auseinandersetzungen, gerade was so die Energiewende angeht im rheinischen Braunkohlerevier oder die A49 in Hessen konkret.

Jetzt ist es aber auch so, dass wir, die wir so in diesen kreativen Zusammenhängen unterwegs sind, versuchen nicht dieser Lohnarbeit- und Eigentums- und Geldlogik zu unterliegen, sondern zu sagen: Hey, lass uns doch Geld miteinander teilen und dann zusammentun und am Ende reicht das für alle. Also ich zum Beispiel selber habe auch gar kein eigenes Konto. Ich teile mir ein Konto mit mehreren Leuten und da geht ab und zu auch was in solche Strukturen dann rein, wenn wieder mal einiges übrig ist. Also davon lebt diese Stiftung - die macht gar nicht groß Außenwirkung und Außenwerbung an der Stelle - aber hat jetzt irgendwie im Laufe der Jahre gerade dieses Volumen an Geld gehabt zufälligerweise, was jetzt hier investiert werden konnte.

Eigentlich, und das ist vielleicht auch noch mal wichtig zu sagen, ist das gar nicht der Sinn und Zweck dieser Stiftung, ein Finanzierungsinstrument zu sein, sondern ein rechtliches Instrument, um vom „Eigentum“ zu befreien. Es geht darum einen Rechtsgaranten zu haben, der klar macht: dieses Haus hat diese und diese Funktion und es ist nicht willkürlich ein Individuum Eigentümer·in und sagt dann am Ende: nee, ich mache jetzt von meinem Hausrecht Gebrauch und du darfst hier rein. Sondern es hat absichtlich so einen offenen Charakter und durch die Stiftung wird wunderbar garantiert, dass wir uns hier gemeinsam organisieren können.

Carsten Genau, „Gemeinsam organisieren“ ist ein schönes Stichwort. Da bin ich jetzt wieder bei dem Schlüssel, der von außen steckt und dieses Haus für alle zugänglich macht. Wie kann ich mir das vorstellen? Kommen da jetzt auch mal für euch wildfremde Leute, die sagen Hey, cool, ich habe Bock mitzumachen, wo kann ich anpacken oder wie organisiert sich das Ganze?

Tobi Dass hier reihenweise Menschen jetzt täglich reinkommen, ist nicht so der Fall, weil tatsächlich Menschen schon irgendwie auch so einer Eigentumslogik unterliegen. Auch wenn das Reihenhaus offen ist, auch wenn es offen so kommuniziert wird, ist das eher selten, dass Menschen einfach mal so vorbeikommen. Die schreiben dann schon meistens vorher eine Mail: Hey, ich würde gerne vorbeikommen oder sind bei den Workshops oder bei den Projekten, den Trainings, die wir anbieten oder oder oder, sozusagen in Kontakt mit der „Amsel 44“. Und dann, wenn sie aber erstmal gemerkt haben, es ist so ein offenes Haus, dann kommt auch der Micha aus Halle 54, VW Arbeiter nach der Spätschicht noch mal vorbei und sagt: Ja, lass uns mal einen Tee miteinander trinken. Micha hat hier viel mit rumgerödelt auch. Oder der liebe Toto vom Kraftwerk von VW, der auch gleichzeitig noch beim NABU und ADFC und wo auch immer organisiert und engagiert, der kommt hier dann auch wie selbstverständlich rein.

Also da klappt es schon, dass sozusagen, wenn die Menschen erst mal in Berührung gekommen sind mit dieser Idee - die natürlich doch ein bisschen spektakulär ist, weil sie vollkommen unserem Alltagsverstand widerspricht, so dass Häuser öffentlich zugänglich sind, dass es kein·e Chef·in gibt, die dir erlaubt, zu gewissen Öffnungszeiten da zu sein, sondern einfach immer offen ist. (Einmal war es nicht offen. Einmal steckte der Schlüssel nicht mehr draußen. Das lag daran, dass eine Polizeirazzia, also eine Hausdurchsuchung stattfand und dann die Polizei den Schlüssel einfach mitgenommen hat. Das war das einzige Mal, wo es ein geschlossenes Projekthaus war, für ein paar Stunden sozusagen.)

Konkret ist es aber schon so, dass auch verschiedene andere, Ilona und Heike und wie sie alle heißen, schon mehr verstehen: Ah ja, das Haus kann ich hier nutzen, sozusagen, und bin dann auch mal da, wenn gar keine andere Person gerade da ist, weil ich auf Vortragstour bin, andere irgendwelche Aktionen woanders machen, oder oder oder.

Carsten Ganz interessant fand ich deinen Hinweis, dass auch Personen aus dem VW Werk bei euch mal auftauchen zum Kaffee, zum Feierabendbierchen, ich weiß ja nicht was was ihr dann macht, aber ich sag jetzt mal auch zum Plausch und Austausch. Und du hattest vorhin ja auch schon erwähnt, dass du durchaus auch Vorträge bei VW, Daimler und Co hältst. Das heißt also, es gibt schon eine direkte Verbindung zu den Personenstrukturen, gegen die ihr agiert. Wie ist da jetzt das Verhältnis zueinander?

Tobi Ja, unbedingt. Ich würde immer wieder betonen: ich kämpfe nicht gegen VW, sondern tatsächlich möchte dafür sorgen, dass hier aus VW Wolfsburg nicht ein zweites Detroit wird. Wie mit General Motors sozusagen in den USA, wo einfach eine Stadt, die eigentlich sowas von abhängig war von diesem Konzern, dadurch, dass der Konzern insolvent wurde, dann auf einmal die gesamten sozialen Strukturen zusammengebrochen sind.

Hier - ganz kurz und knapp nur so ein kleiner historischer Ausflug - haben wir diese Stadt erst seit 85 Jahren, ich würde sagen eigentlich korrekterweise sogar 78 Jahren erst, denn 1938 hat der angeblich geniale Konstrukteur Ferdinand Porsche auf Einladung von Adolf Hitler gesagt bekommen: bau mir hier die Vorzeigestadt der Nazis für Auto und Arbeit und das weltweit größte Werk, so nach dem Motto, das war der Auftrag. Das hat dieser Ferdinand Porsche geschafft. Natürlich nur mit 20.000 Zwangsarbeiter·innen. Also ein unglaublicher Kriegsprofiteur, dieser Ferdinand Porsche, der heute noch geheiligt wird. Ja, überall. Es gibt hier auch die Porschestraße, das Porschestadion, es gibt noch eine Porschebüste am Rathaus. Es gibt ja auch natürlich den Konzern, die Porsche AG, mittlerweile.

Konkret, kurz und knapp: Hier gibt es 125.000 Einwohner·innen und 65.000 Beschäftigte in diesem Werk. Das heißt, da kommen natürlich nicht alle aus Wolfsburg, die kommen aus Braunschweig, Hannover, Magdeburg, Umgebung sozusagen angependelt. Aber diese Stadt ist eigentlich nur existent wegen dieser Fabrik. Vorher existierte sie gar nicht. 1938 hieß sie noch Stadt des KdF, also Kraft durch Freude, -wagens bei Fallersleben. Und 1945 wurde dann erst der Name Wolfsburg geschaffen. Diese Stadt würde gar nicht existieren ohne diesen Konzern.

Und nun sage ich, ich möchte, dass wir die soziale und ökologische Frage zusammen denken. Und das sage glücklicherweise nicht nur ich, sondern immer mehr. Und Autos sind einfach nicht mehr die Zukunft. Wir brauchen also beispielsweise Busse, Bahnen, Lastenräder. Wir können auch nicht eins zu eins das ganze denken in der Frage nach, sozusagen Mobilität, sondern wir brauchen auch Produktionsstätten, um medizinisches Gerät, Beatmungsgeräte oder irgendwie für die Energiewende, Windkraftanlagen, Solarpaneele usw und so fort zu fabrizieren. Also wir brauchen diese Produktionsstätten, aber nicht, um da Autos zu bauen, die kein Mensch braucht.

Jetzt zu den ganz konkreten Verbindungen, der Verbundenheit, die wir mit den Leuten haben aus Patentabteilung, aus Nachhaltigkeitsabteilung, aus Kraftwerk, aus Halle 54, Halle 8 und wo auch immer noch. Da gibt es einzelne schöne Verbindungen mit kritischen Arbeiter·innen, die ganz klar sagen: Hey, also so geht es nicht weiter, Ich kann Metall, ich kann Kunststoff, ich bin sozusagen Arbeiter·in, aber Autos, das ist einfach nicht die Zukunft. Das ergibt gar keinen Sinn. Das ist ökologisch katastrophal, das ist sozial nicht verträglich. Und das kommt mit 2015 noch in Wolfsburg dazu, der große - es heißt immer so verharmlosend „Dieselskandal“, das war nichts anderes als ein Dieselbetrug, der milliardenschwer und teuer war.

Hier ist einiges aufgebrochen. Also die Krise spitzt sich zu und in dieser Situation kommen wir rein von außen, ohne die Seilschaften und können „unabhängig“ mal einfach die Dinge benennen, sozusagen den Elefanten im Raum und darauf hinweisen, dann mit einzelnen unterschiedlichen Leuten Banden bilden, was richtig Spaß macht, wo ich Vorträge gebe, in der freien Wirtschaft, unter anderem auch bei VW. Gerade das Beispiel VW ist jetzt schon ein bisschen was her, aber ich bin immer wieder auch bei VW auf ihren Hauptversammlungen, die sie als Aktiengesellschaft natürlich sozusagen unternehmen müssen.

Ich habe ja kein eigenes Konto, daher auch keine Aktien, aber es gibt den Dachverband „Kritische Aktionär·innen“, und da sind Leute, die zufälligerweise, weil sie mit 18 Jahren irgendwie eine Aktie geschenkt bekommen haben oder von Oma und Opa was geerbt haben, also konkret einfach über Aktien verfügen, die dann diese großartiger Weise an Aktivist·innen wie uns oder andere übertragen und dann ich nicht nur Stimmrecht habe, sondern auch ein Rederecht. Und das nehme ich natürlich gerne wahr und habe das auf der Porsche Hauptversammlung schon gemacht, auf der VW Hauptversammlung. Das macht richtig Spaß da vor Wolfgang Porsche zu sprechen - das ist der Enkel des Kriegsverbrechers Ferdinand Porsche und heutiger Haupteigentümer, der die Porsche Holding SE mit 53,3 % beteiligt, der reichste Österreicher auch, der dann dort sitzt - das Emirat Katar ist drittgrößter Aktionär mit 17 %, zweitgrößter ist dann das Land Niedersachsen mit 20 %, den ganzen Chef·innen, vor allem Oliver Blume ist ja aktuell der CEO von der Volkswagen AG und auch der Porsche AG, also eine VW Tochter.

(Das ist ja auch interessant, das einzusortieren. VW ist ja nicht nur dieses VW Symbol, was wir überall sehen, auf Kleinfahrzeugen oder auch manchmal Nutzfahrzeugen, sondern da ist ein riesen Markenkonglomerat dahinter. Das ist SEAT, das ist ŠKODA, das ist CUPRA, das ist Bugatti, das ist Lamborghini. Und so weiter und so fort. Audi, Porsche usw also ein Riesen Marken Konglomerat, einfach was dahinter steckt.)

Und da immer wieder auch auf den verschiedensten Hauptversammlungen dafür zu sorgen, dass dieser Alltag, dieser kapitalistische Wahn von immer weiter, schneller, höher und angeblich besser mal ganz klar auch durch kreative Aktionen flankiert unterbrochen wird. Seit 1972 wissen wir ja, dass mit den Grenzen des Wachstums des Club of Rome einfach auf einem begrenzten Planeten rein physikalisch kein unendliches Wachstum möglich ist. Diese Studie damals hat übrigens die Volkswagenstiftung mitfinanziert. Also das ist immer wieder ein witziger, sozusagen historischer Punkt.

Carsten Okay, das wusste ich selber noch nicht. Das ist aber interessant. Du gehst also direkt auf Tuchfühlung mit den entsprechenden Protagonist·innen. Wie ist denn da so die Rückmeldung? Also ich kann mir vorstellen, dass ein Vorstand oder gerade bei diesen Aktionär·innenversammlungen ganz andere Rückmeldungen kommen. Wahrscheinlich euch eher nicht unbedingt zugewandte Rückmeldungen, als wenn ihr jetzt mit einzelnen Personen, du hast gerade gesagt teilweise aus Werkhallen, teilweise aus entsprechenden Entwicklungsabteilungen. Da finden ja wahrscheinlich andere Dialoge statt. Trägt sich das so in den Betrieb rein, dass ihr da Fürsprecher·innen für euren Aktivismus bekommt? Oder nehmt ihr da nach wie vor eher zunehmend Gegenwind wahr?

Tobi Ich glaube, das ist das Entscheidende, noch mal klar zu machen. Also, und zwar deutlich: Wir werden nicht in den Kontakt mit den Arbeiter·innen kommen, wenn wir hier eine "Amsel 44" oder damals noch auf dem Protestcamp auf dem Acker sieben Kilometer außerhalb von Wolfsburg, irgendwie sagen: Kommt doch zu unseren Workshops und dann ist alles gut. Nein, wir gehen an die Werkstore. Natürlich. Wir gehen zur IG Metall Delegiertenversammlung, wir gehen zu VW Mitarbeiter·innenversammlungen. Zur Betriebsversammlung selber schaffen wir es, glaube ich nicht, leider, aber zu anderen, außerhalb des Werks stattfindenden Versammlungen, um da mit den Kolleg·innen ins Gespräch zu kommen.

Und tatsächlich zeigt es bei den Leuten, mit denen ich bisher geredet habe, echt eine sehr große Resonanz. Natürlich gibt es auch von den ungefähr 65.000 Beschäftigten, die 2-3000 Leute, die da ihren Verbrenner weiterfahren wollen und Greta Thunberg am liebsten mit ihrem SUV umfahren wollen. Okay, geschenkt. Das ist einfach so ein normales Abbild der Gesellschaft an der Stelle.

Konkret aber, ist auch durch Studien belegt, unter anderem der Spurwechsel riesengroß, 400 Seiten dick, wo Stephan Krull unter anderem der Herausgeber ist - der 40 Jahre bei VW malocht hat, angefangen in der Bäckerei, später VW Betriebsratsmitglied, in Wolfsburg hier eine ziemliche Nummer - der klargemacht hat: Hey, wenn ich mit Kolleg·innen spreche, am Ende ist denen egal, was sie hier produzieren und sogar eher gerne „Dinge“, für die sie nicht sagen müssten: Oh Mist, was bauen wir hier eigentlich gerade den ganzen Tag im Dreischichtbetrieb und verheizen dafür unsere Gesundheit?

Das ist tatsächlich schon so der Tenor, der da stattfindet und das höhere Management aber, vor allem mit Vorstandsriege und Co., die sind natürlich relativ abgeneigt, weil es am Ende nicht so viel Profit macht. Das stimmt und deswegen sagen wir auch, wir brauchen nicht nur die Konversion, also den Umbau, Produkte ändern, sondern auch die Vergesellschaftung. Der Laden gehört uns und wir können uns einen Wolfgang Porsche, der letztes Jahr alleine durch den Porsche Börsengang 3 Milliarden über Nacht gemacht hat, einfach nicht leisten, das ist nicht möglich ist. Das ist auch nicht schlimm, der hat genug in seinem Leben schon auf die hohe Kante gelegt. Den machen wir jetzt mal klar, außerhalb der Situation hier und nehmen den Laden selber in die Hand und müssen dann nicht mehr nach Profit, sondern nach der Frage „Was brauchen wir eigentlich wirklich?“ entscheiden.

Interessant ist aber, was du ansprichst, dass bei den Hauptversammlungen ja nicht nur der Vorstand und der Aufsichtsrat sind, sondern auch tausende Leute, die Aktien haben. Das sind manchmal auch Kolleg·innen, aber auch manchmal Außenstehende. Und dann rede ich da also elf Minuten, versuche, da irgendwie ein paar Punkte unterzubringen, versuche das auch irgendwie in einer Art und Weise, die auf die Situation vor Ort eingeht und nicht irgendwie ein Skript, was ich auswendig gelernt habe, sondern sehr, sehr gefühlvoll. Versuche so die Atmosphäre zu schnuppern und zu schmecken und zu spüren und darauf dann eingehend versuche ich Punkte zu machen, die Menschen hoffentlich anscheinend berühren.

Und tatsächlich, und das habe ich nicht selber nur so wahrgenommen, sondern wurde mir auch von Leuten, die selber im „diesen tausenden Aktionär·innen Saal“ saßen, gesagt: 3/4 der Leute hat nicht aus Höflichkeit geklatscht, sondern tatsächlich aus einer gewissen Begeisterung, aus einer Sehnsucht, einem Moment von „So kann das eigentlich nicht weitergehen“. Und wenn ich dann da - ich habe immer so ein ziemlich quietsch grünes Hemd an, bin logischerweise dann später für die Aktionär·innen, die mir zugehört haben, relativ gut sichtbar und erkennbar - immer wieder nur gutes Feedback bekommen habe, das finde ich schon interessant. Also es gab keine einzige Person, die gesagt hat „Spinner“ oder so was.

Weil das, was ich da sage natürlich schon auch radikal, also grundsätzlich, also an den Wurzeln anpackend, einige Dinge in Frage stellt, die sie als bisher vielleicht als normal, natürlich, notwendig, gottgegeben ansehen. Da bereit zu gehen ist eine großartige Freude. Klar ist eine große Spannbreite. Ich glaube nicht, dass wir Oliver Blume irgendwie davon überzeugt bekommen, dass da jetzt von heute auf morgen was anderes gebaut wird. Den brauchen wir aber aus unserer Perspektive gar nicht, sondern es braucht die kritische Masse an Kolleg·innen, am Band und im Büro.

Carsten Wenn ihr jetzt so mit diesen radikalen Ideen an die einzelnen - ich sage jetzt aber auch nicht Initiativen, sondern mir schwebt jetzt so der Betriebsrat vor, den hattest du vorhin genannt oder auch die IG Metall, also quasi Vertretung der Arbeitnehmer·innenschaft herantretet, kannst du dort in den Dialog mit gehen? Wird das dort aufgesaugt? Kommen die vielleicht aktiv an euch heran und sagen Mensch, wir müssen auch Richtung Zukunft denken, Richtung Transformation, aber unser Horizont ist ja - das klingt jetzt ein bisschen blöd - also dass eure Ideen vielleicht noch ein Quäntchen radikaler sind als das, was der Betriebsalltag im Moment so hergibt und deswegen vielleicht bewusst jetzt der Kontakt zu euch gesucht wird, um diese Vorstellungswelt noch ein bisschen aufzufächern, zu vergrößern, findet sowas statt?

Tobi Das ist ganz interessant, dass du das ansprichst. Natürlich ist die IG Metall hier tatsächlich auch also ein einmaliger Organisierungsrat mit weit über 90 % der Beschäftigten, die gewerkschaftlich dort Mitglied sind. Auch natürlich eine riesengroße, die weltweit größte Einzelgewerkschaft mit der IG Metall, also ein wichtiger Akteur ist. Und wir sind also sofort dorthin, haben mit denen Gespräche in irgendwelchen Hinterzimmern geführt in ihrem Gewerkschaftshaus, was zu 97,3 % nur IG Metall ist und ein bisschen ein kleines Hinterzimmer gehört auch ver.di, so nach dem Motto. Es war natürlich ganz wichtig, mit der IG Metall irgendwie zu versuchen in Kontakt zu gehen und immer wieder sich hier auch in der "Amsel 44" mit einigen Funktionär·innen zu treffen. Das war interessant, dass es damals, als wir das Protestcamp gemacht haben, hieß das Wort dürfen wir hier nicht nennen, weil ihr habt eigentlich recht, aber nee, das ist uns zu heikel, zu heiß irgendwie. Das ist doch das Meilensteinprojekt für Wolfsburg. Das wurde dann glücklicherweise abgesägt, dieses Meilensteinprojekt.

Also konkret gibt es da viele Möglichkeiten, eigentlich reinzugehen und zu sagen: Lasst uns da doch erstmal Banden bilden, gemeinsam und vor allem auch wenn wir vielleicht nicht gleicher Meinung sind, öffentlich diskutieren. Das war unser Anliegen. Ein Jahr lang können wir da Klinken geputzt und immer wieder angeblich auch auf Augenhöhe hieß es: Ja, lass uns da bald mal was machen. Und immer wieder wurden wir vertröstet. Naja, und dann gab es eine sehr kreative Aktionsphase, wo dafür gesorgt wurde, dass die IG Metall sich äußern darf zur Konversion und Vergesellschaftungsfrage. Und sie haben tatsächlich zu beiden Fragen sehr zukunftsunfähige Antworten gegeben, weil sie am Ende - und das muss man ihnen leider attestieren - gerade hier in Wolfsburg ganz besonders sehr konzernhörig sind. Also am Ende des Tages einem Management verfallen, das leider nicht die Möglichkeit bietet, dass sie da jetzt groß aufbegehren.

Also nicht der Großteil auf jeden Fall. Es gibt einzelne Betriebsrät·innen, unter anderem den fantastischen Lars Hirsekorn, der ist in Braunschweig - das ist das drittgrößte Werk in Deutschland, ist hier gleich die Nachbar·innenstadt, 20 Minuten mit der Bahn entfernt, wenn die mal fährt. Also der ist ein ganz kämpferischer Gewerkschafter. Einer, der wirklich für die Kolleg·innen einsteht und die Zeichen der Zeit sieht und sagt: Nee, der motorisierte Individualverkehr ist am Ende. Wir haben auch mit anderen Kolleg·innen geredet in Kassel Baunatal - das ist das zweitgrößte Werk in Hessen - mit einem, der heute auf der Betriebsratsversammlung eine fantastische Rede gehalten hat und auch da auf die Freund·innen aus der "Amsel 44" fantastischerweise sich in der Rede bezogen hat, weil der hier auch ab und zu unterwegs ist. Er hat da einen Riesenapplaus für geerntet, so dass er erst dachte - und das ist Lars Hirsekorn vor drei, vier Jahren schon mal passiert bei einer Rede - „haben die Kolleg·innen meine Rede überhaupt verstanden? Oder habe ich mich irgendwie undeutlich ausgedrückt? Ich stelle ja unser gesamtes Geschäftsfeld in Frage.“ Er wurde bejubelt. So heute auch Thorsten Donnermeier, das ist der Kollege aus Kassel Baunatal, der da auch als Vertrauensmann unterwegs ist, wirklich ein kämpferischer Typ, der nicht die ganz offizielle IG Metall Linie nur fährt, sondern da versucht mehr raus zu bringen.

Und letzter Punkt, der noch mal zeigt, wie da diese Verbindung so schön ist. Letztens kam eine große Zeitung raus. Die Verkehrswende Extrabeilage. So nach dem Motto eine Zeitung, die wir 25.000 mal gedruckt haben, also eine ziemlich hohe Auflage und dann verteilt haben. Vor allem hier in den Wolfsburger Haushalten, aber auch natürlich nach Braunschweig, nach Kassel Baunatal und so etwas gegeben haben, wo dann der Leitartikel ist: „Der größte Umbau aller Zeiten.“ Und dann auf diese Frage nach Konversion und Vergesellschaftung in anderen Artikeln auch noch mal die kämpferische IG Metall herausfordern und sagen: Lasst euch doch mal irgendwie euren eigenen satzungsgemäßen - unter anderem Paragraph zwei, Absatz vier, wo steht, dass sie eigentlich auch die Vergesellschaftung wollen als IG Metall, also tatsächlich steht das da ganz früh schon in den Zielen und Absichten dieser Vereinigung drin.

Konkret hat Thorsten Donnermeier diese Zeitung dabei gehabt, leider nur 150 Stück, wie er sagte, weil irgendwie 6000 Leute bei der Betriebsversammlung waren und die wurden ihnen weggenommen wie geschnitten Brot, weil er in seiner Rede auch auf ein Interview mit Lars Hirsekorn, was da in dieser Zeitung drin ist, verwiesen hat und sagte: Ja, und wer dann mehr noch lesen möchte, kann dann nachher die Zeitung nehmen. Die wurde ihm aus den Händen gerissen. Die haben wir hier gemeinsam mit Arbeiter·innen redaktionell geschaffen und dafür gesorgt, dass so ein Massenmedium noch mal nicht nur in den Social Media Raum, sondern auch ganz real, sozusagen greifbar in den Händen gehalten werden konnte.

Also das macht richtig Spaß, da mit den Leuten gemeinsame Sache zu machen. Mit den Funktionär·innen, aber generell der IG Metall ist es doch ein bisschen schwer, weil sie gerade hier in Wolfsburg doch einem großen Co-Management leider verfallen sind und einfach nur das machen, was am Ende der VW Profitrate hilft. Das heißt ganz konkret, letzter kleiner Punkt: Hier wird jetzt gerade ein Performanceprogramm aufgelegt, weil 3,4 % Rendite nicht groß genug ist. Es müssen 6,5 % sein, das heißt 10 Milliarden einsparen in den nächsten drei Jahren. Das ist unglaublich. Das geht natürlich nur, wenn du Leute entlässt. Das wird jetzt gerade ausgetüftelt, wie das sein könnte, angeblich sozialverträglich. Aber ich würde sagen, egal wie viele Leute entlassen werden, das sind immer zu viele. Und darüber hinaus, und das ist der entscheidende Punkt, hören wir so von Zielen, also mindestens vier, wenn nicht sogar sechs, wahrscheinlich sogar 15.000 Stellen, die gestrichen werden sollen.

Herbert Diess ist letztes Jahr für 30.000, die er eigentlich gesagt hat, müssten entlassen werden, gegangen worden. Als damaliger Chef. Konkret sagt das IG Metall Führungsgremium leider nichts anderes als ja, das kriegen wir schon irgendwie hin. Es gibt Beschäftigungssicherung bis 2029 und dann machen wir das über Altersteilzeit, dass Leute einfach früher rausgehen und dann noch ne nette Abfindung vielleicht noch bekommen. Was natürlich für die Zukunft dieses Standortes hier und der Region, die so was von abhängig davon ist, logischerweise weniger Arbeitsplätze heißt. Das kann so nicht sein aus unserer Perspektive. Da müssen wir kämpferischer auftreten und klarmachen: Nein, wir schuften nicht für Wolfgang Porsches Rendite. Oder des Emirat Katar. konkret also zu sagen, für wen arbeiten wir hier eigentlich? Und wir sollten für die Zukunft arbeiten und dafür sorgen, das sozial ökologisch verträgliche Produkte hier vom Band laufen und nicht nur einige wenige reich werden auf Kosten aller.

Carsten Merkst du denn in dem Zuge, dass die Idee der Vergesellschaftung jetzt Früchte trägt und und stärker haften bleibt? Oder wird das noch als relativ weit weg, vielleicht sogar absurd angesehen?

Tobi Genau, offiziell wird von der IG Metall ganz klar gesagt, das ist Quatsch, auch wenn wir es in unserer eigenen Satzung stehen haben. Das ist ja interessant, dass sie diesen eigenen Widerspruch da aufmachen. Konkret ist die Vergesellschaftungsdebatte aber gerade auch durch „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ in Berlin sehr fruchtbar. Es gibt das auch bei „RWE und Co enteignen“, also im Energiesektor. Jetzt machen wir das hier im Mobilitätssektor auf. Tatsächlich gehören ja auch schon 20 % dem Land Niedersachsen. Also es ist schon eine Art von Vergesellschaftung vorhanden. Das ist gar nicht so ganz vollkommen irre oder gar nicht greifbar.

1958 wurde hier schon diskutiert, ob nicht Stiftung und so weiter und so fort vielleicht eine Möglichkeit wäre. Also wir erinnern vielleicht manchmal an so gewisse Ideale, die mal da waren, an gewisse historische, auch spannende Auseinandersetzungen. Konkret sehen wir durch die Debatte, die wir natürlich erstmal reinzubringen haben, um das Undenkbare denkbar werden zu lassen, schon dass das auf fruchtbaren Boden trifft, alleine schon deswegen, weil relativ klar ist: Ne, so ein Wolfgang Porsche, so lieb er auch sein mag, so knuffig der auch ist, der ja gar nichts Böses als Individuum im Schilde führt - es sind strukturelle Verwerflichkeiten, denen er auch unterliegt, sozusagen. Aber als Profiteur und Gewinner dieses ganzen kapitalistischen Systems.

Das Entscheidende ist, dass die Vergesellschaftung für alle hilfreich wäre. Und wir sehen das auch. Ich mache mal einen kurzen Nebenschauplatz auf in der Nähe von Florenz, ehemaliger Automobilzulieferer GKN wurde aufgekauft von Melrose Industries, die haben auch ganz unverblümt auf ihrer Website stehen „Buy improve sell“ - also wir kaufen auf, wir verbessern und wir verkaufen wieder. Und das haben sie auch in der Nähe von Florenz gemacht. 400 Leute haben da Achswellen für Ferrari und Maserati produziert. Und von Freitag auf Montag wurden ihnen in einer Mail ganz klar mitgeteilt: „Ihr müsst gar nicht mehr wiederkommen, ihr seid entlassen.“ Fertig.

Das ist zweieinhalb Jahre her. Ungefähr. Und die Leute haben gesagt: Nein, das machen wir nicht mit. Wir machen eine dauerhafte Betriebsversammlung, und seitdem gehört der Laden uns. Und jetzt sind sie gerade in dieser Konversionsdebatte drin und gleichzeitig auch Vergesellschaftung, ganz praktisch.

Und jetzt, wo sie mal den Freiraum haben, die Luft zum Atmen sozusagen, sich fragen können: Was wollen wir jenseits unserer Lohnarbeitsabhängigkeit eigentlich wirklich hier produzieren, wenn wir selber entscheiden könnten und nicht der Profit weniger, nur im Grunde irgendwelche komischen Achswellen für Maserati und Ferrari? Dann kommen wir natürlich auf Lastenräder tatsächlich in Florenz und auf Solarpaneele.

Diese beiden Dinge sollten da produziert werden. Da ist gerade auch eine Kampagne noch, um bis Ende des Jahres hoffentlich die Anteile zu bekommen, um dann genossenschaftsmäßig dafür zu sorgen, dass der Laden dann den Leuten gehört. Also das sehen wir immer mehr, dass es gar nicht so unvorstellbar ist, weil wir immer wieder auch auf Beispiele Bezug nehmen können, die es ja glücklicherweise schon gibt.

Carsten Da bringst du mich gerade auf so eine Idee von Thema Verbindung zu anderen aktivistischen Kreisen. Wenn du jetzt gerade dieses Beispiel, was du gerade zitiert hast, noch mal nimmst. Steht ihr konkret in Verbindung mit anderen Aktivistis, die vielleicht an anderen Fronten arbeiten und sagen: Ja, wir unterstützen uns insofern, dass wir gegenseitig bei bestimmten Aktionen mit dabei sind. Oder wir stehen regelmäßig im Austausch, um Strategien weiter auszuarbeiten, uns gegenseitig zu befruchten und zu unterstützen. Oder seid ihr relativ losgelöst als autarke Gruppe jetzt in der "Amsel 44" aktiv und macht mehr oder weniger euer Ding?

Tobi Also unbedingt sind wir ganz vernetzt, natürlich in verschiedenste aktivistischen Kreise hinein. Und wichtig ist, es gibt eigentlich hier in der "Amsel 44" gar nicht dieses ganz konkrete Wir. Hier gibt es keine Mitgliedschaft, hier gibt es kein Manifest, was unterschrieben werden muss, hier gibt es keinen Mitgliedsbeitrag und es gibt auch kein Plenum, wo wir irgendwie wöchentlich oder monatlich gemeinsam entscheiden, was wir nun gemeinsam als wir die "Amsel 44" Aktivist·innen machen.

Sondern tatsächlich die Idee, dass es eine lose Struktur ist, eine offene Struktur, eine Plattform im Grunde, wo Menschen reinkommen und sagen: Ich habe die Idee, wer hat Bock mitzumachen? Wer hat das Talent Webseiten zu gestalten? Wer hat das Talent, irgendwelche Flyer zu designen, wer hat das Talent, was auch immer noch? Und so diese ganzen verschiedenen Projekte und Aktionen und Kampagnen hier auch starten, tatsächlich.

Also gar nicht so ein ganz konkretes „ADFC, monatliche Sitzung und dann entscheiden wir, was wir jetzt machen alle gemeinsam. Und wir müssen uns alle gemeinsam auch abstimmen und ganz klar sagen so wird es gemacht oder gar nicht oder so“, sondern eher ganz viele kleine Grüppchen sozusagen, die sich hier organisieren, die immer wieder auch unterschiedlich aussehen können. Und dennoch, und das stimmt auf jeden Fall, das ist natürlich uns eine ganz wichtige Sache, verbunden zu sein mit den unterschiedlichen Auseinandersetzungen, mit den unterschiedlichen Kämpfen und das auch über die Mobilitätssektor natürlich hinaus.

Also alles, was irgendwie Klimagerechtigkeit angeht. Vor allem auch diese spannende Frage nach Klimagerechtigkeit und Arbeiter·innen, also Beschäftigte, konkret, mit dieser Kampagne gerade „Wir fahren zusammen“. Wo Verdi und Fridays For Future ja offiziell dieses Bündnis schaffen und dafür sorgen, dass der ÖPNV nicht nur bessere Arbeitsbedingungen bekommt, sondern auch einen besseren Ausbau. Also dieses finde ich ganz wichtig, ganz großartig. Bauen wir ja auch gerade vor Ort auf.

Und eine Sache, wo wir uns groß auch austauschen, sind natürlich immer wieder unterschiedliche Camps. Hier das VerkehrswendeCamp. Aber auch in Hannover war dieses Jahr ein großes Systemchange Camp, natürlich auch über Deutschland hinaus mit verschiedensten - ich war letztens auf einer Österreich Vortragstour, habe mich in Wien, in Graz mit Aktivist·innen getroffen.

In Graz beispielsweise ist Magna der größte Automobilzulieferer sozusagen und hat da wirklich eine unglaublich große Machtstellung auch und hat da jetzt erstmal einen historisch einmaligen, riesengroßen Auftrag von VW bekommen eine halbe Milliarde, um einen Scout zu entwickeln. Auch das eine Submarke, also eine VW Tochter, vollkommen absurd, riesengroße SUVs Pick up Trucks zu bauen.

Also da reinzugehen ist natürlich ganz wichtig und dann natürlich auch immer thematisch unter anderem in Berlin. Nächstes Jahr findet die Vergesellschaftungskonferenz in der Nähe von Berlin statt. Diesmal aber gar nicht nur als theoretisches Austauschen, was vor einem Jahr in Berlin schon mit mehreren 1000 Leuten passierte, sondern diesmal auch rein praktisch, also konkret an den verschiedenen Auseinandersetzungen in verschiedenen Kämpfen vor Ort. Erfahrungen austauschen, sich gemeinsam organisieren, auch gucken, wer braucht was, wo können wir noch unterstützen usw und so fort.

Carsten Du hattest vorhin schon eine Frage von mir vorweggenommen. Ich hätte nämlich konkret nach dem „Wer ist eigentlich wir gefragt?“ Das hast du jetzt ja quasi schon indirekt beantwortet, aber trotzdem interessiert mich mal, da muss doch ein harter Kern sein. Also es muss doch irgendwie ein oder mehrere treibende Kräfte hinter diesem ganzen Aktivismus sein, die sich auch konkret bei euch in diesem Projekthaus einfinden und vielleicht auch im Hinterkopf - und das ist so meine zweite Anschlussfrage daran - so eine Strategie, so ein Masterplan haben, wie diese ganze Verkehrswende Thematik jetzt in nächster Zeit oder generell gestaltet werden soll?

Tobi So ein Masterplan, so nach dem Motto wir haben jetzt die zehn Punkte, die müssen wir jetzt nur noch abarbeiten und dann haben wir die Weltrevolution geschafft, das ist nicht ganz unsere Herangehensweise, sondern natürlich schon eine strategische Ausrichtung, eine inhaltliche Auseinandersetzung und irgendwie Etappenziele dahin. Logischerweise definitiv. Und dann mit den verschiedenen Aktionen, Strategien, Kampagnen, Projekten immer wieder gucken: ist es jetzt der Sache dienlich oder eher nicht? Und so abwägend definitiv das ja, ganz klar.

Zu der Frage nach dem harten Kern: Also tatsächlich sage ich gerne so wir sind nicht mal eine Handvoll Leute, die hier ziemlich stark involviert sind und das mit angestupst haben. Dann gibt es aber vor allem hier natürlich in Wolfsburg mehrere Dutzend Leute aus verschiedensten Initiativen, sei es NABU, BUND, ADFC, VCD, Grüne Jugend, Attac, was weiß denn ich irgendwelche Initiativen, NGOs und manchmal auch Parteijugend, wie auch immer, die sich hier mit engagieren, in unterschiedlichster Art und Weise dann natürlich auch die Leute aus der Fabrik. Und meistens ist das aber irgendwie eine Doppelrolle, die gleichzeitig beim NABU aktiv und dann auch hier oder so etwas.

Und dann gibt es natürlich noch ein bundesweites Netzwerk von so „losen kreativen Aktionskünstler·innen, Aktivist·innen“, wie auch immer du sie nennen möchtest, auch sicherlich noch mal 50 Leute oder sowas, die gerne auch aktionsorientiert arbeiten dann. Zum Beispiel, um so eine Straßenbahn vom Band laufen zu lassen mit so einem Riesentransparent, da braucht es einfach auch ein paar Leute. Genau. Also von daher das ist so ungefähr vielleicht dieses Netzwerk, diese Plattform, diese Struktur, angedeutet wenigstens.

Carsten Okay, also sehr fluktuativ. Mal kommen Leute dazu, mal ist es ein kleinerer Rahmen. Was ist denn jetzt mit Neuankömmlingen? Also wenn da jetzt irgendwie andere Menschen, vielleicht auch angeregt durch diese Podcastfolge, irgendwie voll Bock drauf haben, da jetzt mitzumischen, wie können die mit euch in Verbindung treten, sich einbringen? Was muss da passieren?

Tobi Ja, also wenn die Person schon super selbstorganisiert ist und kreativ und Pläne und Ideen und was auch immer noch hat, einfach direkt vorbeikommen natürlich. Tatsächlich gibt es aber in den meisten Fällen natürlich so ein bisschen eher dieses „Ah ja noch mal in Berührung kommen, noch mal ein paar Fragen stellen.“ Also schreibt gerne Mails an kontakt@verkehrswendestadt.de. Ruft in der Amsel an, es gibt ein Telefon. Darüber hinaus gibt es auch immer wieder verschiedene Seminare hier vor Ort, wo Menschen mal reinschnuppern können, irgendwelche Aktionstrainings oder oder, oder.

Darüber hinaus natürlich auch die Möglichkeit, sich ganz konkret an Aktionen zu beteiligen, die auch jetzt schon ganz klar terminiert sind oder irgendwie von der Struktur auf jeden Fall klar. Wenn ich sage, zum Beispiel, ich will mal an die Werkstore mit, ich will mal mit den Kolleg·innen am Band reden, so nach dem Motto die da mal im Werks-Schichtwechsel rein und rausgehen, dann ist die Möglichkeit ganz einfach tatsächlich da bei der Kampagne „VW für alle“ mitzumachen und da Konversionvergesellschaftung ans Werkstor zu bringen. Also da gibt es unterschiedlichste, ganz vielfältige Möglichkeiten.

Menschen, die sagen Ach, nach Wolfsburg ist mir zu weit, aber ich finde das irgendwie toll und kann designen. Ich kann Nullen und Einsen coden, ich kann Pressemitteilungen schreiben oder wie auch immer. Da gibt es ja wirklich ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Ich kann Videos schneiden, ich kann was auch immer sozusagen beitragen an Talent, dann einfach melden und wir finden bestimmt eine Möglichkeit, sich einzubringen, beizutragen und am Ende, dass wir gemeinsam was Schickes draus machen.

Carsten Ja, cool. Dann habe ich zum Schluss noch zwei Fragen. Die eine: Wie sieht eigentlich dein Alltag normalerweise aus als Vollzeitaktivist?

Tobi Ja, ganz einfach beantwortet: Das gibt es nicht, ganz klar. Es ist immer wieder unterschiedlich. Also konkret. Heute Morgen, sehr früh wieder aus dem Bett, morgens so zwischen 5:30 Uhr, 7 Uhr spätestens versuche ich loszulegen, den Tag und habe mittlerweile einfach auch so eine gewisse Routine. Dann ist da erstmal so ein bisschen Bewegung drin, irgendwie. Hier ein paar Mails beantworten, die noch vom Abend liegen geblieben sind, dann je nachdem, was gerade wirklich ansteht. Also manchmal ist auch eine Vortragstour, die ist dann nicht ganz so strukturiert. Da geht es dann auch mal irgendwie abends ein bisschen länger bei so einem Podium oder wie auch immer.

Ab und zu darf ich dann Interviews geben, das ist wirklich ganz, ganz unterschiedlich, was da je nachdem passiert. Heute mit einer Companera haben wir noch ein paar im nächsten Jahr kommende Projekte besprochen. Genau. Also da ist wirklich ganz unterschiedlich, Schreiben an der Broschüre, an der neuen Veröffentlichung, an einem Buch. Wie auch immer. Also wirklich, das ist nicht so dieses Nine to five Ding. Es ist nicht so, dass ich sage: Ja, Jeden Morgen gehe ich um 8:00 ins Büro und höre um 17:00 auf, weil dann ist meine Arbeitszeit fertig, sondern genau, mal gucken wie lang das heute noch geht mit dir. Ich höre jetzt schon die letzte Frage kommt gleich. Von daher ist es dann auch irgendwann rund, aber am Ende des Tages? Tatsächlich ist es nicht so, dass ich jetzt irgendwie so einen ganz geregelten Alltag habe, das ist ganz klar.

Carsten Also es klingt alles andere als langweilig und und sehr lebendig. Okay. Ja, dann komme ich auch schon mit meiner letzten Frage. Und zwar geht die in Richtung Zukunftsbild oder deine persönliche Vision. Mich würde mal interessieren, wie du dir die Welt vorstellst, wenn alles so läuft, wie du es dir eigentlich vorgestellt hast. Also du hast alles erreicht, was du gerne erreichen möchtest. Wie würde die Welt aussehen? Also vielleicht auch der der Alltag in einer solchen Welt? Wie würde so der Tag bei dir dann aussehen? In der absolut idealen Welt?

Tobi Ja, Wow, das ist eine ziemlich große Frage. Ich habe schon öfter darüber nicht nur nachgedacht, sondern auch nachgespürt, wie das so aussehen würde. Konkret natürlich erstmal im großen Ganzen eine Welt nach Bedürfnissen und Fähigkeiten. Ich gebe rein, was ich rein geben kann und nehme raus, was ich brauche. Jenseits der Tauschlogik, jenseits der Leistungs- und Gegenleistungslogik, jenseits dessen „ich muss da irgendwie der fremdbestimmten Lohnarbeit nachgehen, die Eigentumsverhältnisse akzeptieren, so dass einige wenige alles haben und ganz viele nichts.“ Das darf nicht sein, das ist zum Schreien ungerecht.

Und da kommen wir natürlich noch in eine - und das ist was ganz Wichtiges für mich - herrschaftsfreie Gesellschaft rein und eine herrschaftsfreie Gesellschaft, die nicht nur unter den menschlichen Tieren existiert, sondern auch den nichtmenschlichen Kreaturen, also ganz klar auch den Tieren, so nennen wir sie meistens in Form von, dass da auch diese ganze Ausbeutung, dieses ganze Leid, dieses ganze Elend, was wir diesen fühlenden Wesen antun, nicht mehr stattfindet. Also das ist ganz, ganz klar eine vegane Lebensweise, die ganz anders sich organisiert und ganz anders Möglichkeiten schafft, wie wir uns auch gemeinsam koordinieren können.

Konkret wäre dann natürlich mein Leben ein bisschen anders, weil jetzt gerade verwende ich keine Ahnung 90 % meiner Zeit darauf, dafür zu sorgen, dass diese Gesellschaft eine andere wird. Und angenommen, es wäre so, - davon gehe ich gar nicht aus, dass wir irgendwann mit dem Schnipsen oder dem langen fünf Minuten noch weiterkämpfen, dann auf einmal die perfekte Welt hätten, sondern immer wieder auf dem Weg dahin merken oh, da gibt noch was zu verändern. Und hier gibt es doch noch mal was und wie auch immer noch. Aber angenommen, es wäre jetzt so, wir könnten alle Feierabend machen, alles ist wunderbar. Wir haben uns so organisiert nach Bedürfnissen und Fähigkeiten.

Alle geben rein, was sie reingeben können und was sie brauchen nehmen sie einfach - fertig. Alles wäre so wunderbar, dann würde ich wahrscheinlich ein bisschen mehr Gitarre spielen. Dann würde ich ein bisschen mehr im Garten Lebensmittel anbauen, wie es mir körperlich möglich ist. Aber vor allem Brotbacken. Ganz gerne. Und so weiter und so fort. Also da würde ich vielleicht noch andere Talente sozusagen ermöglichen. Weiterhin das Schnacken und Schreiben natürlich auch, aber natürlich mit einer ganz anderen Zielrichtung als jetzt 150 Vorträge zu geben im Jahr, um irgendwie Leuten zu sagen: Hey Leute, wir können was ganz anderes machen, das ist dann ja glücklicherweise nicht mehr.

Dann würde ich vielleicht Geschichten erzählen über die Zeit, in der wir noch so komisch gelebt haben. Was unvorstellbar ist in der sozusagen späteren Jetztzeit, wo alles wunderbar ist. Genau. Also von daher. Da bin ich ganz dankbar, diese Idee wirklich zu sagen: Lasst uns ganz anders organisieren in Kooperation anstatt in Konkurrenz.

Carsten Wow, Danke für dieses inspirierende Zukunftsbild. Das macht Lust auf „Ich möchte Teil davon sein.“ Ich hoffe, dass wir eine solche Zukunft tatsächlich noch erleben. Das wäre auf alle Fälle sehr, sehr wünschenswert. Ja, super Tobi. Ganz herzlichen Dank. Ganz lieben Dank für dieses Gespräch. Du hast unglaublich viel Input gegeben. Es war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung, dich im Gespräch zu haben. Ich fand es sehr inspirierend, sehr aktivierend. Tatsächlich.

Ich hoffe, dass es Hörerinnen und Hörern auch so geht und die jetzt auch tatsächlich Bock haben zu sagen: Ich möchte mich in diesem Metier so ein bisschen mit einbringen und vielleicht dort den Kontakt konkret zu euch suchen, um zu sagen, ich helfe bei der Verkehrswende mit, um da wieder den roten Faden zum Anfang zu bekommen. Das auch tatsächlich mal Straßenbahnen aus dem Werk raus fahren und nicht nur verdeckte Züge dafür.

Herzlichen Dank für diese bahnbrechende und ganz tolle Inspiration und vielen Dank für die Zeit, die Du jetzt eingebracht hast für dieses Gespräch.

Tobi Da freue ich mich. Danke sehr.

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